Interview mit Marc Friedrich: “Ein Staat geht nicht pleite sondern seine Bürger gehen Pleite”

INTERVIEW vom 25.09.2012 mit Marc Friedrich, Co-Autor der Bücher: “Der größte Raubzug der Geschichte” und “Der Crash ist die Lösung”. Das Gespräch ist bald 3 Jahre alt, aber heute aktueller denn je.

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Jenny: Ihr schreibt, “Vor unseren Augen findet der größte Raubzug der Geschichte statt, und wir alle sind seine Opfer.” Das Buch wurde zum Spiegel-Bestseller. Immer mehr Menschen begreifen, was vor sich geht. Warum gibt es keine Massenproteste?

Marc: Weil es dem Großteil der Menschen noch viel zu gut geht und sie noch nicht registrieren was uns alles blühen wird. Insgesamt geht es uns einfach zu gut im Gegensatz zu den Menschen im südlichen Europa. Noch leben wir in Deutschland in einer Oase. Die Krise tangiert hier doch niemand wirklich und wir werden nur damit konfrontiert wenn man die Nachrichten sieht, hört oder liest. Sehr viele Menschen verstehen die Krise schlichtweg nicht bzw. blicken schon lange nicht mehr durch. Ich denke, wenn die Staatsanleihenblase platzt und sehr viele sehr viel verlieren werden, dann wird sich einiges ändern. Dann werden wir auch in unserem Land wütende Menschen auf den Straßen haben. Keiner läßt sich gern berauben und belügen.

Jenny: Über die Entstehung von Geld gibt es viele Theorien und Meinungen. Was ist eigentlich Geld und wo haben es Banken und Staaten her?

Marc: Wir haben ein ungedecktes Papiergeldsystem d.h. unser Geld ist mit keinem Wert hinterlegt, außer mit unserem Vertrauen. Und dieses Vertrauen kann auch ganz schnell schwinden. Geld ist lediglich ein Schuldversprechen auf bedrucktem Papier bzw. Baumwolle, wobei das meiste Geld gar nicht in Papierform existiert. Notenbanken und Geschäftsbanken können Geld schöpfen, also erschaffen, aus dem Nichts. Deshalb auch “Fiat Money”. […]  Unser Geld ist Schuldgeld, dies bedeutet, die Guthaben der Einen sind die Schulden der Anderen. Der Staat auf der anderen Seite finanziert sich durch Steuern. Da diese aber fast nie ausreichen um seine Kosten zu decken, muss er sich von den Banken und auf den Märkten (auch hier wiederum von den Banken und Versicherungen) Geld leihen z.B. durch Staatsanleihen und dafür Zinsen bezahlen. Die Zinsen zahlen natürlich die Steuerzahler. Also wir alle. Und jetzt wird es absurd: Der Staat muß nun die Banken mit Geld retten, daß er sich von ihnen wiederum leihen muß.

Jenny: Warum ist nicht Sozialpolitik sondern eher das Finanzsystem schuld an weltweiter Ungerechtigkeit?

Marc: Unser momentanes Finanzsystem ist zutiefst ungerecht, da nur ein sehr kleiner Prozentsatz von diesem profitiert. Profiteure unseres Finanzsystems sind diejenigen deren Einnahmen aus leistungslosem Einkommen die Zinsausgaben übersteigen. Wir bezahlen jeden Tag Unsummen an Zinsen. Nicht nur in Form von Steuern, da unser Staat verschuldet ist, sondern auch, wenn wir Einkaufen, Bahnfahren, für Dienstleistungen etc.… da fast alle Unternehmen ebenfalls verschuldet sind und ihre Zinsen auf den Endverbraucher abwälzen.

Jenny: Von welchen Investments sollte man aktuell Abstand halten?

Marc: Wir erleben momentan einen epochalen Wandel was Investments abgeht. Was 50 oder 60 Jahre gut und solide war, ist es nicht mehr. Man sollte ganz klar von Papierwerten abstand nehmen – denn diese sind schlicht und einfach nur bedrucktes Papier. In den letzten Jahrhunderten haben wir unzählige Währungen kommen und gehen sehen. Wer der Meinung ist, dass die Staatsanleihenblase früher oder später platzt, sollte auf jeden Fall vor allen Investments, welche in Staatsanleihen investieren, wie Lebensversicherungen, Rentenpapiere… Abstand halten […]  Auch von Immobilien kann man momentan nur abraten. Dies ist auch kein Investment. Eine Immobilie kann leicht besteuert werden und kostet immer Geld.

Jenny: Was passiert wenn ein Staat pleite geht? Wer bezahlt die Rechnung und kann es danach weiter gehen?

Marc: Die Vergangenheit ist ein guter Ratgeber. Zurückblicken können wir alle und daraus lernen. In die Zukunft blicken kann keiner – außer natürlich die Analysten und Banker. Für das Buch haben wir die Staatsbankrotte der letzten 500 Jahre untersucht und begutachtet. Fazit: Ein Staat geht nicht pleite sondern seine Bürger gehen Pleite. Die müssen die Zeche bezahlen. Die Rechnung bezahlen zuerst mal die Besitzer von Papierwerten. 1948 gab es z.B. für 100 RM gerademal 10 DM. Nicht besser sah es für Besitzer von Lebensversicherungen und Staatsanleihen aus. Verluste werden einfach auf den Bürger umgewälzt und somit sozialisiert. […]

Jenny: Ihr nehmt den Begriff “Wirtschaftswachstum” ziemlich auseinander. Warum ist ewiges Wachstum eurer Meinung nach eher ein Problem statt die Lösung?

Marc: Exponentielles Wachstum kann in einer Welt mit endlichen Rohstoffen nicht funktionieren. Rein mathematisch ist dies einfach nicht möglich. Nehmen wir den Krebs. Er wächst exponentiell aber nur so lange, wie der Wirt, der Mensch, lebt. Stirbt dieser am Krebs, stirbt auch der Krebs und stoppt sein Wachstum. Parallel hierzu: Unser Finanzsystem hat Krebs im Endstadium. Und die Geldtherapie schlägt leider kaum an und verschlimmert nur das Leiden. Fazit: Die Rohstoffe auf unserer Erde sind von der Natur limitiert. Aus diesem Grund kann es kein ewiges Wachstum geben.

Jenny: Wie nutzt man die Krise als Chance um hinterher nicht als Verlierer da zu stehen?

Marc: Ganz klar raus aus Papierwerten und rein in Sachwerte. Ein Wald, Acker, Grundstück oder eine Gold oder Silbermünze werden immer einen Wert haben. Wichtig ist es sich materiell, geistig, mental auf das was kommt vorzubereiten. Jeder sollte sich überlegen: Was ist wirklich wichtig im Leben? Was brauche ich? Wir alle werden einen immensen Wandel miterleben dürfen.

Jenny: Ihr spart im Buch nicht mit polemischen Zuspitzungen. Ist es wirklich ratsam ein ernstes Thema entsprechend populistisch zu beschreiben oder ist gerade dies das Erfolgsrezept solcher Bücher?

Marc: Jenny, würdest du das xte schnöde Wirtschaftsbuch zur Krise kaufen?  Unsere Intention war das sicherlich durchaus sehr ernste Thema angenehm zu verpacken und für jeden, egal welchen Wissensstand und Bildung er hat, lesbar und verständlich zu machen. Es soll ein Augenöffner sein. Das Leben ist ernst genug und Lachen ist die beste Medizin.

Jenny: Das Buch macht wütend und traurig. Nach dem Lesen will man eigentlich nur zu einer Waffe greifen oder weinen. Welche Lösungsansätze könne man bieten, um den Menschen wieder Hoffnung zu geben?

Marc: Uns erging es bei der Recherche für das Buch leider nicht anders. Auch wenn wir nun täglich lesen und hören was unternommen wird, kann man entweder völlig ausflippen oder herzhaft über die desperate Herangehensweise lachen. Es wurde bis zum heutigen Tage kein einziges Problem gelöst. Nein, alles was passiert ist, ist die volkswirtschaftliche Schadensmaximierung. Trotzdem sollte man das positive sehen. Es kann nur was besseres kommen. Wir alle können dafür sorgen, dass die Zukunft für alle Menschen besser wird. Ziel sollte es sein, ein gerechtes und allen Menschen dienendes Finanzsystem zu implementieren. Jeder sollte sich fragen: Ist unser Finanzsystem lebenswert? Bin ich glücklich? Wir alle Rennen doch Tag aus, Tag ein im Hamsterrad um Steuern, Versicherungen, Essen, Miete, Kredit etc. zu bezahlen. Wo ist die Work-Life-Balance? Sind wir glücklich? Wenn man sich die Gesichter morgens im Bus oder der Bahn oder Mittags in der Einkaufsstraße anschaut, sieht man wenig Zufriedenheit. Alle sind gehetzt, gestresst, besorgt. […] Wer jetzt auch die richtigen Schritte unternimmt, wird die Krise als einmalige Chance erkennen.

Jenny: Das Buch ist politisch sehr neutral. Welche Risiken und Nebenwirkungen siehst du in der modernen Politik? Was tun die Etablierten und welchen Parteien und Personen traust du zu, die Sache in den Griff zu bekommen?

Marc: Wir haben mit Politik nichts am Hut. Wir sind nur einer Politik verpflichtet und das ist die Politik der Wahrheit und der Fakten. Festzustellen ist, dass die Politik sich in eine sehr gefährliche Abhängigkeit bringen hat lassen. Sie sind sozusagen im Schwitzkasten der Lobbies und der Finanzindustrie. Man muss sich doch nur mal anschauen wie da wild die Fronten gewechselt werden. Wie im Buch beschrieben gibt es hierfür viele schändliche und aussagekräftige Beispiele voller Interessenskonflikte: Riester, Rürup, Monti, Papademos, die halbe US-Regierung, Schröder, Draghi etc. Wirklich ekelhaft. Ganz ehrlich: Wenn die Krise lösbar wäre, wäre sie schon längst gelöst. Die Lösung wird der Crash sein. Problem ist: Man kann die Naturgesetzte nicht überlisten und das versuchen wir momentan. Das Resultat ist jetzt schon bekannt. Keiner hatte bisher den Mut die wirklichen Ursachen zu bekämpfen oder die Probleme zu lösen. Keine Partei und keine Person. Alle haben hier grandios versagt oder sind vor der Finanzlobby eingeknickt.  […]  Die Lobby macht einen großartigen Job. Respekt.

Jenny: Das Buch ist unterhaltsam und zugleich informativ, an manchen Stellen sogar sarkastisch bis zynisch. Genau nach diesem Grundsatz schreibe ich auch dieses Blog (Infotainment & Erotainment). Hast du bei mir abgeschrieben? Wer oder was hat euch inspiriert? Gibt es heimliche Mentoren oder Ideengeber?

Marc: Ja. Ohne dich, liebe Jenny würde es dieses Buch nicht geben und die Wahrheit wäre immer noch verdeckt. Hierfür sind wir dir und alle Leser unendlich dankbar. Wir fühlen uns auch geehrt, dass wir dieses Interview mit Dir machen dürfen.

Beitrag erschien auch auf: pinksliberal.wordpress.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FDominicus

Niemals so ganz, weder geht die ganze Bevölkerung pleite und insgesamt gebe ich zu bedenken.

Nach einer Pleite kann man weiter machen. Was passierte aber üblicherweise wenn Staaten "den Bach runtergehen". Genau das war so gut wie immer ein Krieg. Positive Ausnahmen wie der Untergang der DDR sind ein ganz großes Glück gewesen.

In einem Krieg gibt es für viele kein morgen. Sondern im Namen von Staaten wurden bisher die meisten Menschen auf diesem ganzen Planeten "vernichtet", ermordet, zerstückelt und was weiß ich noch.

Wenn wir also "nur" pleite gehen, dann haben wir noch Glück. Will jemand darauf wetten, daß es nicht "anders" ablaufen könnte?

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