Internet unter Zensurdruck

Twitter führt in diesen Tagen erstmals einen länderspezifischen Filter ein, um in einem Land gesetzeswidrige Inhalte zu sperren. Nun wird also auch der Kurznachrichtendienst von einer engstirnigen politischen Klasse diszipliniert.

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Es geht dabei vor allem um den gewaltigen Markt China und um den arabischen Raum. Dort spielte ja Twitter eine nicht unwesentliche Rolle in der Vorbereitung demokratischer Revolutionen. Man kann aber davon ausgehen, dass das Ganze Schule machen wird. Bei Twitter ist vor kurzem ein saudischer Prinz als Großinvestor eingestiegen. Der dürfte dort eher nicht als Anwalt für Meinungsfreiheit, z.B. im arabischen Raum, auftreten. Man kann vermuten, dass eher das Gegenteil der Fall sein wird. Das FBI lässt darüber hinaus verkünden, dass es die Lebensgewohnheiten der Menschen in den sozialen Netzwerken ausforschen und dort nach „bösen Menschen“ suchen will.

Nicht nur die Politik macht Druck auf die sozialen Netzwerke. ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ist das Stichwort. In Hinterzimmerverhandlungen haben sich Konzerne und Bürokraten auf Weltebene geeinigt, wie man gegen Fälschungen und Urheberrechtsverletzungen im Internet vorgehen will. Es ist ein Rundumschlag gegen die Freiheit daraus geworden. In Zukunft könnte jemand schwer bestraft werden, der z.B. ein Video von einer Party hochlädt, auf der urheberrechtlich geschützte Musik gespielt wird. Schon beim Posten von Zeitungartikeln droht Gefahr. Damit gibt es fast immer einen Vorwand, gegen missliebige Personen vorzugehen.

Das sind jetzt nur die Schlagermeldungen der letzten Tage. Das freie Internet ist engstirnigen Konzernlenkern und Politfürsten ein Dorn im Auge. Diese alte Garde hat nicht verstanden, dass das freie Internet, dass die freie Meinungsäußerung in den sozialen Netzwerken eine unaufgebbare Quelle der Inspiration und Produktivität für die Welt geworden ist. Die Probleme und Herausforderungen der neuen Zeit können nicht mehr durch Hinterzimmerkungeleien in den Griff bekommen werden. Es braucht den Sachverstand und das Engagement vieler Menschen. Ein Machtkampf scheint ausgebrochen zwischen der verknöcherten alten und der neuen partizipativen Art der Machtausübung. Schon immer in der Geschichte gab es diesen Konflikt zwischen den Bürokraten der Macht und denen, die sich vor das Volk hinstellen und von vorne führen. Zurzeit regieren noch die Ängstlichkeit und die Kontrolle. Nach dem Versagen der jetzigen Strategie schlägt aber die Stunde eines neuen Stils, der keine Angst vor den Menschen hat, sondern sie beteiligt.

Es gibt erste Erfolge. So konnten durch eine Massenmobilisierung jüngst Zensurgesetze in den USA verhindert werden. Und auch bei ACTA gibt es noch eine Chance. Das EU-Parlament muss unter Druck gesetzt werden, dieser Vereinbarung nicht zuzustimmen. Kampagnen dazu laufen an. Hier kann sich die Mobilisierungsfähigkeit der sozialen Netzwerke erweisen. Es wäre eine Illusion zu glauben, das freie Internet könnte ohne Kampf bestehen bleiben. Freiheit wird einem nicht geschenkt, man muss sie sich nehmen. Das war immer so in der Geschichte und ist jetzt nicht anders.

von Dr. Christian Weilmeier

www.weilmeier.de


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