Immer die Ahnungslosen

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In der aktuellen Zeit (Printausgabe) schreibt Evelyn Finger über unseren Papst und den Hl. Franziskus.

Der Papst macht alles anders. Er predigt die Liebe, hat ja vor ihm noch kein Papst getan. Soweit klar. Und der Heilige erst! Der hatte eine Lovestory mit Frl. Klara. Auch klar. Er hat sie entführt, wie ein Ritter. Wie ramontisch …

Aber der Knaller: Der Heilige Franziskus war ein Revoluzzer, gegen den Pussy Riot alt aussehen, denn er hat sich auf dem Marktplatz von Assisi nackig gemacht und der schockierte Bischof hat ihn mit seinem Mantel bedeckt. Weia! Ganz großes Kino!

Das ganze wäre nicht so schlimm, wäre es eine Romanbearbeitung, die ein Mindestmaß an künstlerischer Freiheit ja geradezu erfordert. Das ist es aber nicht, es ist ein Artikel in einer als einigermaßen seriös geltenden Wochenzeitung. Ein Musterbeispiel des deutschen Qualitätsjournalismus im 21. Jahrhundert. In einer Zeit, in der die Ahnungslosigkeit des Schreibers … pardon, der Schreiberin größte Tugend darstellt. Hauptsache ich bekomme die Zeilen voll, habe eine vermeintliche Sensation und kriege die Kohle auf mein Konto. Wirklichkeit? Wahrheit? Wen interessiert das schon?

Es gibt übrigens aus meiner Sicht nicht den Hauch eines Zweifels, daß es zwischen Klara und Franziskus ordentlich geknistert hat. Doch dabei sind die beiden nicht stehen geblieben, wie es Frau Finger glauben machen will. Diese wunderschöne Wundererzählung aus der Heiligenlegende, daß die Rosen mitten im Winter blühten, weil Franziskus sagte, man sehe sich erst zur Rosenblüte wieder, ist ein wohlbekanntes Motiv. Es ist eben Klara, die mit ihrem Gebet und ihrer Liebe Gott bewegen konnte, den geistlichen Freund schneller wieder bei sich zu haben. Franziskus war der, der sie zu Gott führen sollte. Die Heilige Klara hat selbst den Papst mit Standhaftigkeit und Gebet in die Knie gezwungen, weil sie ihre Regel mit der radikalen Armut durchsetzen wollte.

Was so schön romantisch klingt, erweist sich am Ende dann doch als nichts anderes als der Kampf um den rechten Weg, das Werk Gottes zu tun.

Der berühmteste Striptease der Kirchengeschichte (BTW: im Mittelalter war man bei weitem nicht so prüde wie manch einer heute denkt) hat dann eigentlich auch nur einen Grund: Franziskus legt seine teuren Kleider dem leiblichen Vater zu Füßen und der Bischof nimmt diesen Akt an, indem er Franziskus in seinen Mantel hüllt und ihn damit für die Kirche annimmt.

Das geifernde Erröten heutiger Zeitgenossen bei der Vorstellung eines splitterfasernackten Hl. Franziskus – gar noch in Gegenwart von Weibsvolk! – mitten auf dem Marktplatz hat damals vermutlich niemanden sonderlich aufgeregt. Mit der Annahme durch den Bischof war die Sache klar und danach sind vermutlich alle nach Hause gegangen. Allenfalls Franziskus’ Papa war etwas sauer, weil sein Erbe nun die Kirche retten mußte.

Angst, wie die Autorin in ihrem Artikel unkt, hat man in Rom weder heute vor Papst Franziskus noch hatte man sie damals vor dem Heiligen Franziskus. Innozenz III. war damals der mächtigste Mann seiner Zeit. Wenn er gewollte hätte, hätte der den Poverello mit einem Federstrich ausradieren können. Stattdessen wurde recht schnell die Regel des neuen Ordens nach einer Überarbeitung vorläufig anerkannt.

Die Stoßrichtung des Artikels ist klar: Ab jetzt wird alles ganz anders. Und wenn man dann noch das folgende Interview mit Christian Weisner liest, das ebenfalls Frau Finger führt, ist es völlig klar. Alles muß nicht nur anders, es muß ganz anders werden. Was Herr Weisner mit seinen 20 Hanseln dazu beitragen will, erschließt sich mir gar nicht. Das Kirchenvolk ist bei “Wir sind Kirche” schließlich gar nicht vertreten, auch sie in bestem Einvernehmen mit der Presse uns dies immer weiß machen möchte.

Man könnte ja vielleicht sogar einen Artikel wie den vorliegenden ernst nehmen, wäre der narrative Teil nicht so eine Ansammlung von gequirltem Quark. Ahnungslosigkeit als Prinzip eignet sich nicht für glaubwürdige Stories. Last not least natürlich die große Frage:

Warum um alles in der Welt läßt man solche Artikel nicht mal Leute schreiben, die von der Sache etwas verstehen? Der innere Zusammenhang zwischen dem Hl. Franz von Assisi und Papst Franziskus, der Jesuit und somit in der geistlichen Tradition des Hl. Ignatius von Lojola steht, ist nämlich wirklich ein spannendes Thema und es würde einen exzellenten Artikel in der Zeit abgeben. Dazu sollte man aber wirklich ein wenig von Kirchengeschichte verstehen.

Beitrag erschien zuerst auf: blog.peter-winnemoeller.de 

 

 

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