„… im Leben und im Sterben“

Guido Westerwelle geht es wieder besser. „Ich will weiterleben“, wünscht er sich auf dem „Spiegel“-Titel. Jūratė starb acht Wochen nach der Diagnose - Bauchspeichelkrebs, der schon gestreut hatte. Doch sie lebt weiter, aber nicht mehr auf dieser Erde.

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Der „Spiegel“ dieser Woche hat dem ehemaligen deutschen Außenminister Guido Westerwelle die Titelgeschichte gewidmet. Im Sommer des vergangenen Jahres wurde bei dem FDP-Politiker Leukämie diagnostiziert. Über die Behandlung, darunter eine Knochenmarkstransplantation, und das auf den Kopf gestellte Leben seitdem schreibt Westerwelle im gerade erschienenen Zwischen zwei Leben. Im Journal findet sich ein ausführliches Interview mit ihm.

Ein Krebskranker, dem es inzwischen wieder besser geht, auf dem Titel macht Hoffnung. Aber nicht immer verlaufen Krebsgeschichten so glücklich. Anfang September empfing Jūratė Vaitkevičienė die Studenten des EBI-Studienzentrums in Šiauliai gewohnt freundlich und zuvorkommend. Die Frau des Pastoren der Freien christlichen Gemeinde am Ort, die sich im gleichen Gebäude im Vorort Ginkūnai versammelt, leitete Büro und Administration des Studienzentrums. In der folgenden Woche bestätigten Ärzte in Vilnius einen Krebsverdacht. Und nicht nur das: es wurde Bauchspeicheldrüsen festgestellt, der auch schon die Leber angegriffen hatte. Die Mediziner gaben ihr nur noch einige Monate.

Und so kam es auch: Vor einer Woche, am 4. November, verstarb die gerade 51jährige – nur knapp acht Wochen nach der Diagnose. Noch im August waren Jūratė und ihr Mann Valdas zu einem Besuch in den USA, trafen Vertreter der Mennonitenbrüder, zu deren Weltkonferenz der Bund der Freien christlichen Gemeinden Litauens inzwischen gehört. Und sie machten Werbung für das Evangelische Bibelinstitut, dem Valdas im Nebenamt als Rektor vorsteht und das ohne Unterstützung von Kirchen und Werken in den USA und Deutschland nicht existieren könnte. Nun ist sie nicht mehr da, plötzlich herausgerissen aus dem Leben, und hinterlässt eine große Lücke.

Am 6. November kamen im großen Gemeindesaal mehrere Hundert Trauernde zu einem Gottesdienst zusammen. Die Zweitälteste der drei Töchter (die jüngste macht im nächsten Jahr das Abitur) sprach im Namen der Angehörigen und konnte sich manches von der Seele reden. Sie bezeugte, dass ihre Mutter bis zu den letzten Minuten ihr freundliches Wesen nicht verlor, immer einer warmes Wort für alle, auch das Krankenhauspersonal, hatte. Selbst den Tod vor Augen verließ sie ihre „Visitenkarte“, ihr Lächeln, nicht. Nach dreißig Jahren und drei Monaten fehlt Valdas nun seine treue Gefährtin. Am folgenden Tag wurde die Urne der Verstorbenen in Elektrėnai, Heimat der beiden, beigesetzt.

Die ganze Schulgemeinschaft des EBI steht noch wie unter Schock. Holger verliert mit Jūratė eine Kollegin, mit der die Zusammenarbeit – alles andere als selbstverständlich – immer äußerst konstruktiv und angenehm war. Die gelernte Mathematiklehrerin liebte es präzise und genau, doch alles Pedantische war ihr fremd. Sie war die gute Seele des EBI, Anlaufstelle für alle und Seelsorgerin für viele. Die Akkreditierung durch die EAAA ist nicht zuletzt auch Jūratės Dienst zu verdanken. Die Prüfkommission zeigte sich erstaunt, dass die Administration der Ausbildungsstätte geradezu blitzte, so perfekt war alles geordnet.

Was soll nun werden? Was hier auf Erden werden wird, wissen wir nicht. Der Heidelberger Katechismus fragt in seiner allersten Frage sehr realistisch nach dem persönlichen Trost, nach dem „einzigen Trost im Leben und im Sterben“. In diesem Trost des Glaubens, den sie jahrzehntelang gelebt und vorgelebt hat, ist Jūratė in Frieden mit Gott verstorben. „Ich will weiterleben“ wünscht sich Westerwelle auf dem „Spiegel“-Titel. Jūratė lebt tatsächlich weiter, aber nicht mehr auf dieser Erde.

Zuerst erschienen auf lahayne.lt

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Kommentare zum Artikel

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Das Christentum hat 1.000 Jahre den medizinischen Fortschritt blockiert, siehe Verbot der Leichensezierung. Das nenne ich eine böse böse Leistung. Komisch, dass Gott nicht eingegriffen hat. Gibt es Gott vielleicht doch nicht?

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