Im Banne von PISA

Nach dem PISA-Schock von 2001 starrte 10 Jahre später das bildungsinteressierte Deutschland auf die Ergebnisse der jüngsten Befragung und jubelte allerorten schon vorab, dass es aufwärts gehe, auch wenn wir noch nicht ganz oben angekommen sind.

Veröffentlicht:
von

Die Fakten

Im Jahre 2009 hat die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) fast eine halbe Million 15jähriger Schüler aus 65 Ländern in den Bereichen Lesefähigkeit, Mathematik und Naturwissenschaften in ihre Untersuchung einbezogen, wobei dieses Mal der Schwerpunkt auf „Lesen und Textverständnis“ lag. Deutsche Schüler lagen bei der Auswertung in Mathematik und Naturwissenschaften eindeutig verbessert über dem OECD-Durchschnitt. Auch in der Lesefähigkeit ist eine über dem Durchschnitt liegende Verbesserung eingetreten.

Die Lese-Verbesserung betrifft nicht das „Reflektieren und Bewerten“ von Texten und ist in der Hauptsache den Mädchen geschuldet, die sich in der Gruppe der schlechtesten Leser um 5,5 PISA-Punkte verbesserten, die Jungen nur um 2,6. Die Gruppe der am besten lesenden Jungen hat sogar um 2,3 Punkte abgenommen, während sie bei den Mädchen gleich geblieben ist.

Die Tendenz der Kommentare

Dass die Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und der PISA-Forscher Eckhard Klieme die „ungewöhnlichen Fortschritte in den vergangenen zehn Jahren“ nicht genug loben konnten, ist ebenso verständlich wie die Haltung der einzelnen Bundesländer, die sich alle „auf dem richtigen Weg“ wähnen.

Auch die Kommentare der Parteien sowie der Eltern- und Lehrerverbände lassen sich größtenteils unter dem Tenor zusammenfassen: „Wir sind ein Stück vorangekommen, dürfen uns aber jetzt nicht ausruhen. Vor allem müssen die sozial Benachteiligten noch stärker in den Blick genommen werden.“

Doch auch vor „PISA-Hysterie“ (lehrer nrw) und Überbewertung wird gewarnt: „Mit umfassender Allgemein- oder Persönlichkeitsbildung hat PISA nichts zu tun.“ (DL – Deutscher Lehrerverband)

Besonders interessant ist die Bewertung der Ergebnisse durch die OECD selbst: Die ansteigende Verbesserung in der Lesekompetenz wird anerkannt, wobei auf den ein Schuljahr betragenden Unterschied beim Lesen zwischen Jungen und Mädchen hingewiesen wird, sowie auf die weiterhin bestehende Problematik der Schüler aus sozial schwächer gestellten Familien und solchen mit Migrationshintergrund.

Die Schlüsse aus PISA

Für die Bildungspolitik ist natürlich von besonderer Bedeutung, welche Schlüsse aus den PISA-Ergebnissen gezogen werden. Die Forderungen, die gestellt werden, gehen von „finanziell besserer Ausstattung der Schulen“ (Bundeselternrat) über „Verbesserung der Lehrerausbildung“ (Philologenverband); „Ausweitung des Handlungsspielraums für Bildungseinrichtungen“ (FDP); „Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung für Kinder ab Eins“ (SPD); „ integrative Schulformen“ (Die Grünen) bis zu „ein integratives Schulsystem und qualifizierte, gut bezahlte Lehrkräfte“ (GEW)..

Die OECD selbst befürwortet für ein besseres Abschneiden bei PISA „Schulsysteme..., die Schülerinnen und Schülern gleiche Bildungschancen bieten“, „eine größere Autonomie der Schulen“ und „dass die Leistungen von Lehrern in der gesellschaftlichen Einschätzung positiv gewürdigt werden.“

Fragen zu PISA

Angesichts der Euphorie über die Verbesserung der Ergebnisse in Deutschland sind wesentliche Aspekte ausgeblendet worden, die als berechtigte Fragen bestehen bleiben:

- Gibt PISA mit seinen sehr spezifischen Datenerhebungen Aufschluss über die gesamte Bildungssituation an unseren Schulen? Ist der Blick nicht verengt auf einzelne, sicher wichtige Aspekte, die aber nichts über die Allgemein- und Persönlichkeitsbildung der Schüler aussagen?

- Wenn im „Nationalen Bildungsbericht 2010“ als eines der wichtigsten Ziele die Erhöhung des Bildungsstandes zur Behebung des Fachkräftemangels herausgestellt wird, dann muss die Frage erlaubt sein, ob es zielführend sein kann, immer und ausschließlich den Blick auf die Gruppe der „Bildungsverlierer“ zu richten.

- Geht man davon aus, dass die Ergebnisse von PISA für das Bildungswesen in Deutschland Konsequenzen haben sollte, dann darf man nicht unterschlagen, dass wir ein Jungen-Bildungs-Problem haben, für dessen Behebung weder geeignete Maßnahmen ergriffen wurden noch in Aussicht stehen.

- Der immer wieder herangezogene Vergleich mit Finnland ist obsolet, da die Voraussetzungen nicht vergleichbar sind. In einem Land, in dem es keine Ausländerproblematik in den Schulen gibt, die Lehrer angesehen und hoch bezahlt sind und die Klassen und Schulen erheblich kleiner und besser ausgestattet sind, kann man redlicherweise nicht als einziges Argument anführen: wir müssen das finnische Gesamt- und Ganztagsschulkonzept übernehmen.

Es wird sich zum Schaden der Schüler kaum vermeiden lassen, dass nach PISA 2009 jetzt wieder Strukturdebatten und –änderungen in unseren Schulen Einzug halten. Nicht die Systeme bestimmen über die Qualität der Schulen sondern die Lehrer. Daher wäre es wünschenswert, wenn die Lehrer sich ihrem pädagogischen und didaktischen Kerngeschäft widmen könnten und sich weniger um Bürokratie kümmern müssten, wenn sie besser ausgebildet wären und kleinere Klassen hätten und wenn sie besser bezahlt wären, damit die besten in unserem Land die Zukunft gestalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf erziehungstrends.de

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Meier

Für mich erscheint die weitreichenste, auf Fakten basierende Erkenntnis aus den Pisatesten, die Feststellung von andreas-underberger.at zu sein.

Die Testbesten 15jährigen leben in Familien wo die Mütter mindestens halbtags zu Hause sind. In diesen Haushalten stehen kaum bis garkeine Fernsehgeräte und wird kein Fernsehen konsumiert. Stattdessen haben diese klugen und gebildeten Eltern Bücher.

Die Testschlechtesten leben in Haushalten mit mehreren TV-Geräten.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang