Hypersexualisierung und Provinzialität

Demnächst kommt ein neuer Film in die Kinos. Er beruht auf einem Buch, das vor einiger Zeit einen riesigen Hype erlebte: Charlotte Roches „Feuchtgebiete“. Diesem schönen Kalauertitel folgten die mit einem poetischeren Namen versehenen „Schoßgebete“. Der Leser wunderte sich über den verzweifelten Ernst der das Thema feiernden Medien, mit dem wesentlich uninteressante (persönliche) Details zu einer gesellschaftlichen Relevanz aufgeblasen wurden.

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Aber gut – die Bücher verkauften sich bestens, ob wegen des Hype oder aus anderen Gründen, dies sei dahingestellt, und könnten deshalb etwas aussagen über unsere Gesellschaft. Selbst wenn man konzediert, dass individuelle Neurosen dann relevant werden, wenn sie massenhaft auftreten und so einen interessanten psychologischen oder medizinischen Aspekt bekommen, darf gefragt werden, ob diese flotte Bearbeitung des Themas im kaum verhüllten Stil einer Ratgeberliteratur nicht aus einem anderen Grund so frenetisch besprochen wird.

Um bei Neurosen zu bleiben, sei kurz auf die aktuelle Sexismus-Debatte hingewiesen, die Deutschland als ein heillos hypersexualisiertes Land zeigen. Über Sex redet ja immer der am meisten, der wenig davon hat. Kann es das sein? Oder wird Sex bei uns politisch missbraucht? Kann es daran liegen, dass von deutschen Journalistinnen und Journalisten immer wieder Themen mit sexuellem Inhalt an die mediale Oberfläche gespült werden? Wenn es nämlich „passt“. Damit dann zum Beispiel gesagt werden kann, es ginge in Wirklichkeit nicht um Sex, sondern um Macht. Spätestens dann kommt der antikirchliche oder feministische Pferdefuß zum Vorschein.

Neurose einer meinungsbildenden Gruppe oder Zeichen einer Verspätung Deutschlands? Bleiben wir bei der literarischen Pornographie, so haben z. B. Charles Bukowski und Philip Roth schon vor langen Jahren einschlägige Kostproben geliefert, die durchaus Anspruch auf hohe Literatur erheben konnten. Und es ist in diesen Beispielen ja gerade die Sexualität des „Normalbürgers“, die pornographisch erzählt wird – alles schon da gewesen. Aber vielleicht ist es ja „der weibliche Blick“, der bei Roche das Besondere ausmachen soll.

Doch auch hier kommt sie zu spät. Wer Kathy Ackers schönen kleinen Roman „Kathy auf Haiti“ gelesen hat, fragt sich, was um alles in der Welt Frau Roche dem noch hinzuzufügen hat, von den Büchern französischer Autorinnen aus den letzten zwei Jahrzehnten ganz zu schweigen. Die Antwort lautet: Sie hat dem nichts hinzuzufügen. Es zeigt sich damit in gewisser Weise die Provinzialität deutscher Literatur und ihres Publikums heute. Der Anschluss an die internationale Entwicklung ist verloren, die Presse, mit wenig zufrieden, freut sich schon, wenn sie folgendermaßen urteilen kann: Immerhin, für Deutschland ist es ja noch neu. Diese Provinzialität zeigt sich auch anderswo. Die kindliche Freude der Deutschen darüber, dass David Bowie mal in Berlin (West) gelebt hat und gerade wieder einen Song über diese Stadt veröffentlicht hat, ist schon peinlich.

Ein Publikum, das offenbar in Unkenntnis der Weltliteratur ziemlich trübe Aufgüsse für originell hält und dafür Geld ausgibt, stellt sich kein gutes Zeugnis aus. Kann es auch etwas für die unselige Sexismusdebatte? Haben die Deutschen vielleicht die Medien, die sie verdienen? Für das „Feuchtgebiete“-Thema von Frau Roche gilt jene traurige Bilanz, dass ihm in den Staaten vor langer Zeit schon der interessante Beruf des „vaginal hygienist“ den Boden bereitet hat. Und heute lassen die „Shades of Grey“ grüßen. Die USA sind unser Vorbild in der Hypersexualisierung, der Sexismusbekämpfung und im Genderwahn. Wer dort als Mann Frauen auf den Po schaut, kann ernste Probleme bekommen. Wir machen das alles eben erst fünf Jahre später nach. Wir sind halt kulturell doch eine Kolonie der Vereinigten Staaten geworden (oder geblieben?). Mit den USA geht es allerdings auch schon rasend schnell bergab.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Lupengucker

@Dietmar Fürste
Ich bedaure Ihren Entschluss, Herr Fürste, denn Ihre Kommentare waren mir immer sehr lesenswert.
Wollen Sie sich die Sache nicht noch einmal überlegen?
Würde mich freuen, wenn Ihre wohltuende Stimme hier nicht verstummen würde.

Gravatar: Dietmar Fürste@ Thomas ex Gotha  Es war sehr lehrreich, wie

@ Thomas ex Gotha

Es war sehr lehrreich, wie Sie als anonymer Agit-Prop-Schreiber der AntiFa dafür gesorgt haben, dass mein Kommentar entfernt wurde. Das macht Sie in Ihren Kreisen sicher zum Helden.

Dass diese Webseite jedoch Ihrer Polemik folgt und mit sofortiger Zensur reagiert, gibt zu der Vermutung Anlass, dass sie inzwischen, der politisch korrekten Staatsdoktrin folgend, missliebige Blogger ausgrenzt und damit ihren eigenen Namen diskreditiert.

So werde ich mir in Zukunft den Besuch auf dieser Seite und ebenso weitere Spenden für die ‚Zivile Koalition’ ersparen.

Wie sagte damals schon Ulbricht: „Die Diskussion ist beendet!“. (Und die Freiheit im Netz nun auch)…

Gravatar: Crono

@Professor Adorján F. Kovács
... Wir sind halt kulturell doch eine Kolonie der Vereinigten Staaten geworden (oder geblieben?). Mit den USA geht es allerdings auch schon rasend schnell bergab.

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Das stimmt alles. Aber wer merkt hier das schon?

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