Homofilm, homophob

Spiegel online empfahl am vergangenen Wochenende den Film Freier Fall (2013) von Stephan Lacant, der praktischerweise direkt verlinkt wurde. In ihrer Ankündigung verhöhnte die Redaktion von S.P.O.N. den heterosexuell lebenden Polizisten Marc von vornherein als »Spießer«:

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»Doppelhaushälfte abbezahlt, Frau schwanger, Karriereaussichten gut. Doch dann verliebt er sich in seinen Arbeitskollegen Kay – und plötzlich steht seine Welt kopf.« Eine bemerkenswerte Doppelzüngigkeit: Ein privat und beruflich geordnetes Leben wird denunziert, damit es so aussieht, als ob der Mann die auftretenden Turbulenzen irgendwie verdient hätte. Sie stürzen ihn notwendigerweise, so scheint es, in ein anderes (und besseres?) Leben. S.P.O.N. verklärte seine homosexuelle Affäre zur Befreiung vom angeblich falschen Bewußtsein, zu einer Befreiung aber, die von der Strafe nicht zu unterscheiden ist. Eine typische Ambivalenz revolutionären Denkens, die wir auch aus unserem kollektiven Schicksal nach 1945 kennen …

Marc wird von seinem Kollegen Kay zu mehreren intimen Begegnungen verführt, auf die sich Marc anfangs nur widerwillig einläßt. Von Liebe keine Spur. Auch sonst von nichts Verbindendem, das nicht mit Polizeisport (sie sind schließlich Kollegen) oder mit Sex zu tun hätte. Nach einiger Zeit fliegt die Sache natürlich auf, damit das Drama seinen Lauf nehmen kann. Marcs Frau Bettina, die soeben das gemeinsame Kind zur Welt gebracht hat, ist ebenso wütend wie verzweifelt. Hilflos sind sie leider alle beide und die Verwandten obendrein. Das Paar trennt sich, obwohl Marc das nicht will. Ein anderer Kollege, der sich gewöhnlich mit Macho-Sprüchen hervortut, hatte Marc inzwischen wegen seiner Affäre provoziert. Marc provozierte daraufhin den Kollegen und wurde von diesem zusammengeschlagen. Ein weiterer Kollege ging dazwischen und verhinderte Schlimmeres. Kay hat sich derweil aus dem Staub gemacht; als Marc ihn besuchen will, findet er eine leere Wohnung vor. Danach stürzt er sich in die schwule Szene, aber auch da hält ihn nichts.

Das ist also die Geschichte, die nach Meinung von S.P.O.N. Marcs Spießerdasein auf den Kopf stellt. Frau und Kind hat er verloren, und der Liebhaber ist über alle Berge. Am Ende sieht man ihn wieder beim Dauerlauf mit der Polizeisportgruppe, nur daß er diesmal stolzer und schneller ist als die anderen. »Jetzt hat er seinen Lebensweg gefunden«, soll uns das wohl sagen, aber dieser Weg führt ihn erkennbar nur in ein ungewolltes Singledasein. Sein Kraftzuwachs hat ihn nicht einmal dazu befähigt, sich gegen seinen prügelnden Kollegen zu wehren.

Man muß dem Film zugutehalten, daß er nichts beschönigt. Das Thema, so der Regisseur, war »Marcs Zerrissenheit zwischen zwei unvereinbaren Polen«. Die propagandistische Bemühung, die Probleme und Nachteile der homosexuellen Neigung  den gesellschaftichen Umständen unterzuschieben, ist nur als dünner Firnis zu erkennen. Der homosexuelle Impuls entfaltet eine deprimierend destruktive Wirkung, gegen die sich niemand zu schützen weiß. Ein Schicksal zum Fürchten. Hätte der Film nicht den Bonus der guten Absicht, würde der Regisseur nach den aktuell geltenden Maßstäben mit dem Vorwurf der Homophobie rechnen müssen. Der Redaktion von S.P.O.N. jedenfalls ist die Tristesse nicht entgangen, die im Falle eines »freien Falles« droht.

Beitrag erschien auch auf: die-entdeckung-des-eigenen.de

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