Heiße Eisen (Teil 3)

Für Menschen, die dem Glauben den Rücken kehren, ist oft auch die Vergangenheit der Kirche mit ausschlaggebend, die sich aus Sicht der Kritiker in drei Punkten zusammenfassen lässt: 1. Kreuzzüge, 2. Schwertmission, 3. Hexenverbrennung. Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung – das ist die dunkle Seite der Kirchengeschichte, die oft unhinterfragt bleibt. Dass in der Kirchengeschichte – zumal im Mittelalter – nicht alles ganz so dunkel war, wie man meint, zeigen ab und an Filme wie der über Hildegard von Bingen. Aber wenige Wochen nach Kinostart ist das wieder vergessen. Was bleibt hängen? Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung. Es scheint also angezeigt, darauf einen genaueren Blick zu werfen.

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Teil 3 – Hexenverbrennung

Oft ist zu hören, die Kirche habe im Mittelalter Millionen von Frauen in Europa als Hexen verbrannt. Es ist das Verdienst des Berliner Protestanten Richard Schröder, gezeigt zu haben, dass in dieser Aussage vier Fehler stecken: 1. Der Schwerpunkt der Hexenverfolgung lag nicht in Europa, sondern liegt im heutigen Afrika: „Die intensivste Hexenverfolgung“, schreibt Schröder in „Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen“, „fand 2001 statt“, und zwar im „östlichen Kongo“. Dort hat sie alles andere als „christliche“ Gründe. 2. Die meisten Hexenverbrennungen gab es in Europa nicht im Mittelalter, sondern in der frühen Neuzeit; die letzte Hexe wurde in Deutschland 1775 verbrannt. 3. Die Opfer waren nur in Deutschland mehrheitlich Frauen, sonst war das Verhältnis mindestens ausgeglichen, z. T. waren die Männer in der Mehrzahl; in Island waren 90%, in Estland 60% der Opfer Männer. 4. Es waren nicht „8 oder 9 Millionen Opfer“, wie die „NS-Propaganda“ vermutete, sondern „ca. 50.000“. 50.000 Opfer – in 350 Jahren europäischer Hexenverfolgung (1430-1780). Die Christenverfolgung allein des Jahres 2008 führte zu mehr als doppelt so vielen Opfern.

Interessant ist auch, wie der Hexenwahn – in Europa! – sein Ende fand. Schröder: „Durch die Aufklärung, sagt man. Das stimmt so nicht. Er kam nämlich schon im 17. Jahrhundert weithin zum Erliegen.“ Es gab nämlich massiven Widerstand. „Die Gegner waren Theologen und Juristen, die sich als Christen verstanden.“

Einer davon war Friedrich von Spee. 1631 erscheint sein Hauptwerk, die Cautio criminalis („Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse“), die nur wenige Woche nach Erscheinen vergriffen ist. In diesem Buch entlarvt er die Hexenprozesse als Farce und die Vollstreckung der Urteile als Mord. Im Zentrum der Kritik steht die Anwendung der Folter, die damals zur Wahrheitsfindung eingesetzt wurde. Spee hält Folter zwar auch für moralisch verwerflich („Kein deutscher Edelmann würde ertragen können, dass man seinen Jagdhund so zerfleischte. Wer soll es da mit ansehen können, dass ein Mensch so vielmals zerrissen wird?“), doch zunächst für juristisch untauglich, weil sie in der Rechtspraxis zur fehlerhaften Beweisaufnahme führe.

Folter ist zudem schlecht für den, der foltert und für die, die Folter anordnen – für die Richter. Schuld fällt bei Spee nach der christlichen Sündentheorie und dem eschatologischen „Vergeltungsprinzip“ nach Mt 25, 31-46 auf den Täter zurück, den die Hölle erwarte, in der er dann jene Folter am eigenen Leibe erfahre, die er zu Lebzeiten anderen zugemutet hat. „Wenn ich sündigen wollte und mir vorgenommen hätte, durchaus in die Hölle zu fahren, so würde ich an Stelle der Richter dazu doch keinen so grausamen, sondern einen etwas erfreulicheren Weg wählen.“, formuliert er eine Spitze gegen die Gerichtsbarkeit. Eine klare Warnung, die damals verfing. Hier und heute, wo Folter wieder in Mode kommt, verfängt der Gedanke der Verantwortung vor Gott nicht mehr. Doch zumindest das ist sicherlich nicht Schuld der Kirche.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Silvia

Sehr geehrter Herr Bordat,

ich nehme der Katholischen Kirche etwas sehr übel, was so noch nicht oder für meine Begriffe nicht eingehend genug gewürdigt wurde, nämlich: Der Kreuzzug der Katholischen Kirche gegen Abtreibung entbehrt jeder Grundlage.

Begründung:

Gehen wir zurück zu der Zeit, als Moses dem Volke Israel die 10 gebote verkündete. Damals kannte man die weibliche Eizelle nicht, also konnte Moses auch nicht verboten haben abzutreiben bzw. Moses konnte nicht gesagt haben, dass Abtreibung unter das 5. Gebot falle, denn die Katholische Kirche "lehrt", dass ab Verschmelzung von Ei und Samen ein Mensch entstanden sei, der durch Abtreibung ermordet(getötet) würde.
Schon deshalb fällt Abtreibung nicht unter das 5. Gebot, schon deshalb darf jede christliche Frau abtreiben, soviel sie will.
Bitte lesen Sie das 2. Buch Mose, Randnummern 21-25!
Da wird eine Rauferei geschildert, in deren Verlauf eine schwangere Frau gestossen wird, so dass ihr, wie es in der Luther-Übersetzung heisst, die "Frucht abgeht". Die Schuldigen müssen an den Ehemann(sic) der "fruchtabgegangenen" Frau eine "Geldstrafe" zahlen.-
Daraus ergibt sich, dass ein Embryo nicht als "Mensch", sondern als "Frucht" angesehen wurde und ein Embryo wurde nicht "ermordet" sondern "abgegangen" und der Schuldige wurde nicht hingerichtet, sondern kam mit einer "Geldstrafe" davon, was heute wohl als "Schadensersatz" angesehen werden kann?
Es heisst aber in den Zehn Geboten nicht: "Du sollst eine Frucht nicht abgehen lassen!". Angenommen dieser vorgesagte Satz wäre Bestandteil der Zehn Gebote, dann wäre die Katholische Kirche im Recht, wenn sie Abtreibungen als "Mord im Mutterleib" und "vorgeburtliche Kindstötung" geisselt.
Und ausserdem: Angenommen, wenigstens der Ehemann oder beide Eheleute wollten kein (weiteres) Kind und hätten abgetrieben, dann müssten die Eheleute doch eine "Geldstrafe" an sich selber zahlen, was keinen Sinn ergibt.
Und nun lesen Sie bitte die Bergpredigt, Herr Bordat!
Kommt darin ein Abtreibungsverbot vor? Nein!
Dabei waren in der damaligen Zeit im gesamten Römischen Reich Abtreibungen der "Normalfall" und wenn Jesus vom Normalfall abweichen wollte, hätte er unbedingt ein Abtreibungsverbot aussprechen müssen, was er aber nicht hat. Somit gilt: Was nicht verboten ist, ist erlaubt.
Und nun kommt der unverdaulichste Brocken:
Die Katholische Kirche, welche am lautesten und schrillsten gegen die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch wettert, hat diese Fristenregelung erfunden in Form der Sukzessivbeseelung. Diese Sukzessivbeseelung war von 1140-1869, unterbrochen von 1588-1591, im röm.-kath. Kirchenrecht verankert.
Um Wiederholungen und Vertiefungen zu vermeiden surven Sie bitte unter den Begriffen:

- Sukzessivbeseelung
- Simultanbeseelung
- Abtreibung: Wann ist ein Mensch ein Mensch?

Diese Sukzessivbeseelung war eine inoffizielle Fristenregelung, weil man ebenso wie bei der heutigen Fristenregelung davon ausging, dass zu Beginn der Schwangerschaft noch kein Mensch vorläge, sondern erst nach einer bestimmten Frist. Nur die Begründung war eine andere, aber es kommt auf dasselbe raus, nämlich dass Frauen ungestraft in den ersten drei Monaten abtreiben durften.
Leider wissen heute viele KatholikInnen und auch Menschen, die mit der Katholischen Kirche nichts am Hut haben, nichts von dieser Sukzessivbeseelung.
Nochmals kurz zusammengefasst: Ich nehme der Katholischen Kirche übel, dass sie die Leute verdummt, gegen Abtreibung einen Kreuzzug führt, obwohl es hierfür keine Grundlage gibt
Freundlichen Gruss
Silvia.

Gravatar: Wobbegong

Neulich hieß es in den Medien, jeder sechste über 65 leide schon an Demenz - wenn man sich Ergüsse von Ewiggestrigen wie diesen oben anschaut, glaubt man solche Meldungen aufs Wort.

In Berlin würde man dazu meinen: dumm jeboren und wajta nüscht dazujelernt.

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