Heiße Eisen (Teil 2)

Für Menschen, die dem Glauben den Rücken kehren, ist oft auch die Vergangenheit der Kirche mit ausschlaggebend, die sich aus Sicht der Kritiker in drei Punkten zusammenfassen lässt: 1. Kreuzzüge, 2. Schwertmission, 3. Hexenverbrennung. Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung – das ist die dunkle Seite der Kirchengeschichte, die oft unhinterfragt bleibt. Dass in der Kirchengeschichte – zumal im Mittelalter – nicht alles ganz so dunkel war, wie man meint, zeigen ab und an Filme wie der über Hildegard von Bingen. Aber wenige Wochen nach Kinostart ist das wieder vergessen. Was bleibt hängen? Kreuzzüge, Schwertmission, Hexenverbrennung. Es scheint also angezeigt, darauf einen genaueren Blick zu werfen.

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Teil 2 – Schwertmission

Mission ist der Versuch, Andere vom Wert der eigenen Überzeugung zu überzeugen. Da Menschen, die Überzeugungen vertreten, davon ausgehen, dass diese wahr sind, dient Mission in ihren Augen stets der Verbreitung der Wahrheit. Mission ist nicht auf Religionen beschränkt, sondern findet sich auch in den Versuchen, Menschen für bestimmte Weltanschauungen, politische Ansichten (konkret: Parteien, Bürgerinitiativen) etc. zu gewinnen. Den Anspruch, die eigene Überzeugung Dritten zu vermitteln, hat wohl jeder, der überhaupt von etwas überzeugt ist.

Die Kirche ist apostolisch, also missionarisch (c. 781 CICan; Vat II AG Nr. 2 und 35), d. h. sie ist darauf ausgerichtet, die Botschaft ihres Gründers, Jesus Christus, allen Menschen zu verkünden. Den Auftrag zur Mission erhält sie dabei von Christus selbst: „Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28, 18-20).

Von einer Sache überzeugt sein und davon reden, bedeutet nicht automatisch, dem Gegenüber mit Intoleranz zu begegnen, auch nicht, wenn man von der absoluten (dass heißt universellen) Geltung des eigenen Standpunkts überzeigt ist. Im Gegenteil: Wer eine eigene Position hat, von der er glaubt, sie sei unabhängig von Zeit und Raum, von Kultur und Situation, kann oft besser verstehen, dass auch der andere eine Position hat, die er für wertvoll und wichtig hält.

Es kommt immer darauf an, wie die Überzeugung, mit der man den Anspruch erhebt, dem Anderen etwas Wahres mitzuteilen, das für diesen nützlich und hilfreich sein kann, an diesen Anderen gerichtet wird. Hier ist die Grenze der Missionstätigkeit in Toleranz dort zu sehen, wo der andere das Angebot zur Prüfung bzw. Übernahme der Überzeugung explizit ablehnt.

Dass Mission nicht mit Zwang oder gar Gewalt einhergehen darf, macht Christus sehr deutlich, in seinen „Anweisungen für die Mission“ (Mt 10, 5-15). Zumindest für das Christentum gilt also nicht, dass Mission intolerant ist, da der Missionsbefehl an Bedingungen geknüpft ist (Friedfertigkeit der Glaubensweitergabe, Freiwilligkeit der Glaubensannahme).

Die Annahme des christlichen Glaubens kann nur freiwillig vollzogen werden, erzwungen werden kann nur die formale Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft, der Kirche. Da diese theologisch wertlos ist, soweit und solange die innere Haltung zum Glauben fehlt, haben sich Theologen im Rückgriff auf das Evangelium stets gegen Zwangstaufen und Gewaltmission gewandt. Jesus fordert eine Mission in Liebe und durch Überzeugung, die ihre Abbruchbedingung im freien Willen des zu Missionierenden findet. So sieht das heute auch die Kirche.

Die Kirche hat in der Vergangenheit gegen diesen Grundsatz Jesu Zwangstaufen und Gewaltmission vollzogen! Wird oft behauptet. Stimmt aber auch nur teilweise. In den ersten drei Jahrhunderten ihrer Geschichte gab es keine Zwangstaufen und keine Gewaltmission. Die Menschen entschieden sich freiwillig und oft unter Einsatz ihres Lebens für die Nachfolge Christi. Im Kern ihrer Begründung ist die Kirche dementsprechend nicht durch Zwang und Gewalt vorbelastet. Erst nach der Konstantinischen Wende im frühen 4. Jh., als das Christentum Staatsreligion des sich auflösenden Römischen Reiches wurde, verwandte es in dieser Funktion Zwangsmittel, um Heiden zu christianisieren. In dem Maße, indem die Kirche eine staatstragende Rolle übernahm (und Kirchenvertreter als weltliche Herrscher fungierten), nutzten sie Zwangstaufen und Gewaltmission als Machtmittel.

Grundsätzlich wurden Zwangsmissionierungen, die von weltlichen Herrschern angeordnet wurden, von Vertretern der Kirche sehr kritisch gesehen. Zwei bedeutende Beispiele dafür sind die Zwangstaufen, die Karl der Große unter den Sachsen vollziehen ließ (9. Jh.), und die Gewaltmission in Lateinamerika im Auftrag der spanischen Krone (16. Jh.). In beiden Fällen waren es weltliche Herrscher, die Mission als Mittel der Machtpolitik einsetzten. Die Kritik an diesem Ansinnen kam aus Kirchenkreisen, von Hofpredigern und Ordensleuten, die mit biblischen, theologischen und rechtlichen Argumenten opponierten.

Als Karl der Große um 800 die Sachsen unterworfen hatte, erließ er in der Capitulatio de partibus Saxoniae Vorschriften zur Todesstrafe für alle, die sich nicht taufen lassen wollten. Der theologischen Rechtmäßigkeit der Alternative „Taufe oder Tod“ hat sein Hoftheologe Alkuin entschieden widersprochen.

Als die „katholischen Könige“ mit päpstlichem Mandat Amerika eroberten und die autochthone Bevölkerung von den Conquistadores gewaltsam christianisiert wurde (Mission war die Bedingung für die päpstliche Schenkung von 1493), stieß dies bei den Missionaren auf massiven Widerspruch, für den vor allem die Dominikaner Antonio Montesino und Bartolomé de Las Casas stehen, die Überzeugungsarbeit und ein christliches Leben als positives Beispiel gegen die gewaltsame Missionspolitik stellen, die in den spanischen Kolonien an der Tagesordnung war.

Oft wird behauptet, Entwicklungshelfer seien in Gegenwart und Zukunft die besseren „Missionare“, da es keine spirituelle, sondern eine materielle Not zu lindern gelte. Dazu ist zu sagen, dass die „echten“ Missionare in unserer Zeit sehr wohl auch materiell helfen. Nur stellen sie immer wieder fest, dass die Not der Menschen eben nicht nur eine materielle, sondern auch eine spirituelle ist.

Zudem müssen die Ursachen der materiellen Not behoben werden. Die Not vieler Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ lässt sich nachhaltig nur erfolgreich eindämmen, wenn die Kräfte zur Selbsthilfe bei diesen Menschen mobilisiert werden. Dazu ist es oft nötig, dass sich die Prinzipien der Wirtschafts- und Sozialordnung und der individuellen Lebensführung ändern. Für diese, aber auch für jene hat die Kirche ein Angebot zu machen, herausragende Beispiele finden sich im Bereich der AIDS-Prävention und der Wirtschaftsförderung.

1. Wenn der Papst als Oberhaupt der Kirche zur „Humanisierung der Sexualität“ auffordert und daran erinnert, dass der Kampf gegen AIDS mit technischen Mitteln (Kondome) nicht zu gewinnen ist, dann appelliert er für die Kirche vor dem Hintergrund ihres personalen Menschenbildes und ihres Verständnisses von partnerschaftlicher Geschlechtlichkeit als fester Verbindung von Sex und Liebe an die individuelle Lebensführung der Menschen und trägt damit dazu bei, die Ursachen der AIDS-Pandemie zu beheben, statt nur deren Symptome.

2. Mit der Sozialen Marktwirtschaft wurde in Deutschland die katholische Soziallehre sehr erfolgreich in die politische Praxis umgesetzt. Ihre Prinzipien werden aufgrund dieser positiven Erfahrungen mit dem „Wirtschaftswunder“ der Nachkriegszeit von vielen anderen Ländern dankbar aufgenommen, gerade in einer Zeit der Krise, in der die rein materielle Sicht auf den Menschen im Rahmen der sozio-ökonomischen Struktur allgemein als zu eng eingeschätzt wird. In vielen Fällen trägt der neu erlangte katholische Glaube wesentlich zur Stabilisierung dieser Prinzipien bei.

Gerade das kirchliche Engagement in der AIDS-Prävention sei doch ein Beispiel dafür, so heißt es dann oft weiter, wie Kirche die Not der Menschen für ihre Missionszwecke missbrauche. Doch zu unterstellen, die Kirche würde das Elend von Menschen zu Missionszwecken missbrauchen, ist einfach absurd. Ginge es bei der AIDS-Prävention um Mission, griffe die Kirche wohl kaum auf „unbequeme Wahrheiten“ wie die Notwendigkeit der Keuschheit (Enthaltsamkeit außerhalb, Treue innerhalb der Ehe) zurück, die die Menschen heute überwiegend nicht hören wollen. Dann würde sie dem Zeitgeist entsprechend Gratiskondome verteilen.

Generell geht es der Kirche stets um die Wahrheit der biblisch und kirchengeschichtlich fundierten Glaubenslehre und damit um das Wohl der Menschen, weil sie weiß, dass dies langfristig die von Gott gewollte „Strategie“ ist, Menschen an die Kirche zu binden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hedwig v. Beverfoerde

Sehr geehrter Herr Bordat,

vielen Dank für Ihre differenzierten Auführungen. Das Wutgeheul kirchenfeindlicher Kreise ist natürlich groß, wenn ihre Lieblings-Pauschalvorurteile unbrauchbar gemacht werden.

Gravatar: Stefan Müller

Es ist einfach nicht zu fassen was angebliche Kenner der Bibel schreiben.
"Die Kirche ist apostolisch, also missionarisch (c. 781 CICan; Vat II AG Nr. 2 und 35), d. h. sie ist darauf ausgerichtet, die Botschaft ihres Gründers, Jesus Christus, allen Menschen zu verkünden. Den Auftrag zur Mission erhält sie dabei von Christus selbst: „Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28, 18-20)."
Weder hat Jesus eine Kirche gegründet, schliesslich war er bis zu seinem Tod Jude, hat als solcher gelebt und gepredigt, noch kann er von der Dreifaltigkeit gesprochen haben, die wurde schliesslich erst Jahrhunderte später auf einem Konzil erfunden. Ist Ihnen nicht klar das Sie das Christentum mit solchen bewussten Lügen immer mehr ins Zwielicht bringen? Was soll ein wahrer Christ, der nicht lügt, denken wenn er sowas liest?

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