Heimweh nach Merz - oder: Macht euern Dreck alleene

Was wird aus CDU und CSU, den beiden Parteien, die als Union mehr als alle anderen Parteien des Bundestags über 60 Jahre hin die Bundesrepublik geprägt haben? Niemand weiß es. Dass sich die Frage stellt - zeigt, welche Dimension das politische Erdbeben hat, das intern seit langem grollt und nun mit dem Rücktritt  von Michael Glos vom Amt des Wirtschaftsministers öffentlich sichtbar geworden ist..  Zu sagen "ausgebrochen ist" - das wäre eine falsche Formulierung. Es ist viel schlimmer für die Union . Da explodiert nichts, "es" implodiert.

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 Gewiss, mit der Ernennung des 37jährigen Nachwuchspolitikers Karl-Theodor zu Guttenberg zum Nachfolger, ist es  Merkel und Seehofer gelungen, das Leck kurzfristig zu schließen. Aber das ist fast schon nebensächlich, denn der Befund lässt sich so nicht  rückgängig machen und  bevor sich Guttenberg in sein Amt einarbeiten kann, wird diese Legislaturperiode vorüber sein. Im Grunde ist sie das schon jetzt. Mit dem politischen Desaster, in das der Rücktritt von Glos die Union gestürzt hat, ist der Wahlkampf eröffnet. Die SPD kann gar nicht anders, als diese Chance zu nutzen. Sie muss versuchen, den bisherigen Koalitionspartner  zu Paaren zu treiben. Noch nie war ihre Chance dazu in dieser Legislaturperiode so groß wie jetzt. Auch könnte der Zeitpunkt für die SPD nicht günstiger liegen.

Betroffen sind von dem Rücktritt beide, CDU und CSU. Mit seiner Entscheidung , nicht abzuwarten, bis seine "Freunde" Merkel oder Seehofer handelten, sondern den letzten Schritt aus der Regierung selbst zu tun, hat Glos seine Leidenszeit verkürzt und die Ränke der beiden Vorsitzenden durchkreuzt, die ihm ein Dahinsiechen in der Rolle des Versagers zugedacht hatten. Solche Rollen müssen Vorsitzende rechtzeitig besetzen, wenn sie mit Niederlagen rechnen müssen. Die zu befürchten haben Merkel wie Seehofer aber allen Grund: Erhält die CSU bei der Europawahl am 7. Juni  weniger als 5 Prozent der bundesweit abgegebenen Stimmen, dann hat die Ära Seehofer einen Knick bevor sie recht begonnen hat und  Merkels Zukunft wird dadurch auch nicht rosiger.

Öffentliche Kritik aus den eigenen Reihem bekam Merkel seit dem politischen Rückzug ihres einstigen Rivalen Merz fast nur noch im wahlkampfbedingten Auseinandersetzungen mit der CSU um die KfZ-Pauschale und Steuersenkungen zuhören. Ansonsten blieb es zumeist ruhig; aber das war weniger Ausdruck von Zufriedenheit als von einer immer weiter um sich greifenden Resignation. Sie hat nun zu Glos´Verzicht geführt und stimmt insofer ganz mit dem Innenleben der Fraktion überein. Aufmerken lässt indessen die rasch wachsende Zahl prominenter Politiker, die weder gegenüber Merkel noch gegenüber dem neuen CSU-Chef und Ministerpräsidenten ein Blatt vor den Mund nehmen. 

Dass Glos am Montagabend vor der CSU-Landesgruppe, die er mehr als ein Jahrzehnt geführt hatte, mit den Tränen kämpfen musste, als er von Merkels Illoyalität sprach, weil sie ihn an den Regierungsgeschäften nicht teilhaben ließ und ihm zeigte, dass sie ihn für sachlich inkompetent, "für zu dumm" gehalten habe, "um auch nur einen Vermerk lesen zu können", ist eine Sache. Die CSU-Abgeordneten werden sich daran erinnern, wenn Merkel sie wieder brauchen wird.

Dass aber der ehemalige bayrische Ministerpräsident Beckstein  und Seehofers Vorgänger als CSU-Vorsitzender, Huber, der neuen Nummer Eins  seine mangelnde Unterstützung für Glos  öffentlich vorwerfen; dass der ehemalige Chef der Münchner  Staatskanzlei, Sinner,  Seehofer attestiert, er sei "nicht optimal in der Menschenführung" und er hätte Glos stärker unterstützen müssen, - das ist in der CSU ein ziemlich einmaliger Vorgang. 

Das gleiche gilt für die Feststellung des derzeitigen Landesgruppenvorsitzenden Ramsauer, Glos habe von mancher Seite nicht - also sowohl von der Merkels als auch von der Seehofers - nicht die nötige Solidarität erfahren. Die Botschaft dieser Kritik ist klar: Wer keine Solidarität übt, kann auch keine für sich erwarten.

Neu ist nicht zuletzt, dass CDU-Abgeordnete wie der Finanzexperte  Bernhardt die Ernennung Guttenbergs mit der Bemerkung begleiten, sie bestätige, wie schlecht es um die Wirtschaftskompetenz in der Union bestellt sei.  Seine Aussage "uns fehlen die jungen Politiker mit wirtschaftspolitischer Ausstrahlung wie sie ein Friedrich Merz hat", bricht ein Tabu, denn den Namen  Merz anzusprechen ist für Merkel  eine Aufkündigung der Gefolgschaft. Und genau das ist es auch. Intern war sie von manchem schon seit längerem gekündigt. Aber eben nur intern, in einer Fraktion deren Abgeordnete ihre  Enttäuschung über Merkel und ihren Kurs in der Feststellung zusammenfassen: "Vom politischen Profil der CDU ist unter Merkel nichts geblieben" und die die Frage nach der Zukunft  der Partei nur mit einem Schulterzucken kommentieren.

Wenn jetzt an die Stelle des öffentlichen Schweigens der Fraktion derartige, fast schon offen defätistische Äußerungen treten, dann verrät dies vor allem eins: Auf den Alleingang  der Führung folgt die innere Kündigung der Missachteten. Da ist es nur noch ein kleiner Schritt bis hin zu dem Satz des abgetretenen  Königs von Sachsen: Macht Euern Dreck alleene.

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