Hayek-Gesellschaft: Dogmatischer Liberalismus oder Liberallala?

Als Außenstehender kann man es sich erlauben, sich hinsichtlich der Konflikte in der Hayek-Gesellschaft zwischen alle Stühle zu setzen – ein Platz, der Liberalen sowieso meist am besten zukommt.

Veröffentlicht:
von

Hören Sie es brummen? Falls ja, das könnte Friedrich August von Hayek sein, der im Grab rotiert. Denn was im Moment veranstaltet wird, nicht unter aber um seinen Namen, das kann man nur als Schlammschlacht bezeichnen. Ich hatte bereits Ende Juni einen Beitrag zu einem FAZ-Artikel der damaligen Vorsitzenden der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft, Karen Horn, veröffentlicht. Darin ging es um die Frage, ob es rechtskonservative Kreise in einer liberalen Gesellschaft, zugespitzt ob es möglicherweise sogar libertäre Rassisten geben kann, oder ob das ein Widerspruch in sich wäre.

Mittlerweile ist der Streit eskaliert, Karen Horn ist aus der Gesellschaft ausgetreten, mit ihr eine ganze Reihe von auch nicht ganz unbekannten Mitgliedern, wie Hans-Olaf Henkel, der bereits vor Tagen aus der AfD ausgetreten war, oder FDP-Chef Christian Lindner. Insgesamt sind es um die 50 Mitglieder, rund 13 % des Mitgliederstamms, die die Gesellschaft verlassen. Das kann man schon mal als Erdbeben bezeichnen. Begründet wird der Austritt damit, dass „im Zusammenhang mit der gegen die Vorsitzende der Gesellschaft geführten Kampagne […] dort ein unerträglicher Stil Einzug gehalten [hat], und […] ein politisches Milieu ans Licht gekommen [ist], das mit den Zielen einer wissenschaftlichen Gesellschaft, die den Namen des Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek zu tragen beansprucht, nicht mehr vereinbar ist.“ (Zitat aus einer im Interner veröffentlichten Erklärung). Rechtsruck und Mobbing? So wird das in den allermeisten Medien übersetzt, die allerdings in der Regel nur die ausgetretenen Protagonisten zu Wort kommen lassen, wie hier im Artikel des Handelsblatts, wo es heißt:

Die in Zürich lebende Wirtschaftspublizistin Horn hatte vor zwei Monaten in einem Beitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ unter der Überschrift „Die rechte Flanke der Liberalen“ vor einer Unterwanderung der liberalen Szene durch „Reaktionäre“ gewarnt. So würden unter dem Deckmantel des Liberalismus Vorurteile gegen Feminismus, Homosexualität und Pluralität gepflegt. […]

Horn erklärte dazu: „Diese Mobbing-Kampagne hat ausgerechnet für die Hayek-Gesellschaft bestätigt, was ich mit meiner Warnung vor der „rechten Flanke der Liberalen“ (…) für eine breitere, sich fälschlich als liberal bezeichnende Szene beschrieben habe.“ Sie hatte gehofft, so Horn, „dass sich eine wissenschaftliche Gesellschaft, die über den politischen Dingen stehen sollte, von einem solchen Zeitgeist nicht erfassen ließe“. […]

Die Schriften Hayeks seien für sie jedoch nie eine Art Bibel gewesen, sondern schlicht ein wissenschaftliches Werk, mit dem sich zu befassen sehr lohnend sei. Daher halte sie „Sektiererei für unwissenschaftlich und gefährlich“. Wer ihr verfalle, pflege häufig eine „Opfermentalität“ und sehe Andersdenkende als „hassenswerte Subjekte und Teil einer fatalen Verschwörung“. Dogmatisches, selbstgerechtes, gehässiges, intolerantes und respektloses Verhalten sie für die aber „eine ganz und gar nicht liberale Haltung“. Es sei zudem auch wenig zweckmäßig, wenn es darum gehen solle, andere für den Wert der Freiheit zu erwärmen.

Wer das als – wie ich – Außenstehender liest, der fragt sich entweder aus Neugierde oder aus echtem Interesse am Liberalismus, um was es denn konkret geht. Die reine Tatsache von Veröffentlichungen von Mitgliedern in der „Jungen Freiheit“ oder der ebenfalls von Horn kritisierten „eigentümlich frei“ kann es doch eigentlich nicht sein: Wenn deren Inhalte nicht totalitär daher kommen, sollte doch gerade für eine liberale Gesellschaft der Ort der Veröffentlichung nur zweitrangig sein. Es fehlen auch Angaben zu den tatsächlich kritisierten Personen; genannt wird in den Medien immer der Vorsitzende der Hayek-Stiftung, Professor Dr. Gerd Habermann, vor allem weil der auch mit der „eigentümlich frei“ als Mitglied des Redaktionsbeirats verbandelt ist. Konkret benannt habe ich den Namen aus Horns Feder aber bislang noch nicht. Möglicherweise wurden diese aus Diskretionsgründen auch den Medien vorenthalten und nur in der Mitgliederversammlung am 26. Juni 2015 in Leipzig benannt, in dessen Folge Horn und ihre Mitstreiter ausgetreten sind.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch die Beschreibung von Carlos A. Gebauer, Jurist, Publizist und Schriftsteller und einer der Moderatoren der Mitgliederversammlung. Seine Darstellung liest sich deutlich anders als das, was seitens Karen Horn publik gemacht wird:

Warum all das? Mit welchem Ziel? Zu wessen Gunsten? Warum plötzlich die mehr oder minder offene Rebellion gegen Gerd Habermann? Der  nicht konkret spezifizierte Angriff „gegen rechts“? Das Verdikt, namentlich nicht genannte Mitglieder seien „reaktionär“? Nur wegen des Geldes der Stiftung?

Unter den Mitgliedern der Hayek-Gesellschaft kursieren inzwischen konkrete weitere Spekulationen. Die medial professionell in Szene gesetzte Darstellung über eine vom Mob gestörte Versammlung mag danach verschleiern, dass die handstreichartig feindliche Übernahme von Gesellschaft und Stiftung fehlgeschlagen ist. Mit der Theorie von einem weniger konturenscharfen Liberalismus empfiehlt sich Karen Horn jedoch augenscheinlich auch für zwei ganz neue Ämter. In der Gesellschaft fragt man sich: Liebäugelt sie mehr mit einer politischen Karriere neben Frau Suding oder erschiene ihr die Nachfolge von Wolfgang Gerhardt bei der Naumann-Stiftung genehmer? Sich den Anschein zu geben, gegen die politischen Gegner der Freien Demokraten auftreten zu können, steht jedenfalls keiner dieser Perspektiven entgegen. Einer, der mit Karen Horn gemeinsam aus der Gesellschaft ausgetreten ist, hat übrigens den Namen Christian Lindner.

Für einen Außenstehenden wie mich sind das am Ende natürlich alles Spekulationen. Eines aber ist sicher: Dem Liberalismus wird mit solchen Theaterstücken und daraus resultierenden Zersplitterungen ein empfindlicher Schlag versetzt. Und ich frage mich selbst, ob ich in dieser Reihe noch genannt werden will. Dogmatismus, egal von welcher Seite, steht dem Liberalismus nicht gut zu Gesicht. Ich hatte es in dem oben verlinkten Beitrag bereits angedeutet: Unterschiedliche Menschen- und Gesellschaftsbilder sind mit dem Liberalismus immer vereinbar – wenn diese niemand anderem aufgezwängt werden! Ob also jemand positiv gegenüber der Emazipation oder Einwanderern gegenüber eingestellt ist, ist gar nicht entscheidend, entscheidend ist eher die Frage, wie er seine Positionen durchsetzen möchte: Ist es Überzeugung oder Dogmatismus? Sind es Argumente oder sind es Gesetze, die man initiieren will?

Insofern kann man – abgesehen vom möglichen Tonfall des Austauschs – schon die Skepsis verstehen, die demjenigen entgegenschlägt, der gewisse gesellschaftliche Entwicklungen – wie die Homo-Ehe oder Gender-Mainstreaming – gesetzlich unterstützt sehen möchte, wie auch demjenigen, der gesellschaftlichen Entwicklungen per Gesetz einen Riegel vorschieben will. Beides ist nicht liberal, für beide Richtungen würde ich meinen, dass der Name Hayek nicht herhalten kann. Vor diesem Hintergrund tue ich mich schwer, die Positionen sowohl von Frau Horn als auch von den von ihr nicht benannten Kritisierten einzuschätzen. Möglicherwiese gibt es in der Hayek-Gesellschaft Konservative, die den Schulterschluss zu den Liberalen nur suchen, um eigene ordnungspolitische Vorstellungen durchzusetzen. Möglicherweise treibt aber Frau Horn nicht nur die Sorge um diese Entwicklung um sondern auch, dass sie nicht zu akzeptieren bereit ist, dass ein liberaler Verein auch unterschiedliche gesellschaftliche Auffassungen, vom politischen rechten bis zum linken Rand, ertragen können muss.

Wenn beides so ist, dann bleibt nur die Hoffnung, dass sich in der Hayek-Gesellschaft noch die Stimmen der Vernunft zu Wort melden, die diese Diskussion wieder vom Kopf auf die liberalen Füße stellen. Möglicherweise wird es dadurch dann auch Abwanderungen „am rechten“ Rand geben. Für die wirklich liberalen Geister wird die Hayek-Gesellschaft dann aber sicher mehr Anziehungskraft entfalten, als sie das in diesen stürmischen Zeiten tut. Und ich frage mich ganz persönlich, welchen Beitrag ich dazu leisten kann …

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang