Im Schweigen hakte Krüger “Wie kommen Sie darauf?” nach. “Schauen Sie mal in den Spiegel”, antwortete Tom Wiseman, der Reporter am Beginn einer großen Karriere als Schriftsteller und Drehbuchautor. Krüger: “Ich kann verstehen, dass Sie als Jude etwas gegen Deutsche haben.” Wiseman: “Woher wollen Sie wissen, dass ich Jude bin?” - “Schauen Sie mal in den Spiegel!” Tags darauf war Hardy Krüger der einzige Deutsche außer Konrad Adenauer, den jeder Engländer kannte; Tom Wiseman und er wurden Freunde.”=
Ein „FAZ“-Redakteur hat das vor Jahren so aufgeschrieben. Ob die hübsche Anekdote einer Recherche standhalten würde? Bin da nicht so sicher. Auf jeden Fall habe ich oft herzlich über sie gelacht. Das vergilbte Clipping mit dem Text aus der Frankfurter Zeitung hängt an einer Pinnwand, auf der ich Leinwandhelden meiner Jugend aufbewahre. Gleich neben einem Foto von Hardy K., welches wohl bei einem seiner späten Kriegsfilmdrehs entstanden ist. „Die Brücke von Arnheim“ von 1977, vielleicht. Hardy da in Wehrmachtskluft, Blick wie ein Laserstrahl, rattenscharfe Offiziersmütze, Ritterkreuz am Hals. Seine Hände in schwarzen Lederhandschuhen halten einen Feldstecher. Ein Standfoto, von unten geschossen. Hardy sehr männlich, germanisch, total nazisexy. Eigentlich das ideale „Spiegel“-Cover.
Mit ein paar Kriegsfilmen (auch: „Taxi nach Tobruk“, 1960), die damals als „Antikriegsfilme“ verkauft wurden, avancierte Hardy Krüger zur Inkarnation des anständigen deutschen Soldaten, wie man ihn in den Kinos der Wirtschaftswunderjahre sehen wollte, zusammen mit Joachim Hansen („Der Stern von Afrika“), Hansjörg Felmy und Horst Frank. Er wurde oberster Darsteller einer gern zitierten „missbrauchten Generation“, die mit dem ganzen Nazimist nichts am Hut gehabt hatte (zu spät geboren, als dass sie Adolf hätte wählen können) und von gewissenlosen Nazischurken gnadenlos „verheizt“ wurde. Die bis zum bitteren Schluss hart, aber möglichst ritterlich focht, dabei schon mal „Scheißkrieg“ oder ähnlich Subversives in den Kaleu-Bart grummelte.
Wir reden jetzt vom Kino.
Bezeichnenderweise spielten diese deutschen (oder auch mal englischen, siehe oben) Streifen nie an der dreckigen Ostfront. Sondern im U-Boot-, Wüsten- oder Luftkrieg, wo es noch Mann-zu-Mann zur Sache ging. Unnötig zu erwähnen, dass es damals keine Spielfilme über die etwas unschönen KZ-Geschichten gab. Damit hatte der deutsche Soldat nichts zu tun gehabt. Wehrmachtsausstellung lief noch nicht.
In meiner Jugend habe ich mir solche Filme gerne angeschaut. Auch heute noch gelegentlich, aus etwas veränderter Perspektive. Es gibt da immer ordentlich Action. Da wummert und knallt es, das MG 42 rattert, Patronenhülsen und Panzer fliegen in die Luft - nicht viel anders als in den Bond-Filmen. Geschadet hat mir diese kleine Gehirnwäsche, glaube ich, nicht. Man wurde erwachsen, man erfuhr manches, und auch diese Filme geronnen irgendwann zu Geschichte. Zu einer kinematografischen Variante deutscher Vergangenheitsbewältigung, kristallisiert in den faszinierend blauen Augen des Hardy Krüger.
Der Hardy legte noch mächtig zu in seinem Schaffen, einmal mit internationalem Filmlametta behängt. Tolle Rollen kriegte er, in „Hatari!“ zum Beispiel. Er spielte an der Seite von John Wayne, Sean Connery, James Stewart und anderen Weltstars. Seine für meinen Geschmack beste Rolle, wirklich unfassbar gut, hatte er allerdings in dem nicht so bekannten Film „Der Flug des Phoenix“ von Robert Aldrich aus dem Jahr 1965. Da gab er einen dreiviertelirren, technologisch vollgenialen, bis ins Rückenmark deutschen Modellflugzeugkonstrukteur in der Wüste. Das Remake (2004) dieses Meisterwerks war ein Verbrechen.
Später kaufte sich Hardy K. eine Farm in Tansania, juckelte durch die weite Welt für das deutsche Fernsehen, schrieb Bücher, gab gute Interviews. Sein Kredit, einer der wenigen deutschen Schauspieler zu sein, der auch im Ausland akzeptiert war, braucht sich gewiss niemals auf. Sein Leben: ein einziges Rollenmodell.
Unterdessen wurde er immer zerknitterter. Was niemanden stört, im Gegenteil. Er ist jetzt unser weiser alter Indianer. Aus der Furchenlandschaft seines stoppelbärtigen Antlitzes lesen wir gelebte Geschichte heraus, glauben wir. Seine rauchige Stimme, unkopierbar. Hardy, Spross einer höheren Nazi-Sippe, der in den letzten Kriegswochen kurz davor stand, verheizt zu werden. (Über die anderen, die in dieser Zeit verheizt wurden, drehte man erst viel später Filme.)
Hardy war einer von uns. The one that got away.
Wie es aber mit großen alten Männern aus dem Showbiz so geht, manchmal nerven sie gegen Ende der Vorstellung ein bisschen. Reden dann bedeutungsschwangeres Zeug, fühlen sich zu irgendwas berufen, was ihren Nachruhm sichern soll. Hardy Krüger tourt gerade anlässlich seines heute fünfundachtzigsten Geburtstags durch die Republik und machte sich zusammen mit dem ehemaligen Fernsehmagazinmann Klaus Bednarz und dem Regisseur Hark Bohm in Hamburg für ein gut gemeintes, aber nicht sehr erfolgreiches Projekt namens „Exit“ stark, das Neonazis zum Ausstieg bewegen möchte. Die relative Erfolglosigkeit von Unternehmungen dieser Art hat, wie Insider wissen, leider wenig damit zu tun, dass sie unterfinanziert wären. Eher damit, dass es wohl nicht viele echte Neonazis gibt, die von ihrem Wahn erlöst werden wollen. Es existieren da Parallelen zu Drogenausstiegsprogrammen.
„Ich habe festgestellt, dass die Angst vor Neonazis in unserem Volk von Jahr zu Jahr größer wird“, zitiert das „Hamburger Abendblatt“ den Jubilar, der bekennt: „Haltung ist für mich ein moralischer Begriff“. Das Abendblatt feiert ihn dafür in einer Überschrift als „Widersprecher“. Da fehlt eigentlich nur noch der Uli Wickert im Bunde.
Was nun diese Angst angeht: Sorry, Herr Krüger. Unter den gewiss mannigfaltigen deutschen Ängsten steht die Furcht vor einer Machtergreifung von NPD & Co. sogar derzeit nicht sehr hoch auf dem Treppchen. Dafür gibt es einige Gründe. Die NSU-Mordserie und die Fehler bei ihrer Aufklärung, zum Beispiel, waren ja, was ihnen von allen Beobachtern zu Recht attestiert werden: beispiellos.
Neonazis auf Bühnen zu widersprechen, erfordert hierzulande auch keinen wirklichen Löwenmut. Anders ist es, wohnt man in gewissen traurigen Kaffs des Ostens (im Westen gibt´s ebenfalls ein paar davon).
Das Ritterkreuz am moralischen Bande kriegen Sie für diese Haltung leider nicht, lieber Hardy Krüger. Ansonsten aber großen, ehrlichen Dank! Für Ihre lange Performance.
Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com
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