Der Zweck der Schrift: gelesen werden
Schrift ist optische Mitteilung über Raum und Zeit hinaus. Diesem Zweck gehorcht die Notwendigkeit einer Form-Normierung. In der Grundschule werden unsere Kinder in dieses genormte Schriftsystem eingeführt. Lesen und Schreiben sind grundlegende Kulturtechniken, die von jeder Generation neu erlernt werden müssen. Unter Anleitung des Lehrers üben Kinder die gebräuchlichen Buchstabenformen ein. Schreibenlernen verfolgt das Ziel, sich schriftlich mitteilen zu können. Eine Gesellschaft, die darauf verzichtet, ihre Kinder in das bestehende Normsystem einzuführen, wird dies unweigerlich mit der Einbuße des kulturellen Niveaus bezahlen müssen.
Schreiben ist Übung
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde im Gegensatz zu heute noch viel mit der Hand geschrieben. In Büros entstanden Listen per Hand, Versammlungen wurden handschriftlich protokolliert. Privat schrieb man einander Briefe. In der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts verbreiteten sich die modernen Kommunikationsmedien. Telefon und Computer verdrängten mehr und mehr das Schreiben mit der Hand, überflüssig machen sie es indes nicht. Wo aber mangels Schreibanlässen die individuelle Handschrift nicht trainiert wird, verkümmern selbst die einmal vorhandenen Fertigkeiten. Die Feinmotorik der Hand muß ebenso trainiert werden die wie Muskulatur der Beine zum Gehen. Wenn wir darauf verzichten, unseren Kindern aus kurzsichtigen Motiven — etwa aus Gründen der Zeitersparnis — die Schreibkunst zu vermitteln, wird dies auf mittlere Sicht den Verfall des logischen Denkens zur Folge haben. Damit steht mehr als nur die Literalität auf dem Spiel, und das ist keine bloße Untergangsprophetie. Das Elend aller bisher untergegangenen Zivilisationen zeigt sich darin, daß die Menschen die positiven Errungenschaften ihrer Vorfahren jeweils als natürlich gegeben betrachteten und darauf verzichten haben, die Grundlagen der Tradition zu pflegen und aktiv zu erneuern.
Schreibenlernen ist mühsam und kostet Zeit
Man sollte Kindern und Eltern nicht erzählen, daß das Schreiben dank neuer Techniken und moderner Unterrichtsmethoden leichter und schneller erlernt werden könne. Schon gar nicht trägt eine wie immer geartete neue Schrift dazu bei — wie zum Beispiel die »Grundschrift«, eine Druckschrift, die zur Zeit unter verlogenen Argumenten und falschen Versprechungen vom Grundschulverband (einer privaten Interessengemeinschaft mit gutem Draht zur Politik) in die Schulen geschleust wird. Schon die Vereinfachte Ausgangsschrift hat zu einem Verfall der Handschrift geführt, denn das abgehackte Schreiben erzeugt eine Art »Schreibstottern«, dem später nur schwer beizukommen ist.
Denken ist Bewegung — Schreiben ist Denken
Eine unbeholfene, schlechte Handschrift behindert das schulische Lernen in allen Fächern gleichermaßen. Klarheit der Schrift fördert Klarheit im Denken: wer schreibt, verlangsamt zwangsläufig den Denkprozess, was wiederum das tiefere Verständnis fördert und beim Einprägen des Lernstoffes hilft. Das aber passiert nur, wenn der Schreibprozeß selbst nicht zuviel Aufmerksamkeit beansprucht — mit anderen Worten: das Schreiben muß flüssig und automatisiert erfolgen. Beim mühsamen Drucken der Buchstaben kann kein Fließen entstehen — auch kein Fließen der Gedanken. Schreibstammeln führt zu Denkblockaden.
Fast alle Schüler machen irgendwann in ihrem Schulleben die Entdeckung, daß sie besser lernen, wenn sie eine Mitschrift, eine Zusammenfassung oder wenigstens Skizzen anfertigen.
Drucken ist nicht Schreiben
Drucken gehört in den Bereich der Mechanik. Eine Hand ist keine Maschine. Handschrift ist Handwerk und damit ein lebendiger Prozeß. Sprechen ist Mundwerk. Das Drucken überlassen wir den Maschinen. Wir hingegen wollen schreiben. Flüssiges Schreiben zu erlernen ist keine vertane Zeit, sondern verhilft zu klaren Denkstrukturen und damit zu besserem Schulerfolg. Computer können nicht schreiben. Und Menschen, die am Computer schreiben, bedienen Maschinen.
Kinder schreiben gern. Schreiben ist eine stille Beschäftigung, Schreiben wirkt beruhigend, man kann dabei ganz zu sich selbst kommen. Wenn den Kindern eine häßliche Schrift aufgezwungen wird, wie sie die Vereinfachte Ausgangsschrift ist, oder sie von Beginn an zum Schreibstottern — sprich Drucken — angeleitet werden, dann vermiesen wir ihnen die Freude am Tun. Ganz schlimm wird es, wenn Kinder nicht mehr unterwiesen werden im Schreiben unter dem Motto: Mach es, wie du willst. Finde das Richtige selbst heraus! Das ist kein Unterricht. Das ist ein Skandal.
Kinder können nicht Schrift »entdecken«, genausowenig wie sie die Rechtschreibung »entdecken« können. Wäre das so, wir könnten alle Schulen schließen und die Lehrer entlassen. Denn beaufsichtigen können wir die Kinder auch anderswo als in ungemütlichen Klassenzimmern.
Kommentare zum Artikel
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Vor einiger Zeit wollte ich einen Kondolenzbrief schreiben für Bekannte, die ich sehr schätze und deren Sohn tödlich verunglückt war. Zuerst erwog ich einen Anruf, von dem ich aber aus mehreren Gründen absah. Eine kurze, teils vorgedruckte Karte kam für mich auch nicht in Frage, weil sie zu wenig und zu unpersönlich war. Also lief alles auf einen Brief hinaus.
Aber auch mit ihm gab es dann Probleme, denn nur ein handschriftlicher Brief schien mir angemessen. Druckschrift ging mir irgendwie gegen das Gefühl, schien zu mühelos, zu distanziert und zu formell. Sie musste für Trauernde befremdlich sein, wenn sie den Absender gut kannten.
Horatio Nelson trifft in seinem Kommentar recht gut das, was ich meine.
Doch nun zum Problem: Nachdem ich schon seit Ewigkeiten kaum mehr etwas per Hand geschrieben hatte (außer kurzen Notizen), fiel mir das jetzt ungeheuer schwer. Das Schriftbild wirkte krakelig und unausgewogen. Außerdem verschrieb ich mich dauernd und musste immer wieder neu anfangen. Schließlich tippte ich alles vor und schrieb es dann per Hand ab.
Es ist klar: Fähig- und Fertigkeiten verkümmern, wenn sie nicht beansprucht werden. Einfach drauflos zu tippen ist einfach, Fehler anschließend zu korrigieren ein Kinderspiel und die Orthographie erledigt sich fast von allein durch das Rechtschreibprogramm.
So sieht es beim Erwachsenen aus. Kinder entwickeln erst gar nicht diese Fähigkeiten, wenn sie schon in der Schule den „Segnungen“ eines Fortschrittsglaubens ausgeliefert werden, der blind macht für Gefahren und Einbußen. Fortschritt ist nicht generell gut, wie viele anzunehmen scheinen. Er ist es nur dann, wenn er nicht zu Lasten anderer Werte geht, die schwerer wiegen als das, was er einbringt. Die Entscheidung über Wert und Unwert kann unterschiedlich aussehen. Wer als Kind Probleme mit dem Schreiben hatte, wird anders urteilen als derjenige, der keine hatte oder vielleicht sogar gerne schrieb.
Auch für die Schulen müssen immer wieder Entscheidungen getroffen werden. Hier fällt das Urteil meiner Meinung nach fast regelmäßig zu Gunsten jener „fortschrittlichen“ Methoden aus, die sich an Leistungsschwächen orientieren, weil sie im Gegensatz zu den Stärken ein Problem darstellen, um das man sich kümmern muss. Und Kümmern bedeutet oft, dass Anforderungen gesenkt oder gestrichen werden. Das wäre vielleicht noch in Ordnung, wenn es nicht eine Mehrzahl von Schülern gäbe, für die Abstriche – wie etwa der Verzicht auf die Handschrift - weniger eine Erleichterung als einen Verlust bedeuten. Sie hätten keine oder nur unwesentliche Probleme mit dem Erlernen und werden doch um etwas Wertvolles gebracht.
Mir fällt überhaupt auf, dass diese Kinder sowohl in den Medien als auch in der öffentlichen Meinung keine Rolle spielen. Ich höre immer nur gutmenschliche Töne, die den Armen und Schwachen gehören. Sind starke Schüler nicht auch arm dran?
Den Wert der Handschrift hätte man übrigens kaum besser darstellen können als Sie es getan haben, Frau Pfeiffer- Stolz.
Vor einiger Zeit wollte ich einen Kondolenzbrief schreiben für Bekannte, die ich sehr schätze und deren Sohn tödlich verunglückt war. Zuerst erwog ich einen Anruf, von dem ich aber aus mehreren Gründen absah. Eine kurze, teils vorgedruckte Karte kam für mich auch nicht in Frage, weil sie zu wenig und zu unpersönlich war. Also lief alles auf einen Brief hinaus.
Aber auch mit ihm gab es dann Probleme, denn nur ein handschriftlicher Brief schien mir angemessen. Druckschrift ging mir irgendwie gegen das Gefühl, schien zu mühelos, zu distanziert und zu formell. Sie musste für Trauernde befremdlich sein, wenn sie den Absender gut kannten.
Doch nun zum Problem: Nachdem ich schon seit Ewigkeiten kaum mehr etwas per Hand geschrieben hatte (außer kurzen Notizen), fiel mir das jetzt ungeheuer schwer. Das Schriftbild wirkte krakelig und unausgewogen. Außerdem verschrieb ich mich dauernd und musste immer wieder neu anfangen. Schließlich tippte ich alles vor und schrieb es dann per Hand ab.
Es ist klar: Fähig- und Fertigkeiten ve...
@ unspaltbarer:
täuschen wir uns nicht. Das manuelle Schreiben ist Ausdruck des Charakters sowie der Kultur des schreibenden Menschengeschlechts. Dies war es immer, ist noch und wird es selbstvertändlich immer bleiben. Bei Texten, die in virtuellen Medien verfasst werden, ist oftmals festzustellen, daß sich Schreibfehler wie auch Stilschwächen und Gefühlsverlust häufig begleiten. Wesentlich mehr als bei handschriftlich verfassten Texten. Bei mir ist dies der Fall. Beim manuellem Schreiben behält der Verfasser eine unabdingbare gefühlsbetonte seelische Verbindung zu seinem Text. Bei der getippten Vorgehensweise (einerlei ob mit Schreibmaschin- oder Rechentechnik) wird dieser Kontakt und somit ein wichtiges Verhältnis zwischen Verfassenden, Text und Angeschribenen eingebüßt. Es wäre daher unverantwortlich, ja gar verhängnisvoll, in Schulen das manuelle Schreiben zu vernachlässigen oder sogar abzuschaffen.
Grüße,
Horatio Nelson.
ich habe auch als Kind nicht gern geschrieben, wie es mir hier verallgemeinernd unterstellt wird ich habe es gehasst. Handschrifliches Schreiben ist kein Können was heute noch relevant ist, die Zeit dafür wird auch nicht wiederkommen. Kinder damit zu drangsalieren empfinde ich als Sadismus (so habe ich es empfunden), wer es nicht möchte solls lassen, keiner hat davon einen Mehrwert. Ungebetene Meinungen scheinen hier auch nicht willkommen zu sein, sonderbar für ein Blog, welcher für Freiheit wirbt.
Herr Kukulies,
danke für den Hinweis! Schon korrigiert.
Alles Folgen linksideologischer Gleichmacherei. Mit der sogenannten Rechtschreibreform, die diesen Namen nicht verdient, da sie das völlige Gegenteil dessen, was sie vorgab, erreichen zu wollen, erzielt hat, fing es an. Das Desaster ging jedoch weiter: Mit Experimenten wie der sogen. „Methode Sommer-Stumpenhorst“ u. ä. wurden unsere Kinder in den Grundschulen traktiert, genauer gesagt, künstlich verdummt, gefolgt von der Vereinfachten Ausgangsschrift bis zur Freigabe des Schreibens heute. Alles nicht wiedergutzumachende Sünden, die unseren Kindern, der Zukunft jedes Landes, angetan wurden.
Ein einziges Chaos, wo man hinsieht. Die linkssozialistisch dominierte Politik mit all ihren Auswüchsen hat es geschafft, eine über Jahrhunderte gewachsene Kultur, die in ihrer Blütezeit ganz Europa befruchtete, deren Universitäten weit über Europa hinaus bekannt waren, in nur wenigen Jahrzehnten „zu schleifen“. Vor diesem Trümmerfeld stehen wir heute – leider!
Schon die Vereinfachte Ausgangsschrift hat für einen Verfall der Handschrift geführt,
Liebe Frau Pfeiffer-Stolz,
diesen kleinen grammatikalischen Lapsus fand ich in Ihrem Text, dem ich ansonsten voll zustimme.
Mit dem größten Vergnügen Gelesen. Bin 100% Ihrer Meinung. Danke.