Halloween, Luther und PEGIDA

Am 31. Oktober feiern viele Kinder in Deutschland wieder Halloween. Gleichzeitig ist dieser Tag der Höhepunkt und Abschluss der Feierlichkeiten von 500 Jahren Reformation, da Luther an diesem Tag vor 500 Jahren seine 95 Thesen gegen den Ablass an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben soll. Darüber hinaus beging die Dresdener PEGIDA-Bewegung am letzten Samstag, dem 28. Oktober, den dritten Geburtstag ihrer ersten Dresdener Montagsdemo am 20. Oktober 2014.

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Drei Ereignisse, die auf den ersten Blick nun wirklich gar nichts miteinander zu tun haben, außer zufällig in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang zu stehen.
Mehr noch, die Ereignisse haben nicht nur nichts miteinander zu tun - es gibt wohl auch kaum einen größeren Gegensatz, als den, zwischen dem amerikanisch trashigen Halloween und dem staatstragend christlichen Luther.
Und mit dem „ossi-prolligen“ PEGIDA-Geburtstag hat das Ganze nun ja nicht einmal mehr das zufällige Datum gemeinsam.

Gerade gutbürgerlichen und christlichen Eltern gilt Halloween, kulturell gesehen, oft als der Untergang des Abendlandes. Im wahrsten Sinne also als blanker „Horror“, da unchristlich und nur ein minderwertiger amerikanischer Kulturimport, eingeführt von der Süßwarenlobby, um zwischen Ostern und Weihnachten ihr Zeug nochmal ordentlich los schlagen zu können. Die Verbindung von Heidentum und Kapitalismus, als zwei Krallen des Satans.

Genauer betrachtet scheint die Geschichte dieses Brauches aber doch etwas umfangreicher zu sein.
Ethnologen und Religionsforscher streiten sich zwar noch, wie viel vom alten keltischen Ahnengedenken des keltischen Samhain-Festes sich in der christlichen Tradition von Allerheiligen und Allerseelen wiederfindet, aber das es da Wurzeln hat, kann man schwer bestreiten.  Ursprünglich kommt der Brauch also nicht aus den USA , sondern aus Europa, speziell aus Irland, dem heute noch keltischsten aller Länder und damit gehört es nun mal auch ein Stück zu unserer Geschichte.
Für seine Kommerzialisierung kann ein „Samhain-Fest“ genau so wenig, wie der arme Luther für den Rummel, der heutzutage mit ihm betrieben wird.
Es zwingt uns ja niemand, kitschige Grusel-Halloweenpartys zu feiern oder Luther-Schokolade in uns rein zu futtern, denn wir  müssen nicht alles nachmachen, was unsere Umgebung so vormacht.
Warum sollte man dieses Fest nicht wieder mit einem eigenen Sinn füllen, also z.B. so wie schon die alten Heiden und später die Christen dann am darauf folgenden Allerheiligen und Allerseelen (01. und 02. November) zu dieser Zeit schlicht seiner Heiligen und Ahnen gedenken?
Luther selbst ist z.B. ein solcher gesamtdeutscher Ahne und ja, pathetisch gesprochen „Heiliger“ für Deutschland, egal ob man nun deutscher evangelischer Christ, deutscher katholischer Christ, oder deutscher Heide ist. Das schließt Kritik an ihm ja nicht aus.
Nun ist über Luther ja sehr viel geschrieben worden. Dem hab ich wenig hinzuzufügen und möchte deshalb hier auch nur auf einen, wie ich finde, sehr guten Artikel verweisen, der aufzeigt, welche Bedeutung Luther auch außerhalb des Christentums für uns hat: https://cicero.de/kultur/reformationstag-martin_luther-luther-refomation .

Den meisten gutbürgerlichen und christlichen Eltern gilt aber kulturell gesehen nicht nur Halloween als Untergang des Abendlandes, sondern sicher auch PEGIDA, obwohl diese Wutbürger doch in breitem sächsisch gerade vorgeben, für den Erhalt desselben auf die Straße zu gehen.
Nun ist es in Deutschland ja strengstens verboten, sich über irgend eine fremde Kultur lustig zu machen. Aber für deutsche Kulturen und ganz speziell für den sächsischen „Ossi-Proll“ gilt das natürlich nicht. Ein gefundenes Fressen für das gediegene linke Staats-Kabarett, von „heute-show“ bis „Die Anstalt“, hier ooch ma richtig primitiv druff zu hau'n.

Luther kam zur Welt und starb im Mansfeldischen, in Eisleben (Sachsen-Anhalt) und er wirkte überwiegend auch aus dieser Region der heutigen Bundesländer Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt auf ganz Deutschland, auf Europa und via Auswanderung nach Amerika dann sogar in die Welt hinaus.

Wir können natürlich nur spekulieren, ob diese hügelige Region vielleicht immer schon einen besonders wutbürgerlichen Menschenschlag hervorgebracht hat und auf welcher Seite Luther heute z.B. politisch stehen würde, da er ja schließlich beides war: Wutbürger, der dem Volk aus Maul geschaut hat und Berater der Fürsten „gegen die räuberischen Horden“.

Wie in einem Steinbruch kann sich jeder aus Luthers Überlieferungen das raus suchen, was ihm in den Kram passt.
So glaubt z.B. Herr Bischof Dröge, zu wissen, was heute Luthers Wahrheit ist:
„Liebe gerade Deinen fernen Nächsten!“ (http://www.tagesspiegel.de/politik/berlins-bischof-droege-zum-reformationstag-vielleicht-ist-unsere-botschaft-wieder-revolutionaer/20519614.html ). Der arme Luther.

Das mit dem Raus-suchen, das gilt übrigens noch viel mehr für das wesentlich ältere Heidentum, z.B. in seiner keltischen Ausprägung, von dem ja fast keine schriftlichen Original-Zeugnissse überliefert sind.
Es gilt aber letztlich auch für eine Bewegung wie PEGIDA, wo ja auch viele Laien Reden so halten, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und von denen sicher auch nicht immer alle gelungen sind.
Ein Verdienst kann PEGIDA aber keiner nehmen: Sie haben mit ihren Warnungen vor gesellschaftlichen Fehlentwicklungen leider rechtzeitig sehr viel Recht gehabt, was heute viele  zumindest verdruckst zugeben. Sie haben einfach früh Mut bewiesen.
Manchmal haben eben auch sächsische „Ossi-Prolls“ eher Recht als intellektuelle Schöngeister.
Wer sich noch erinnert: Das war auch 1989 schon mal so.

Zu einer selbstbewussten „Steinbruchlese-Kultur“ bräuchte es mündige Bürger und viel Toleranz.
In Religionsfragen hat sich Luther ja schon für mündige Bürger eingesetzt.
Toleranz, das muss man leider zugeben, war aber seine Sache nicht so, da er in seinen Gegnern schnell immer gleich den Satan persönlich sah.
Dafür sollten wir heute nach ca. 500 Jahren aber eigentlich genug Aufklärung abbekommen haben, um Halloween, Luther und PEGIDA gemeinsam auszuhalten.
Und das nicht nur in einer Überschrift.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Duffy

Schöne Feiertage liegen hinter mir, der Clan hatte sich versammelt soweit Entfernung und Arbeitgeber das zuließen, die Jungs gingen auf die Pirsch (bei uns gibt's noch Niederwild, also wer noch einen guten alten Bockbüchs-Drilling aus der Zeit vor der landwirtschaftlichen Flurbereinigung sein eigen nennt: immer her damit)!
In Omas Tiefkühltruhe fand sich ein schönes Karree vom Hirschrücken, der sanft in Merlot auftauen durfte; die im Herbst gesammelten Maronen wurden in Dampf gegart, die selbst gesammelten und getrockneten Pilze in lauwarmem Wasser eingeweicht; nur beim Rotkohl griffen wir auf Gläser eines Markenherstellers zurück.
Alles so wie immer: die einen bereiten das Essen vor und die anderen schauen zu, geben Anregungen und alkoholisieren sich nebenher ganz gepflegt.
Dabei wurde auch die Geschichte des Hirsches verbreitet, der die Tafel am Reformationstag krönen sollte; nur so viel: er war gesund, nicht jung, nicht alt, stand optimal und wurde durch einen gezielten Blattschuß ordentlich erlegt, also er hat vermutlich nicht einmal den Schuß gehört, der ihn in die ewigen Waidgründe beförderte, denn er fiel sofort um. Von so einem Tod können Schlachttiere nur träumen.
Die Frage, ob der Frost der letzten Tage den Kartoffeln geschadet haben könnte, denn die erwiesen sich beim Schälen als merkwürdig weich und glasig. Frage der knödeldrehenden Enkel: "sind erfrorene Kartoffeln giftig?"
Oma: "Dann wäre ich längst tot." (Kriegswinter)
Dann kamen die Jungs nach Hause: eine Ringeltaube, ein Fasan; nix Ente, denn ohne Apportierhund kann man die Jagd auf Wasservögel vergessen. Aber alles andere erledigt der Dackel mit links. Nur: die Jungs hatten mal wieder nach Husarenart sportlich den kürzesten Weg genommen und mußten erst notversorgt werden. Beim Behandeln der Schürfwunden und Prellungen diskutierte die Familie über Evolution und Darwinismus. Sensibilisiert durch Erfahrungen in Afrika kamen wir zu dem Schluß, daß lange Beine bei Frauen einen Selektionsvorteil darstellen. Allerdings nicht, weil sie sich bei drohender Gefahr schneller mit dem Kind aus dem Staub machen können. Vielmehr, damit sie schneller beim Nachwuchs sind und einschreiten können, wenn dieser mal wieder auf besonders dumme Ideen kommt, wie z.B. den Honigdachs zu ärgern oder zu den Nilpferden ins Wasser zu gehen.

Aber davon wollte ich nicht berichten. Sondern beim Essen, was ja bekanntlich die angenehmste Form des familiären Zusammenseins ist, kam eine bemerkenswerte Tatsache zur Sprache: unser Migrationshintergrund. Und die nicht erfolgte Integration.
Während Oma in der Mark Brandenburg zur Welt kam, leider in dem Teil, der zur Zeit unter polnischer Verwaltung ist, kam der namensgebende Vorfahr unserer Familie aus Schweden, nämlich als lutherischer Geistlicher im Gefolge von König Gustav Adolf. Allerdings war er der Landessprache mächtig, weil er wie fast alle seine damaligen Kollegen in Wittenberg studiert hatte.
Nach dem dreißigjährigen Krieg, in welchem "das Zusammenleben täglich neu ausgehandelt" wurde, konnte von Integration natürlich trotzdem keine Rede sein. Nachdem man dank Luthers Übersetzung endlich in der Lage war, auch ohne Lateinkenntnisse die Bibel selber zu lesen, und der Papst seine Meinungshoheit verloren hatte, war man geistig frei und uneingeschränkt fähig, seinen eigenen Verstand gebrauchen. Man fürchtete Gott und liebte ihn, wie einen strengen aber gerechten Vater. Man übte Treu und Redlichkeit, denn kein Beichtvater entband einen von der Verantwortung für begangene Missetaten.
Obwohl wir an denselben Gott glauben und sein Wort in der Kirche hörten, blieb uns die geistige Haltung der Katholiken fremd. Der Gottesdienst ist ein anderer gewesen, denn während bei einer katholischen Messse die Orgel sanft im Hintergrund spielt, fährt sie einem bei einem lutherischen Gottesdienst derartig ins Kreuz, daß man seine Stimme schon gewaltig erheben muß, um den eigenen Gesang zu hören.
Nun geht von uns schon lange niemand mehr zum Gottesdienst, weil es unter den Pastoren kaum noch einen bekennenden Christen gibt.
Jesus spricht: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Es kommt niemand zum Vater denn durch mich."
Wer da relativiert, ist kein Christ mehr.
So sangen wir (drei Generationen aufrechte Protestanten) denn gemeinsam "Ein feste Burg ist unser Gott" und andere Klassiker, lauter als jeder Muezzin rufen kann.
Wir sind Zugereiste mit eigenem Wertekanon, unverändert seit Jahrhunderten.
Wer immer noch glaubt, der Islam würde sich früher oder später den schon länger hier praktizierten Gepflogenheiten anpassen, der ist geistig umnachtet.

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