Gute Früchte des Kolonialismus?

Ein Blick auf die Jasminrevolution in Tunesien.

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Bei den Demonstrationen im Iran in der Mitte des Jahres 2009 erschallte der Ruf „Allahu akbar!“, als wäre er ein Slogan für demokratische Reformen. Für den westlichen Beobachter war nicht klar erkennbar, was die todesmutigen Demonstranten, die mit diesem Ruf auf die Straße gingen, denn vom Mullah-Regime unterscheiden sollte. Immerhin konnte man zwei mögliche Gründe für diesen Ausruf finden: Einmal kam der Verdacht auf, dass die Demonstranten damit verhindern wollten, von vorneherein als gottlose Gesellen abgestempelt und entsprechend niedergemacht zu werden. Dann aber musste man doch befürchten, dass im Iran nach so langer Zeit der Mullah-Herrschaft kaum noch Menschen leben, die nicht entsprechend indoktriniert sind. Es gibt dort kaum eine Zivilgesellschaft, auch die Opposition ist offenbar fundamental islamisch und damit eigentlich keine. Der unvoreingenommene Beobachter musste den Eindruck haben, dass es den Demonstranten darum ging, eine etwas weniger autoritäre Form der Islamischen Republik zu errichten. Kein Zweifel, auch das wäre schon ein Fortschritt, aber keiner, mit dem ein freiheitsliebender Mensch zufrieden sein kann.

In Tunesien spielte bei den Unruhen, die zum Sturz Ben Alis führten, nach Aussage fast aller Berichterstatter und Augenzeugen der Islam kaum eine Rolle. Soweit sichtbar, war es tatsächlich der Ruf nach Freiheit, der die Leute zum Widerstand brachte. Die Diskussion dreht sich um grundlegende Reformen, die zu einem Rechtsstaat führen könnten. Der Historiker Egon Flaig hat eine „Weltgeschichte der Sklaverei“ verfasst, in der die nachweisbare These vertreten wird, dass in Afrika die Beendigung der Sklaverei von den Kolonialherren ausging. Die afrikanischen Herrscher hätten gerne noch weiter am Verkauf ihrer Untertanen verdient.  Das wäre wenigstens ein positiver Aspekt des Kolonialismus gewesen. Eine ähnliche Vermutung kann bei der Betrachtung der tunesischen Vorgänge aufkommen: Die ehemaligen Kolonialmächte, allen voran Frankreich, haben nach ihrem blutigen Abtreten zwar offiziell alles getan, um die Diktatoren zu stützen, aber gleichzeitig ein unvergessliches Beispiel hinterlassen, wie es auch sein könnte. Vielleicht ist dieses positive Erbe noch lebendig und die Chance des Maghreb, eine Alternative zum Islamismus zu finden.

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Psychologie und Massen. Wenn ein Volk hunderte von Jahren Islam übt, so hat dies negative Folgen für den Verstand. Es wird in Tunesien eher eine Gottesstaat geben als alles andere. Aber vielleicht hat auch schon das Internet in Tunesien seinen Freiheitsdienst getan und es kommt nicht ganz so schlimm im Hinblick auf einen faschistischen Gottesstaat.

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