Griechenland III

Brief an einen Haushaltspolitiker (5)

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Sehr geehrter Herr Thomae

Hat man sich im Haushaltsausschuss schon einmal die Frage gestellt, wie es möglich ist, dass ein so armes Land eine so große Zahl von Multimillionären hervorbringt? Wäre es nicht Ihre Pflicht, mit allem politischen Nachdruck nach diesen Millionen zu fahnden anstatt dem deutschen Steuerzahler immer neue Risiken aufzubürden?

Wie kommt bei Ihnen, Herr Thomae, eine Nachricht wie diese an: Es gibt eine CD, auf der das Geldvermögen vieler griechischer Multimillionäre verzeichnet ist. Diese CD wird der griechischen Steuerfahndung übergeben; ohne jede Konsequenz, denn die CD geht verloren. Der IWF hat eine Kopie dieser CD und gibt diese nach dem Verlust der ersten CD weiter zur griechischen Steuerbehörde, und wieder passiert nichts. Jetzt kommt es aber noch toller: Irgendwie gelangte auch ein griechisches Journal an Informationen auf besagter CD und veröffentliche Namen. Daraufhin wird der Herausgeber, oder der verantwortliche Redakteur, verhaftet. Von der CD hört man nichts mehr.

Und dann ständig das Gerede um Investoren. Stellt man sich bei Ihnen im Haushaltsausschuss auch die Frage, wer wohl in ein Land investieren will, das in Jahrzehnten nicht wettbewerbsfähig sein wird, wenn es im Euro verbleibt?

Die interne Abwertung im Euro funktioniert nicht. Auch die letzten Jahre, nachdem Griechenland schon pleite war und die Retterei einsetzte, wurden viele Dinge des täglichen Bedarfs wieder teurer und teurer als in Deutschland. Sie werden es noch wissen: Früher hieß es, die DM sei in GR 1,40 DM wert; heute ist es umgekehrt. Darunter leiden die griechischen Bürger und der Tourismus, die wichtigste "Industrie" des Landes. Seit einem Jahr kosten 0,5 L Bier auf der Peloponnes auch in den einfachen Kneipen 2,00 bis 2,50 Euro, vorher 1,00 oder 1,20 aber maximal 1,50 Euro - von wegen "interne Abwertung". Das Ifo-Institut in München beziffert die Teuerung in Griechenland seit Einführung des Euro m.W. auf mehr als 60 %: Kein Land kann damit im Euro wettbewerbsfähig sein.

Und was erzählen uns Ihre griechischen Kollegen zum Thema "Investitionen"? Man "informiert" zum Beispiel, dass China investieren will, wenn China in Wirklichkeit nur Stützpunkte für chinesische Waren einrichten möchte. Man verbreitet, dass Unilever investieren will und es steckt vielleicht nicht mehr dahinter als die Belieferung einer Supermarktkette. Man rühmt die Investitionen für Solarstrom und erwähnt nicht, dass diese Investoren dem Land mehr schaden als nutzen, weil der Solarstrom irrwitzig hoch bezahlt wird, um überhaupt solche "Investoren" ins Land zu bekommen.

Es ist Ihr Informationsdefizit, das Sie daran hindert richtig zu reagieren, wenn griechische Politiker stets neue Versprechungen abgeben und jeden Vertrag unterschreiben. Sie erkennen nicht, dass es den griechischen Politikern und den Reichen in GR nur darum geht, so lange als möglich frisches Euro-Geld ohne Gegenleistung nach Griechenland zu ziehen.

Lesen Sie nächste Woche den 6. Auszug „"Scheitert der Euro, scheitert Europa"?“

Prof. Dr. Walter Kühbauch war einer von Hunderten Bürgern, der dem FDP-Haushaltspolitiker Stephan Thomae antworteten, nachdem dieser auf Abgeordneten-Check.de Stellung zum ESM bezogen hatte. FreieWelt.net veröffentlicht das Schreiben mit freundlicher Genehmigung des Verfassers in acht Auszügen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: franz dreesen

Bravo, Hr. Kühlbauch! Weiter so,freue mich auf die nächste Folge1

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