Googeln mit Smartphone macht denkfaul!

Die Unstatistik des Monats März ist die Berichterstattung über eine kanadische Studie zu den Auswirkungen der Smartphone-Nutzung.

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Demnach scheint jetzt wissenschaftlich bewiesen, was mancher schon vermutete: Smartphone-Nutzung macht denkfaul. Wer häufig googelt, riskiert seine Intelligenz. Google statt Grips. Smartphone – oder eher Dummphone? Handy entmündigt. All das, so versicherten Medien – wie beispielsweise das Internetportal gesundheitsstadt-berlin.de am 10. März 2015 – hätten Forscher der Universität im kanadischen Waterloo herausgefunden. Sinkt der Intelligenzquotient also mit jeder Google-Suche? So gerne manche glauben möchten, dass das Smartphone denkfaul macht oder gar in die digitale Demenz treibt – die kanadische Studie zeigt das nicht.

Die genauere Betrachtung ergibt: In der Internet-Studie wurden Erwachsene in Kanada befragt, ob sie ein Smartphone besitzen und wenn ja, wie viel Zeit sie damit in Suchmaschinen wie Google, in sozialen Netzwerken wie Facebook und mit Entertainment-Apps wie Videospielen verbringen. Zudem mussten die Teilnehmer logische Denkaufgaben lösen. Das Ergebnis: Im logischen Denken bestand kein Unterschied zwischen jenen, die ein Smartphone besaßen, und jenen, die keines hatten; kein Unterschied zwischen jenen, die mit ihrem Smartphone viel Zeit in sozialen Netzwerken verbrachten, und jenen, die das nicht taten; und auch kein Unterschied zwischen jenen, die viel Zeit mit Entertainment-Apps wie Videospielen verbrachten, und jenen, die das nicht taten. Nur wer mehr Zeit mit Suchmaschinen verbrachte, zeigte niedrigere Leistungen bei den Denkaufgaben.

Macht also der ausgiebige Einsatz von Suchmaschinen denkfaul oder gar weniger intelligent? Nein, hier liegt ein klassischer Denkfehler vor: aus einer Korrelation kann man nicht auf Kausalität (auf die Ursache) schließen – aus dem Umstand, dass die Geburtenrate dort höher ist, wo es mehr Störche gibt, folgt eben nicht, dass die Kinder vom Storch gebracht werden. Ebenso wenig kann man aus dieser Studie schließen, dass der intensive Einsatz von Suchmaschinen auf dem Smartphone die logischen Denkleistungen beeinträchtigt oder dass man logischer denkt, wenn man weniger oft sucht. Vielleicht verläuft die Kausalrichtung genau anders herum: Insbesondere Denkfaule oder Personen mit einer geringeren Allgemeinbildung greifen eher auf Suchmaschinen zurück.

Dass die vermutete ursächliche Beziehung sogar eher unwahrscheinlich ist, ergibt sich aus einem anderen Ergebnis der Studie. Wenn googeln mit dem Smartphone das logische Denken schwächen würde, dann müssten jene Erwachsene, die kein Smartphone besitzen, die besten Leistungen erzielen. Aber diese Gruppe unterscheidet sich überhaupt nicht von den anderen.

Im Gegensatz zur Presse sind die Autoren der Studie vorsichtiger mit kausalen Behauptungen; sie wissen nicht, wie der Zusammenhang zu deuten ist. Die wirkliche Erkenntnis ist vielleicht eine andere: Man braucht kein Smartphone, um denkfaul zu werden – die Verwechslung von Korrelation mit Kausalität in der Berichterstattung ist das beste Beispiel.

Beitrag erschien auch auf: unstatistik.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Johannes Klinkmüller

Entscheidend ist, dass die Qualität von Wissen sich verändert.
Was ich schreibe, will keine falsche Nostalgie fördern, aber die Suche nach Antworten hat in früheren Zeiten zur Folge gehabt, dass ein Buch gelesen oder umfassender nachgeschlagen wurde.
Wissen war breiter angelegt, hatte ein umfassenderes Fundament.

Heute ist Wissen das Häkchenmachen an ein Stichwort, das man gesucht und gefunden und kopiert hat. Damit glaubt man zu wissen und vergisst auch dabei, dass die Antworten im Internet in viel stärkerem Ausmaße, als das früher in Lexika oder Büchern der Fall war, schon in hohem Maße gefiltert sind und, immer mehr dem Zeitgeist entsprechend, auf ein Konzentrat angelegt sind, weil der Verfasser weiß, dass der User, sobald er glaubt, Überflüssiges zu lesen, wegzappt.

Zunehmend fehlen den Kindern und Jugendlichen die Zusammenhänge, die Bereitschaft zu schmökern, sich einzulassen auf den Zugang, den z.B. Bücher anbieten.

Ich habe das Beispiel bereits angeführt: Ein Referat zu halten in der Schule bedeutet heute, dass jemand den tabellarischen Lebenslauf eines Autors aus dem Internet kopiert und einspielt. den liest er dann auch ab, dazu kommen noch ein paar Bildchen aus dem Netz, fertig.
Nachfragen ist zwecklos, denn es kommen nur die Antworten, die sich aus dem Vorgelesenen ergeben.
Vor einigen Jahren - eigentlich muss man fast schon schreiben: Vor vielen Jahren - war es so, dass Schüler ein Buch gelesen hatten und auf Nachfrage erst richtig zu erzählen begannen. Auf einmal kamen die Histörchen aus dem Leben, Details, die sie noch wussten und ins Referat nicht eingebracht hatten. Auf einmal füllte sich das Referat und ein Lebenslauf mit Leben.
Das gibt es heute nicht mehr.
Referate heute zu vergeben ist nur noch sinnvoll, wenn jemand sich wirklich verpflichtet, ein Buch zu lesen, sonst gibt es nur Netz-Konzentrate.
Das gilt selbst für das Abitur. Da werden bei den ausgearbeiteten Präsentationen inhaltliche Übersichten zum Thema aus Wikipedia angeboten. Jeder Prüfungsvorsitzende heute tut gut daran, sich zum Thema den Wikipedia-Artikel anzugucken, damit er checkt, wenn vor allem der angeboten wird.

Mit Wissen hat das nichts mehr zu tun. Klar legen sich da auch die entsprechenden Synapsen, die in unserem Gehirn auf Verbindung ausgelegt sind, lahm.

Mit dem Begriff "Dummheit" oder "Denkfaulheit" ist da wenig erfasst.
Es hat sich schon längst eine neue Wirklichkeit von Wissen entwickelt, die nicht mehr in die Tiefe geht, nicht mehr auf das Erfassen von Zusammenhängen ausgelegt ist.

Mal sehen, wann die Bildungspolitik reagiert.
Kinder und Jugendliche müssen lernen, mit dem Computer umzugehen; zugleich muss man aber wissen, dass damit obige Tendenz weiter verstärkt wird.
Also muss es einen zweiten Weg geben, der dem Wissen wieder Tiefe gibt.

Ich sehe nicht, dass Bildungspolitiker die Gefahr auch nur annähernd erkannt haben.

Gravatar: Freigeist

Manchmal passiert folgendes im Umgang mit Jugendlichen und mir: Es wird über ein Thema diskutiert. Ich stelle fest, es fehlt an Wissen. Dann geht das so:" Nerv mich jetzt nicht mit deinen komischen Vorstellungen, schau jetzt erst mal bei Wikipedia nach und lies es mir vor". Dann kommt das Smartphone zum Einsatz.

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