Globalisierung. Beschlossene Sache

Heute vor 62 Jahren bekräftigte die westliche Welt ihren Willen zum globalen Freihandel. Am 30. Oktober 1947 wird das GATT-Abkommen unterzeichnet.

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Parallel zur politischen Neuordnung der Welt auf den Konferenzen der Alliierten fand noch während des Zweiten Weltkriegs die Weichenstellung für die institutionelle Nachkriegsordnung des globalen Finanz- und Wirtschaftssystems statt, durch die sich die Marktwirtschaft gegen den aufkeimenden Sozialismus bewähren, mit Hilfe derer jedoch auch das weitgehend zerstörte Europa wieder aufgebaut werden sollte. Zugleich wurde damit die Entwicklung hin zur ersten echten Weltwirtschaftsordnung unumkehrbar eingeleitet, einer Ordnung die mit dem Namen des Tagungsorts verbunden ist, an dem im Juli 1944 Vertreter aus 44 Staaten über die ökonomische Nachkriegsverfassung der Erde berieten: Bretton Woods, eine Kleinstadt im US-Bundesstaat New Hampshire.

 

In Bretton Woods ging es darum, der „unsichtbaren Hand“ Adam Smith’ auf globaler Ebene eine „sichtbare Hand“ des Wirtschaftsrechts beizustellen, in Form eines dreifach gestützten Ordnungsgerüsts, in dem Wechselkursstabilität, Entwicklungshilfekredite und Freihandel den harmonischen Dreiklang der Weltwirtschaft bilden sollten. Dies gelang nicht ganz, da zwar mit dem Internationalen Währungsfond und der Weltbankgruppe wichtige Institutionen gegründet wurden, die Ländern in Finanzkrisen Budgethilfen zukommen lassen (IWF) bzw. Entwicklungsprojekte finanzieren (Weltbank). Die Gründung einer Welthandelsorganisation aber scheiterte. Eine solche, nämlich die WTO, konnte erst nach zähen Verhandlungen ein halbes Jahrhundert später, zum 1. Januar 1995, ins Leben gerufen werden.

 

Die zähen Verhandlungen auf dem Weg zur WTO firmierten in der Zeit der bipolaren Weltordnung unter einem Kürzel, das bald zum festen Inventar des Globalisierungsdiskurses wurde: GATT. Das „General Agreement on Tarifs and Trade“ wurde heute vor 62 Jahren, am 30. Oktober 1947, unterzeichnet. Damit begann ein Verhandlungsmarathon über sechs Runden. Ziel: die Liberalisierung des Welthandels. Nach der Eröffnungsrunde in Genf (1947), an deren Ende die Unterzeichnung des Abkommens stand, traf man sich noch im Rahmen der Annecy-Runde (1949), der Torquay-Runde (1951), der Dillon-Runde (1960-61), der Kennedy-Runde (1964-67), der Tokio-Runde (1973-79) und der abschließenden Uruguay-Runde (1986-94).

 

Entscheidend waren die Kennedy-Runde, auf der eine lineare Senkung der Zölle um die Hälfte vereinbar wurde, die Tokio-Runde, auf der eine weitere Zollsenkung um ein Drittel sowie die Beseitigung nicht-tarifärer Handelshemmnisse beschlossen wurde und schließlich die Uruguay-Runde, die neben dem klassischen Agrarthema die Verhandlungsbereiche „Dienstleistungen“ und „geistiges Eigentum“ eröffnete. Sie war mehrfach dem Scheitern nahe, konnte aber dann doch erfolgreich abgeschlossen werden.

 

Neben dem Prinzip der Liberalisierung durch den Abbau von Handelshemmnissen (Zölle, Einfuhrquoten, Subventionen) gibt es drei weitere Säulen, die das GATT/WTO-Gebäude tragen: die Meistbegünstigung, was bedeutet, dass ein Mitglied alle Handelsbegünstigungen, die es einem anderen Mitglied zugesteht, auch allen anderen Mitgliedern zugestehen muss, die Gegenseitigkeit (was einem Mitglied an Handelsbegünstigungen zugestanden wird, soll es in Gegenseitigkeit ebenfalls zugestehen) und schließlich die so genannte Inländerbehandlung: Waren dürfen nicht aufgrund ihrer Herkunft oder der zu ihrer Herstellung benutzten Produktionsweise ungleich behandelt werden. Globalisierung in Rechtsform.

 

Die Verträge zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen (GATS, General Agreement on Trade in Services) bzw. mit geistigen Eigentumsrechten (TRIPS, Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) bilden heute den Kern der WTO-Politik – und sind entsprechend umstritten. An anderer Stelle habe ich mich intensiver damit auseinandergesetzt (Wirtschaftsliberalismus. Grundlagen – Entwicklung – Probleme – Alternativen).

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