Gibt es eine Identitätskrise der Deutschen?

Die Seele ist nicht geheilt. Wiederholt sich die Geschichte?

 

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„Deutschland war, als der 1. Weltkrieg begann, das wirtschaftlich stärkste, am besten verwaltete und schlechtesten regierte Land Europas“, sagte der Journalist und SPD-Politiker Friedrich Stampfer, der es wissen musste. Er hat Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin beim „Vorwärts“ gearbeitet und den Weltkrieg in der österreichischen Armee mitgemacht.

Schaut man sich die Beiträge auf der „Freien Welt“ an, besonders diejenigen, die sich mit der aktuellen Finanz- und Europakrise befassen, dann hat man den Eindruck, als würde sich die Geschichte wiederholen. Deutschland ist wieder das stärkste Land in Europa, das ist wohl Konsens. Die Autoren der Beiträge sehen eine erhebliche Kluft zwischen dem, was in Deutschland funktioniert (Wirtschaft, Verwaltung, Leistung der Bürger) und der Arbeit der politischen Klasse, von der die meisten Autoren den Eindruck haben, dass sie die Krise nicht souverän, schon gar nicht zum Wohle der Bürger meistert.

Friedrich Stampfer ist in seiner Feststellung auf die mentale Verfassung Deutschlands vor dem 1. Weltkrieg nicht eingegangen. Aber auch die mentale Verfassung der Deutschen, die u. a. durch die Erziehung in Familie und Schule geprägt war und ist, hatte für den weiteren Fortgang der Geschichte eine erhebliche Bedeutung. Die Geschichte wiederum wirkte auf die Familien und auf die in ihnen neu heranwachsenden Menschen ein.

In welcher Verfassung die Deutschen heute sind, wird unterschiedlich beurteilt. Wie reagieren sie auf die psychischen Verwüstungen, die erst der Nationalsozialismus und dann die linksalternative Ideologie in ihnen angerichtet haben? Es kann nicht schaden, dem kritisch nachzugehen. Der Verfasser hat dem Magazin CUNCTI aus Anlass der Veröffentlichung seines Buches zu „Deutschen Befindlichkeiten“ ein Interview gegeben, das diese Frage behandelt. Er sieht die Deutschen nach wie vor übertrieben und extrem agieren. Dass er mit seinen Ansichten nicht allein steht, zeigt ein Beitrag in der deutschsprachigen „Budapester Zeitung“, verfasst von der Historikerin und Leiterin des Budapester Museums „Haus des Terrors“, einer Dauerausstellung zum faschistischen und stalinistischen Terror in Ungarn, Mária Schmidt.

Der Essay hat in Onlinekreisen einiges Aufsehen erweckt. Er konstatiert eine „schwerwiegende Identitätskrise“ der Deutschen. Frau Schmidt schreibt: „Deutschland hat zwar seine Wirtschaft in Rekordzeit wieder auf die Beine gestellt, konnte aber die Seelen seiner Bürger noch immer nicht heilen und wieder aufbauen. Welche Folgen hat dies heute in Deutschland und in Europa?“ Man muss die Schlußfolgerungen Frau Schmidts nicht teilen, aber, wie ein Blogger es formulierte, man kann sich dabei fragen, was anderswo über Deutschland gedacht wird.

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