“George”- Der geniale Vater und sein kongenialer Sohn

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Heute Abend gibt es auf Arte einen ganz besonderen Film: „George“, eine Hommage für den Schauspieler Heinrich George, gespielt von seinem Sohn Götz.

Der Film ist mutig, denn er wagt sich auf vermintes Gelände.

Heinrich George starb im sowjetischen „Speziallager Nr. 7“, besser bekannt als Konzentrationslager Sachsenhausen. George war 1945 von einem Schauspielerkollegendenunziert worden, wurde verhaftet und ins NKWD-Lager in Berlin Hohenschönhausen gebracht. Man warf ihm vor, ein Repräsentant des Naziregimes gewesen zu sein.

Der Film stellt sich der schwierigen Frage, wie man sich in einem diktatorischen Regime richtig verhält.

Dabei beschönigen die Filmemacher nichts. Sie weisen schon in den ersten Sätzen der Filmwerbung darauf hin, dass Heinrich George an Nazi- Propagandafilmen mitgewirkt hat. Es wird gezeigt, dass George das Angebot von Goebbels, Intendant des Schillertheaters zu werden, akzeptiert hat. Er saß auch, weil er dorthin beordert wurde, im Sportpalast, als Goebbels den totalen Krieg ausrief.

Das wiegt schwer. Aber ist das wirklich schlimmer, als bei der SS- Panzerdivision „Frundsberg“ wie Günther Grass oder Mitglied der NSDAP ,wie Walter Jens und viele andere bekannte Linksintellektuelle, gewesen zu sein?

Heinrich George war weder in der NSDAP, noch bei der SS. Aber er war sichtbar und hätte sich wohl auch sonst nie damit herausgeredet, er wäre ohne sein Wissen missbraucht worden.

Nein, George war Schauspieler mit Leib und Seele. Er sagt an einer Stelle, er würde sterben, wenn er nicht mehr spielen könnte. Eine Möglichkeit, in einem andern Land zu spielen, sah er nicht.

Deshalb hat er sich arrangiert, aber zu seinen Bedingungen. Er hat als Intendant Schauspieler beschäftigt, die auf der schwarzen Liste der Nazis standen, hat nachweislich mehreren Kollegen geholfen, sogar das Leben gerettet.

Für einen kommunistischen Schauspielerkollegen, den er zuvor vor den Folgen seines Tuns gewarnt hatte, setzt er sich nicht ein. Vermutlich, weil dieser Einsatz ihn selbst und seine Familie gefährdet hätte. Ist das wirklich unverzeihlich?

Der sowjetische Kulturoffizier, der George verhörte, war am Ende nicht von dessen Schuld überzeugt. Dafür bekommt Samuel Finzi, der diesen Offizier mit eindrucksvoller Differenziertheit spielt, in der „Frankfurter Rundschau“ auch prompt sein Fett weg. Denn natürlich hätte die Rezensentin, Frau von Sternburg, an seiner Stelle mit der richtigen antifaschistischen Gesinnung ausgestattet, keine Zweifel zugelassen.

Dies ist nur ein Beispiel von der geradezu totalitären Arroganz, die Kritiker des Films an den Tag legen. Heinrich Georges Verhalten wird überwiegend beurteilt von Leuten, die sich als tapferste Widerständler gegen den Nazistaat gerieren, den sie nur vom Hörensagen kennen.

Zurück zum Film. Er ist besonders stark in den Szenen, in denen Götz George die Rollen seines Vaters nachspielt: den Götz von Berlichingen, den „Faust“ in Hohenschönhausen und den „Postmeister“ im Speziallager.

Von allen Leistungen Heinrich Georges sind die beiden letztgenannten wohl die Bedeutensten. Wie es ihm gelingt, unter widrigsten Bedingungen Theater zu machen und dabei seinen Mithäftlingen Lebensmut zu geben, das allein zeugt ,von der menschlichen Größe Heinrich Georges.

Für den „Postmeister“ hat er im Lager Russisch gelernt, denn er sollte das Stück von Puschkin für das Wachpersonal spielen.

Wenn man Götz George in diesen Szenen sieht, kann man nur bedauern, dass er das Theater so früh aufgegeben hat. Seine schauspielerischen Fähigkeiten stehen denen seines Vaters kaum nach.

Er scheint das selbst zu spüren. Eine der bewegensten Augenblicke ist, als Götz George im Schillertheater steht und darüber spricht, dass er sich wünschte, dieses Theater mal erlebet zu haben, als alle die Schauspielgrößen, die unter seinem Vater als Intendant hier versammelt waren, auf der Bühne standen.

Heute gibt es ein solches Theater nicht mehr. Da hat George leider Recht. Vielleicht hat er deshalb aufgehört, weil die zunehmende Politisierung des Theaters allmählich der Schauspielkunst den Garaus machte. Was nützt das größte Talent, wenn die Bedingungen nicht da sind, unter denen es sich entfalten kann?

Zum Schluss sei noch eine andere Szene erwähnt, die allein es wert macht, den Film anzuschauen. Den Häftlingen in Hohenschönhausen wird ein Film über die Zustände im KZ Sachsenhausen während der Nazizeit gezeigt. Als besonders menschenunwürdig werden die vierstöckigen hölzernen Pritschen bezeichnet, auf denen die Häftlinge dicht gedrängt schlafen mussten.

Als George und seine Mitgefangenen aus Hohenschönhausen dann im Speziallager Nr. 7 ankamen, mussten sie eben diese Pritschen selbst beziehen.

Das ist meines Wissens noch nie so deutlich gezeigt worden. Dafür, dass der Film die historische Wahrheit zurecht rückt, gebührt den Filmemachern, allen voran dem Produzenten Jochen Laube, Dank.

Für solche Produktionen würde ich sogar freiwillig Gebühren bezahlen.

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Alexander Latotzky

Der Film lief gestern auch schon auf Arte, daher konnte ich mir ein eigenes Bild davon machen. Sicherlich hätte man Heinrich Georges Rolle als „nützlicher Idiot“ des NS-Systems sehr viel stärker herausstellen können. Damit stand er aber nicht alleine da. Andere hatten damals nur das Glück in der richtigen Zone zu leben und nicht eingesperrt zu werden. Sie konnten ihre Kariere später auch problemlos fortsetzen. Und das die Kinder Jan und Götz ihren Vater so sehen und nicht so wie mancher Kritiker, ist völlig normal und auch richtig so.
Ich will mich hier nicht an der Diskussion beteiligen, ob er schuldiger war als Günther Grass, Walter Jens oder andere. Nach dem Ende einer Diktatur sind stets fast alle Helden und nur der andere war Täter oder Mitläufer. Für mich waren die letzten ca. 30 Minuten am beeindrucktesten. Da wurde in meinen Augen behutsam und doch extrem eindringlich das Leben und Sterben in den sowjetischen Lagern beschrieben. Der allgegenwärtige Hunger und Tod. Wer weiß schon, das die Häftlinge in den ersten Jahren auf dem nackten Holz geschlafen haben und nur die Kleidung trugen, die sie bei ihrer Festnahme an hatten?
Wie sagte Dr. Günter Morsch, der Leiter der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, bei der Einweihung des Museums zum sowjetischen Lager Sachsenhausen im Dezember 2001: „Mit mindestens 12.000 verhungerten und erfrorenen, an Dystrophie, Ruhr, Tuberkulose oder anderen Krankheiten gestorbenen Menschen erreichte die Todesrate ein ähnliches Ausmaß wie zuvor im nationalsozialistischen Konzentrationslager Sachsenhausen, obwohl die Häftlinge dort nicht nur an den Lagerbedingungen zugrunde gingen, sondern von Gas sowie mit Strick und Kugeln, um ihr Leben gebracht worden waren.“ Ein Faktor, der auch heute noch nicht allzu bekannt ist.
Schade dass das Interview mit einer Frau, die ihr Kind dort zur Welt brachte, wieder rausgeschnitten wurde. Damit findet diese Gruppe, zu der auch ich gehöre, wieder keine Erwähnung.
Heinrich George war übrigens der einzige Häftling, der in Sachsenhausen ein Einzelgrab bekam und nicht in einem der drei Massengräber endete.

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