Genossenschaftsbanken in der Europäischen Bankenunion

Politiker bewerben die als Reaktion auf die Finanzkrise 2007 konzipierte Bankenunion mit der "Rhetorik der Alternativlosikkeit". Tatsächlich bedeutet sie in allen ihren Ebenen eine Kompetenzverlagerung hin zu EU-Institutionen.

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Die Weichen für die Europäische Bankenunion sind gestellt. Was im Sommer 2012 mit der erstmaligen Präsentation der Pläne für eine Bankenunion durch die Kommission der Europäischen Union begann, hat Formen und Inhalte angenommen. Seit Ende 2013 steht ein großer Teil des Rechtsrahmens, wenngleich noch wichtige Details offen sind, die noch vor den EU-Wahlen geklärt sein sollen. Es liegt nahe, nach Hintergründen und Inhalten der Bankenunion zu fragen, die Konsequenzen für die Genossenschaftsbanken – eine dezentral organisierte Gruppe regional tätiger Banken – zu prüfen sowie daraus den aktuellen Status der EU-Integrationsprinzipien abzuleiten.

 

Hintergründe  der Bankenunion

Die Europäische Bankenunion hat ihre Wurzeln in der globalen Finanzmarktkrise 2007 ff in Kombination mit der Verschuldungskrise mehrerer Euro-Staaten. Zielsetzung war nicht nur die Erhöhung der Stabilität des Finanzsystems in einem Umfeld unterschiedlich strenger nationaler Bankenaufsichts- und Regulierungsstandards. Deutlich weitergehender war die Absicht, schädliche Verbindungslinien zwischen der Solvenz von Staaten und Problemen im Bankensystem zu durchtrennen. Solche entstehen durch steigende Risiken in den Bankbilanzen durch erhöhte Ausfallrisiken von Staatsanleihen ebenso wie durch die Too-big-to-fail-Problematik, die staatliche Rettungsmaßnahmen mit den entsprechenden budgetären Konsequenzen nach sich zieht. In der Euro-Währungsunion wurden diese Zusammenhänge aus den bekannten Gründen zu einem schwerwiegenden Problem.

Zur Absicherung der Währungsunion kam nun also die Bankenunion auf den europäischen Verhandlungstisch, deren Aufgabe es sei, den „Teufelskreis“ zu zerschlagen. „Eine Währungsunion braucht eine Bankenunion“ wurde durch konsequente Wiederholung selbsterklärend: „Es wäre eine Fehleinschätzung, zu glauben, eine Währungsunion könne langfristig ohne Bankenunion funktionieren.“ (Yves Mersch, Direktoriumsmitglied der EZB) oder „Ohne Bankenunion können wir das öffentliche Vertrauen nicht zurückgewinnen, Märkte nicht beruhigen und keine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft garantieren.“ (Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments).

Mit der eingeschlagenen Strategie und ihrer Kommunikation wurde und wird nicht nur vernachlässigt, dass es letztlich die Anreizstrukturen in der Währungsunion mit ihren heterogenen Mitgliedern waren, die zu den Problemen geführt haben, sondern auch dass der unmittelbare Korrekturmechanismus in der Einhaltung der finanzpolitischen Regeln der Währungsunion besteht. Deren verloren gegangene Glaubwürdigkeit erfordert freilich eine deutliche Härtung entsprechender Regeln, die heute weit in die Richtung einer bislang nicht akzeptierten Politischen Union gehen würde. Wieder einmal wurde der politische Konsens in der Vorwärts-Strategie einer weiteren Vergemeinschaftung auf EU-Ebene gefunden.

Inhalte der Bankenunion

Denn zweifellos beinhaltet die Bankenunion eine Kompetenzverlagerung zu EU-Institutionen und zwar in allen ihren Elementen. Sie besteht aus vier Säulen, die hier nur ansatzweise dargestellt werden können.

     

  1. Das Single Rule Book enthält einheitliche Aufsichtsanforderungen an Banken (CRR: Capital Requirements Regulation, CRD IV: Capital Requirements Directive), im Wesentlichen die Umsetzung der Eigenkapitalanforderungen von „Basel III“ und ist bereits seit Beginn dieses Jahres in Kraft.
  2. Die Einheitliche Europäische Bankenaufsicht (SSM: Single Supervisory Mechanism) bezieht grundsätzlich alle Banken ein und bedeutet die Vergemeinschaftung der Bankenaufsicht. Die EZB wird Banken direkt beaufsichtigen, die als systemrelevant eingestuft wurden. Dies sind solche, die mehr als 30 Milliarden Euro Bilanzsumme aufweisen, eine Bilanzsumme größer als 20% des BIP besitzen, zu den drei größten Banken eines Landes gehören (130 Banken). Die Aufsicht über die verbleibenden über 6000 Banken wird auch in Zukunft von den nationalen Aufsichtsbehörden ausgeübt, wobei es der EZB obliegt Rahmenvorgaben zu formulieren. Nach Abschluss der Bilanzprüfungen und der Stresstests soll die EZB im November 2014 ihre neuen Aufgaben übernehmen.
  3. Der Einheitliche Abwicklungsmechanismus (SRM: Single Resolution Mechanism) soll eine geordnete Abwicklung oder Sanierung notleidender Banken ermöglichen. Die rechtlichen Grundlagen sind die Krisenmanagementrichtlinie (BRRD: Bank Recovery and Resolution Directive), die am 1. Januar 2015 in Kraft treten soll und die SRM-Verordnung, die vor Mai 2014 verabschiedet und ebenfalls im Januar 2015 in Kraft treten soll. Der SRM wird aus zwei Elementen bestehen: einem Board als zentralem Abwicklungsgremium und einem Abwicklungsfonds (SRF: Single Resolution Fund), der sich aus Bankenabgaben speisen und die Abwicklungskosten für jene Fälle übernehmen wird, für die das vorgesehene Bail-in nicht ausreicht.
  4.  

Der aktuelle Stand ist, dass ab 2015 nationale Abwicklungsfonds aufzubauen sind. Bis 2026 soll aus diesem Netzwerk nationaler Fonds (nationale Kammern) durch eine schrittweise Zusammenlegung ein europäischer Bankenabwicklungsfonds entstehen. Im Januar 2016 soll der Bail-In-Mechanismus in Form einer Haftungskaskade in Kraft treten: Nach einem Bail-in-Beschluss folgt die Investoren- und Sparerhaftung (8% der Bankschulden sind durch Aktionäre, Gläubiger und Sparer über 100 000,- Euro aufzubringen), anschließend wird der SRM-Fonds herangezogen. Sollten seine Mittel nicht ausreichen, sind die Steuerzahler der betroffenen Mitgliedsstaaten am Zug und überstiegen die Anforderungen deren Tragfähigkeit können ESM-Mittel beantragt werden. Bislang ist nicht nur die rechtliche Grundlage in Diskussion, sondern auch, wer letztlich die Entscheidung über die Sanierung oder Abwicklung einer notleidenden Bank trifft (Ministerrat oder Kommission). Letztlich entsteht durch dieses Regulierungsinstrument eine Veränderung der Anreizstruktur für Banken und für Investoren, neue Haftungsrisiken und Transferbeziehungen zwischen den Banken Eurolands und eine Subventionierung risikoaffiner Banken werden geschaffen. Wie stark diese Effekte sein werden, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab.

     

  1. Gemeinsame Standards werden für die Einlagensicherungssysteme gelten (DGS: Deposit Guarantee Schemes). Nachdem die EU-Kommission ursprünglich eine zentrale Einlagensicherung gefordert hatte, kam es im Dezember 2013 zu einem Kompromiss über die Inhalte der Einlagensicherungsrichtlinie. Nationale Sicherungssysteme sind auf der Grundlage einheitlicher Standards aus- oder aufzubauen und bis 2024 mit Mittel zu füllen.
  2.  

Institutssicherung der Genossenschaftsbanken

Auch für die deutschen Genossenschaftsbanken wird die Europäische Bankenunion neue Rahmenbedingungen mit sich bringen. Daher gilt es einige empirische und organisatorische Fakten in Erinnerung zu rufen. Erstens waren es nicht die Genossenschaftsbanken, die zur Finanzmarktkrise beigetragen hat. Zweitens ist ihr Geschäftsmodell ein regional orientiertes sowie risikoaverses, die einzelnen Institute haben keinen direkten Zugang zum Finanzmarkt und sind nicht systemrelevant (was jedoch für die genossenschaftlichen Zentralbanken gilt). Drittens besteht ein markantes Detail der genossenschaftlichen Risiko-Governance darin, gruppenintern Schieflagen einzelner Banken von vorneherein zu verhindern oder zu lösen, was den organisatorischen Prinzipien von Unternehmensnetzwerken in Kombination mit der genossenschaftlichen Selbsthilfe entspricht. Institutionalisiert ist dies durch die Sicherungseinrichtung des BVR, eine durch die Genossenschaftsbanken und Verbundunternehmen mit risikoabhängigen Beiträgen finanzierte Institutssicherung, die seit 1934 nicht nur eine Sicherung der Einlagen und Inhaberschuldverschreibungen ihrer Kunden ohne Obergrenze bedeutete, sondern auch sicherstellen konnte, dass keine Bank je insolvent wurde. Diese genossenschaftliche Institutssicherung hat also einen präventiven Schwerpunkt (vgl. zum Statut der Sicherungseinrichtung:www.bvr.de/p.nsf/D12E0EC06274EAABC1256F7A00358C38/$FILE/Statut-dt-RZ_130112_DS.pdf).

Die Beibehaltung dieses erfolgreichen Modells in der Europäischen Bankenunion war alles andere als selbstverständlich und ist durch konsequente Informations- und Interventionsaktivitäten auf der Ebene der nationalen und europäischen Politikebene weitgehend gelungen. Dennoch birgt die Europäische Bankenunion nach wie vor Gefahren für das Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken, die einer Regulierung entstammen, deren Entwicklung nicht primär die Genossenschaftsbanken im Auge hatte.

Geschäftsmodell verstanden

Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die Institutssicherung der deutschen Genossenschaftsbanken auf der Prävention beruht. Sie ist nach harten Verhandlungen nun eine anerkannte Form der Einlagensicherung, muss jedoch nach den neuen europäischen Regeln „umgebaut“ werden. Letztere beinhalten zusätzliche Auflagen für die Mitglieder der Sicherungseinrichtungen (Zusagen aus dem Garantieverbund) und für diese selbst (Stresstest zwecks Prüfung der Leistungsfähigkeit, Einhaltung von EBA-Guidelines, keine Unterschreitung von 25% der DGS-Fondsmittel). Ihre Anerkennung bedeutet jedoch, dass die Besonderheiten des genossenschaftlichen Geschäftsmodells verstanden wurden, was auf der EU-Ebene in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Die Akzeptanz der Sicherungseinrichtung ist zusätzlich damit verbunden, dass in der 1. Säule der Bankenunion (Kapitalanforderungen) für genossenschaftliche Verbundbeteiligungen eine Nullgewichtung (Forderungen innerhalb der genossenschaftlichen Gruppe) bzw. deren Nichtabzug (Beteiligung einer Genossenschaftsbank an anderen Mitgliedern der Sicherungseinrichtung) akzeptiert wurde, also eine riskoadäquate Anerkennung genossenschaftstypischer Kapitalverflechtungen.

Prävention statt Abwicklung

Obwohl die Einlagensicherung und die Bankenabwicklung zwei getrennte Regulierungskreise darstellen, existieren gerade für Genossenschaftsbanken faktische Interdependenzen. Weder die Bankenabwicklung selbst noch ihre Mechanismen entsprechen dem Prinzip „Prävention statt Abwicklung“. Nach aktuellem Verhandlungsstand, sind alle Banken in die Abwicklungsmechanismen einzubeziehen sowie zur Befüllung des Abwicklungsfonds heranzuziehen. Bevor Maßnahmen der Abwicklung nach europäischen Regeln geprüft werden, muss zwar sichergestellt sein, dass nationale Maßnahmen ergebnislos verlaufen sind. Nationale Behörden haben dabei auch die Rechtsform und die Mitgliedschaft in einem Institutssicherungssystem zu prüfen sowie das Proportionalitätsprinzip einzuhalten. Zusätzlich sind zur Bemessung der Beiträge für den Abwicklungsfonds Kriterien zu berücksichtige, die auch die Mitgliedschaft in einer Institutssicherungseinrichtung beinhalten. Dennoch bleibt die Tatsache, dass die bail-in-Mechanismen letztlich für börsennotierte Großbanken konstruiert wurden, jedoch auch auf kleine und mittlere Banken mit abweichendem Risikoprofil und präventiver Eigeninitiative angewendet werden. Auch sie müssen bail-in-fähige Anleihen vorhalten, deren Höhe die Abwicklungsbehörde festlegt, um eine Beteiligung der Gläubiger sicherzustellen. In Eigenkapital umwandelbare Passiva müssen jedoch höher verzinst werden, was dazu führen kann, dass gerade in einem Niedrigzinsumfeld die Ertragslage der Genossenschaftsbanken unverhältnismäßig beeinträchtigt wird. Dies alles gilt vor dem Hintergrund, dass die Inanspruchnahme von SRM-Mittel durch Genossenschaftsbanken sehr unwahrscheinlich ist.

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