Geldpolitische Wende in den USA wird unterschätzt

Geldpolitik und Wirtschaftszyklus - Was Spekulationsblasen platzen lässt - Ermüdungserscheinungen des IPO-Booms

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Liebe Leser,

die von der Österreichischen Schule der Ökonomie aufgestellte Theorie des Wirtschaftszyklus hat auf überzeugende Weise die Geldpolitik als die entscheidende Ursache der heftigen Konjunkturschwankungen ausgemacht, die als Wirtschaftszyklus bezeichnet werden.

Außerdem kommt diese Theorie zu dem hier und heute überauswichtigen Ergebnis, dass ein auf dem Einsatz der Gelddruckmaschine beruhender Aufschwung nur mit Hilfe einer immer höheren Dosis neu gedruckten Geldes am Laufen gehalten werden kann.

Dieser Zusammenhang erklärt, warum die Zentralbanken in den vergangenen Jahren immer neue „unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen“ beschlossen haben. Allerdings gibt es auch für diese Politik Grenzen. Sie kann nicht endlos betrieben werden, da sie früher oder später zum Zusammenbruch des Währungssystems führt.

Lehren aus dem Niedergang des Römischen Reiches

Diese extrem wichtige geldpolitische Erkenntnis scheint auch bei den modernen Zentralbankbürokraten noch nicht ganz in Vergessenheit geraten zu sein. Jedenfalls

nehmen die kritischen Stimmen innerhalb der US-Notenbank zu, die vor den negativen Folgen der unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen warnen.

Völlig zu Recht weisen sie darauf hin, dass diese am Höhepunkt der Krise der Jahre 2008/09 von allen Beteiligten als vorübergehende Notfallmaßnahmen angesehen wurden und nicht zu einer Dauereinrichtung werden dürften. Vielleicht haben die Akteure ja das 1929 erschienene und auch heute noch sehr lehrreiche Buch „Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich“ von Michael Rostovtzeff gelesen. Zusammenfassend heißt es dort über die

Gründe für den Niedergang des Römischen Reiches:

„Als die Abnormität der Lage aufhörte, die Ausnahme zu sein, und zur Regel wurde, da ließ man die Maßnahmen, die als vorübergehende Notverordnungen gegolten hatten, sich zum ordnungsmäßigen Verwaltungssystem, zur Grundlage des gesamten Regierungsapparates entwickeln.“

Diesem Beispiel des Römischen Reiches scheinen zumindest nicht alle Geldpolitiker der USA folgen zu wollen. Wie ernst sie es damit tatsächlich meinen, wird sich allerdings erst im Lauf der nächsten Rezession und Finanzkrise herausstellen. Doch das ist Zukunftsmusik.

Folgen der geldpolitischen Wende in den USA

Für den Moment genügt es zu wissen, dass Ende vorigen Jahres in den USA eine geldpolitische Wende vollzogen wurde. Seither wurde in drei Schritten der Umfang der durch die US-Zentralbank vorgenommenen Anleihenkäufe in Höhe von 85 Mrd. Dollar pro Monat auf 55 Mrd. Dollar reduziert. Außerdem wurden weitere Schritte dieser Größenordnung in Aussicht gestellt – bis hin zum Ende dieser als Quantitative Easing (QE) bezeichneten unkonventionellen geldpolitischen Kampagne im Herbst dieses Jahres.

Vor dem Hintergrund der eingangs beschriebenen Erkenntnisse der Österreichischen Schule der Ökonomie wird diese geldpolitische Wende letztlich ausreichen, um das Ende des durch die Gelddruckmaschine künstlich erzeugten Aufschwungs der vergangenen Jahre einzuleiten. Trotz oder – wie die Kritiker unserer Meinung nach völlig zu Recht sagen würden – wegen der massiven geldpolitischen Eingriffe der vergangenen Jahre ist die wirtschaftliche Erholung, die im Frühjahr 2009 begonnen hat, die mit Abstand schwächste der vergangenen 120 Jahre.

Wichtige makroökonomische Kennzahlen wie die reale US-Endnachfrage befanden sich in den vergangenen fünf Jahren sogar meistens auf einem Niveau, das historisch gesehen den Grenzbereich zwischen Rezession und Aufschwung darstellt. Es muss also nicht viel passieren, damit die US-Wirtschaft und mit ihr wie üblich auch die Weltwirtschaft eine Rezession beginnt.

Interessanterweise wurden trotz des überall verbreiteten Optimismus die Prognosen des US-BIP-Wachstums für das erste Quartal dieses Jahres bereits deutlich gesenkt. Die stets bullishen Volkswirte von Goldman Sachs hatten noch Anfang des Jahres ein Wirtschaftswachstum von 3% prognostiziert. Inzwischen wurde diese Prognose auf 1,0% gedrittelt.

Geldpolitik ist die Ursache von Spekulationsblasen

In unserem 2003 erschienenen Buch „Das Greenspan Dossier“ haben wir die Rolle der Geldpolitik für die Entstehung von Spekulationsblasen deutlich herausgearbeitet: Die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entstehung von Spekulationsblasen

sind Geld- und Kreditmengenwachstum. Ohne diese Grundvoraussetzung kann es keine Blasen geben. Aber es bedarf noch zusätzlicher Ingredienzien, damit sich tatsächlich

eine Spekulationsblase entwickelt. Vor allem bedarf es einer massenpsychologischen

Verblendung, die dazu führt, dass Anleger bereit sind, absurd hohe Preise für die Spekulationsobjekte ihrer Begierde zu zahlen.

Die beiden wichtigsten Botschaften unseres 2009 veröffentlichten Werks „Die Inflationsfalle“ lauteten:

1. Die große Krise von 2007 bis ? ist kein Marktversagen. Sie ist das Ergebnis monumentaler (geld-)politischer Fehler.

2. Inflationen – dazu gehören auch Spekulationsblasen – fallen nicht vom Himmel. Sie werden von (Geld-)Politikern gemacht.

In den vergangenen Monaten haben wir ausführlich dargelegt, dass sich die Welt schon wieder im Griff einer gewaltigen Spekulationsblase befindet. Darauf wollen wir heute nicht noch einmal eingehen. Stattdessen widmen wir uns der Frage, was Spekulationsblasen zum Platzen bringt.

Warum alle Spekulationsblasen früher oder später platzen

Die Finanzgeschichte und die Theorie lassen keine Zweifel daran, dass alle Spekulationsblasen früher oder später platzen. Das wird auch dieses Mal nicht anders sein. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die aktuelle Blase schon viel länger zusammenhält als unsere Indikatoren nahegelegt haben. Wann also wird sie platzen?

Ein Blick in die Finanzmarktgeschichte gibt zwei prinzipielle Antworten auf diese Frage:

Erstens können Spekulationsblasen ohne erkennbaren äußeren Anlass platzen. Sie kollabieren gewissermaßen unter ihrem eigenen Gewicht, wenn ihre Zeit gekommen ist. Wie bereits in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ hervorragend beschrieben wird, kann eine massenpsychologische Verblendung aus völlig nichtigem Anlass schlagartig zu Ende gehen und der wiederkehrenden Vernunft weichen.

In diesem Fall findet die entscheidende Veränderung also „nur“ in den oben als „zusätzliche Ingredienzien“ bezeichneten Nebenbedingungen statt und nicht an der eigentlichen Wurzel des Übels.

Zweitens müssen Spekulationsblasen natürlich platzen, wenn sich die oben als notwendige Bedingung ausgemachten geldpolitischen Rahmenbedingungen ändern, das heißt konkret, wenn das Geld- und Kreditmengenwachstum nachlässt. Genau an diesem Punkt sind wir im laufenden Zyklus nunmehr angekommen.

Folglich gehen wir davon aus, dass der Countdown für das Ende dieser Spekulationsblase mit der Wende der US-Geldpolitik begonnen hat.

Das Platzen der Aktienblase steht bevor

Die Grafik auf Seite 3 zeigt Ihnen die jährliche prozentuale Veränderung der Bilanzsumme der US-Zentralbank.

Fed-Bilanzsumme, jährliche Veränderung in %, 2008 bis 2014

FRED

In den USA hat Ende 2013 eine geldpolitische Wende stattgefunden. Quelle: St. Louis Fed

In dieser Darstellung kommt die geldpolitische Wende, die Ende vorigen Jahres eingeleitet wurde, besonders klar zum Ausdruck. Hier erkennen Sie auch die letztlich ganz schnell wieder rückgängig gemachte geldpolitische Wende des Jahres 2011. Damals reagierte die Börse umgehend mit deutlichen Kursverlusten auf das Ende von Quantitative

Easing 2. Der S&P 500 fiel damals innerhalb von fünf Monaten um 21,5%. Im DAX fielen die Verluste mit 34,6% wie üblich etwas größer aus.

Wir sind damals davon ausgegangen, dass damit das Ende der künstlichen Wirtschaftserholung und der ebenso künstlichen Aktienhausse gekommen war. Folglich rechneten wir mit dem Beginn des nächsten Akts der großen Wirtschafts- und Finanzkrise,

die im Jahr 2000 mit dem Platzen der Aktienblase begonnen hat und 2007mit dem Platzen der Immobilienblase fortgesetzt wurde.

An dieser Stelle haben wir uns getäuscht. Wir konnten uns einfach nicht vorstellen, dass es möglich sein könnte, einer bereits angestochenen Blase mit Hilfe geldpolitischer Eingriffe neues Leben einzuhauchen. Genau das ist dem damaligen Fed-Präsidenten Ben

Bernanke aber gelungen. Die verheerenden Folgen dieses überaus zweifelhaften Erfolgs werden in den kommenden Monaten und Jahren sichtbar werden, wenn die durch Bernanke wiederbelebte Blase endgültig geplatzt sein wird.

Eine weitere Wiederbelebung ist kaum möglich

Nun drängt sich an dieser Stelle natürlich die Frage auf, ob das Kunststück der Wiederbelebung einer geplatzten Blase auch jetzt wieder möglich ist. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre können wir diese Frage nicht mehr geradeheraus verneinen. Wir

halten es zwar für möglich, aber nicht für wahrscheinlich, weil die realwirtschaftlichen Fehlentwicklungen und die Exzesse an den Finanzmärkten heute noch wesentlich größer sind als in 2011.

Die aktuelle Lage gleicht in vielerlei Hinsicht sehr viel mehr den Jahren 2000/2001 und 2007 als den Jahren 2010 – dem Jahr des fast vergessenen Flash-Crashs – oder 2011. Und sowohl in 2001 als auch in 2007 reagierten die Zentralbankbürokraten ebenfalls sehr schnell und sehr deutlich auf die beginnenden Rezessionen und die mit ihnen einhergehenden Kursrückgänge an den Aktienmärkten. Im Unterschied zu 2011 war die Dynamik des Bereinigungsprozesses

damals aber nicht mehr aufzuhalten.

Wir halten es für extrem wahrscheinlich, dass dem auch im aktuellen Fall so sein wird. Wir gehen zwar davon aus, dass Fed-Präsidentin Janet Yellen und ihre Kollegen sowohl auf deutliche Kursrückgänge an den Aktienmärkten als auch auf eine beginnende Rezession umgehend mit neuen unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen reagieren werden. Wir glauben allerdings nicht, dass sie den mehr als überfälligen Bereinigungsprozess in dieser fortgeschrittenen Phase des Wirtschaftszyklus noch einmal aufhalten können. Vorigen Monat wiesen wir Sie in der Finanzmarktanalyse auf den Echo-Boom bei US-Neuemissionen hin. Der prozentuale Anteil der Börsengänge von Unternehmen, die Verluste produzieren, hatte in einer rollierenden Sechsmonatsbetrachtung stattliche 74% erreicht. Damit war dieser Indikator der Neuemissions-Euphorie in die Nähe des Rekordhochs aus dem Februar 2000 vorgedrungen, das sich auf 79% belief und mit dem Höhepunkt der damaligen Spekulationsblase zusammenfiel.

US-Neuemissionsirrsinn geht zu Ende

Heute möchten wir Ihnen den Chart dieser Zeitreihe – natürlich in aktualisierter Fassung – noch einmal zeigen. Denn inzwischen ist diese Kennzahl auf 78% gestiegen. Damit liefert sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Vorgängen während der Endphase des größten IPO-Irrsinns, den die Welt jemals gesehen hat.

S&P 500, US-Neuemissionen, 1990 bis 2014

Neuemmissionen

Erste deutliche Anzeichen sprechen für ein Ende des aktuellen US-IPO-Booms.

Quelle: Sentimentrader.com

Wird sich auch dieser Indikator in die immer länger werdende Phalanx der Kennzahlen einreihen, die ihre jeweiligen Rekorde aus den Jahren 2007 beziehungsweise 2000 überbieten?

Im Moment sieht es danach eher nicht aus. Denn der US-Neuemissionsmarkt zeigt plötzlich deutliche Ermüdungserscheinungen. Laut Bloomberg ist es in der Woche vor Ostern nur zwei der insgesamt acht Börsengänge gelungen, den avisierten Aktienkurs am Markt zu erzielen. Im Durchschnitt erhielten sie einen Preis, der immerhin 12% unter dem Mittelwert der jeweils genannten Preisspanne lag. Das deutet darauf hin, dass die aktuelle IPO-Euphorie ihren Zenit überschritten hat.

Auch bei einer weiteren besprochenen wichtigen Kennzahl lohnt sich bereits eine Aktualisierung. Die Summe der US-Wertpapierkredite im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ist im Februar auf 2,73% gestiegen. Der Rekord von 2,78% wurde im März 2000 aufgestellt.

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