Gegen alle Vorbehalte: Das fliegende Auto kommt!

Kaum eine Vision stößt auf so viel Ablehnung, wie die des fliegenden Autos. Leider speist sich die hier vor allem aus Unglaube und Ignoranz.

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Kaum eine Vision stößt auf so viel Ablehnung, wie die des fliegenden Autos. Natürlich gibt es die Diskussionen über die Kernenergie oder auch über die Gentechnik. Nur speist sich in diesen Fällen der Widerspruch aus dem Wissen über die Realisierbarkeit dessen, was man kritisiert. Beim fliegenden Auto dagegen sind es Unglaube und Ignoranz, die zu einer scharfen Opposition führen.

Im Laufe der Jahre habe ich in meinen Vorträgen dem Publikum schon immer viel zugemutet. Vom Weltraumbergbau über sich selbst replizierende Nanomaschinen bis hin zu nuklearen Batterien reichte das Spektrum. Sicher gab es bei jedem Thema Einsprüche und Gegenargumente. Daß es möglich wäre, wurde aber nie in Zweifel gezogen. Fliegende Autos allerdings induzieren noch nicht einmal solche Reaktionen, sondern vor allem Gleichgültigkeit. Nicht nur die Automobil- und Flugzeugbauer unter den Zuhörern betrachten es wie das technische Äquivalent zum physikalischen Perpetuum Mobile. Als eine Art Gedankenexperiment ohne reale Bedeutung, aus dem man nur lernen kann, wo die Grenzen des Machbaren liegen. Ein neues Las Vegas in den Einöden der Mondkrater – warum nicht? Samen, aus denen gleich Tische wachsen, ohne für diese erst Bäume fällen zu müssen? Tolle Vorstellung, sollte man mal drüber nachdenken. Atomgenaue Trenn- und Fügetechnologien und damit der Weg zum perfekten Recycling? Klasse Idee. Fliegende Autos? Unsinn, unmöglich und töricht! Kehren wir lieber noch einmal zu den Nanobots zurück, Herr Heller, wie genau verhindert man eigentlich grauen Schleim?

Was für eine merkwürdige Welt, die Thorium-Flüssigsalzreaktoren vielleicht nicht will, aber zumindest als machbar akzeptiert, während sie sogar das Nachdenken über fliegende Autos ablehnt.

Das Carplane-Team hat mir jedenfalls berichtet, selbst Crowdfunding-Plattformen, die doch eigentlich nach solchen Projekten hecheln sollten, hätten das Vorhaben als zu verrückt angesehen und nicht angenommen. Glücklicherweise ließ man sich dadurch nicht vom Weg abbringen. Und hat daher in der vergangenen Woche, am 15.4.2015, auf der Luftfahrt-Messe Aero in Friedrichshafen der Welt einen Vogel gezeigt.

Einen sehr besonderen. Der Carplane steht kurz vor der Flugerprobung. Nach kaum drei Jahren Entwicklungszeit (gut, das Konzept ist vorher in zwanzig oder mehr Jahren gereift), finanziert aus Bordmitteln und tatsächlich auch mit einer Förderung der öffentlichen Hand.

Das fliegende Auto kommt. Aus Deutschland. Wer hätte das gedacht?

Den internationalen Wettbewerbern, wie dem Transition, dem Aeromobil oder auch dem PAL-V ist man weit voraus, denn eine Zulassung für Straße und Luft ist beim Carplane innerhalb der geltenden Regeln möglich. TÜV und Luftfahrtbundesamt sind schon seit längerem eingebunden, Nummernschild und Flugzeugkennung stehen bereits fest. Der Jungfernflug soll im Sommer stattfinden, am Firmensitz in Braunschweig. Ich plane, mir das anzusehen und dann natürlich auch darüber zu berichten.

Das, was auf der Messe gezeigt wurde, ist eben nicht nur ein Mock-Up. Es ist das echte fahr- und flugfähige Fahrzeug. Eine Menge Neuerungen stecken darin, im Fahrwerk, im Motor, im Getriebe und in der aerodynamischen Konfiguration. An Orten also, an denen der interessierte Laie sie nicht sofort erkennt. Direkt ins Auge aber fällt die Lösung, die die offensichtliche Unvereinbarkeit zwischen Flugzeug und Automobil aufhebt. Wenn das Wesen der Innovation in der kompromißlosen Auflösung technischer Widersprüche besteht, dann stellt der Carplane ein Lehrbuchbeispiel für diesen Ansatz dar.

Autos sind eher schmal, sie müssen in definierte Fahrbahnen passen, in Parklücken und Garagen. Flugzeuge hingegen sind breit, sie benötigen große Flächen, um Auftrieb zu erzeugen. Autos sollen dies wiederum genau nicht, es geht bei hohen Geschwindigkeiten eher um Abtrieb. Bei Flugzeugen liegt der Schwerpunkt hinten, damit sie nicht mit der Nase voraus eine Bruchlandung hinlegen. Bei Autos ist der Schwerpunkt in der Mitte, zwischen den Achsen, sonst bekäme man Probleme in der Kurve.

Diesen differierenden Ansprüchen mit technischen Kompromissen zu begegnen, wurde schon häufig probiert. Aber so erhält man entweder ein schlechtes Flugzeug oder ein schlechtes Auto oder beides. Der Carplane hingegen soll in allen Disziplinen hervorragende Eigenschaften aufweisen. Der Ansatz hierfür ist ein “morphendes”, seine Gestalt veränderndes Fahrzeug. Die Umsetzung ist genial einfach, aber nicht trivial. Man schneidet das Auto in der Mitte auf und erhält auf diese Weise freien Raum zwischen zwei Rümpfen, um die Tragflächen während der Fahrt verstauen zu können. Die dadurch in Kauf zu nehmende räumliche Trennung von Fahrer und Beifahrer mag mancher vielleicht nicht einmal als Nachteil ansehen. Als Auto verfügt der Carplane jedenfalls über eine hervorragende Aerodynamik, die sich sicher auf die noch nicht ermittelten Verbrauchswerte auswirkt. Der Motor mit 150 Pferdestärken erfüllt die Norm Euro V und beschleunigt das Gefährt auf bis zu 176 km/h.

Zum Fliegen schwenken die Flügel aus. Das Leitwerk gleitet nach hinten und verschiebt auf diese Weise den Schwerpunkt. Die Kraft des Motors wird über ein speziell für diesen Zweck entwickeltes Getriebe von der Hinterachse weg auf einen sich automatisch öffnenden Heckpropeller umgelenkt. Und schon kann es losgehen. Weniger als hundert Meter Start- und Landebahn genügen. Ein Video auf derSeite des Herstellers verdeutlicht das Prinzip.

Mit 200 km/h Reisegeschwindigkeit und 800 km Reichweite kann der Carplane mit anderen Kleinflugzeugen durchaus mithalten. Er fällt allerdings nicht mehr in die Ultraleicht-Klasse, man benötigt also einen klassischen Pilotenschein. Über einen solchen verfügt zwar nur ein geringer Teil der Bevölkerung, aber diesen Privatpiloten verspricht das fliegende Auto eine bislang durch kein anderes Produkt realisierte Möglichkeit.

Es gibt Flieger, die ihr Fluggerät tatsächlich für berufliche und private Mobilitätsbedarfe nutzen und vielleicht sogar auf ein solches angewiesen sind. Andere wiederum schrauben sich vielleicht nur zum Spaß in die Luft. Beide Gruppen haben letztendlich dasselbe Problem: Sie hüpfen von einem der etwa 500 Kleinflugplätze in Deutschland zum nächsten, finden dort aber keinen Anschluß. Sicher, mit dem eigenen Flugzeug kommt man in der Regel bis auf wenige Dutzend Kilometer an jedes Ziel heran, aber diese Strecke kann unüberwindbar sein. Denn das typische Flugfeld liegt im ländlichen Nirgendwo und verfügt weder über einen Taxistand, noch über einen Mietwagenservice oder gar über einen Haltepunkt des öffentlichen Nahverkehrs.

Der Carplane offeriert seinen Nutzern eine reibungslose Mobilitätskette von Tür zu Tür, ohne Organisationsaufwand und ohne Fahrzeugwechsel. Auch die Kosten für das Abstellen des eigenen Flugzeugs entfallen. Man fliegt so weit oder so lange, wie es geht. Wenn die Dunkelheit hereinbricht, schlechtes Wetter aufzieht oder man schlicht seinem eigentlichen Ziel so nahe wie möglich gekommen ist, landet man auf einem Flugplatz, verwandelt sein Gefährt in ein Auto und fährt den Rest der Strecke auf der Straße weiter.

Vielleicht sollte man nicht von einem „fliegenden Auto“, sondern besser von einem „fahrenden Flugzeug“ sprechen. Aber das würde weniger Aufmerksamkeit erregen. Echte Innovationen sollten provozieren.

Sicher wird das Gerät einiges kosten – von einer niedrigen sechsstelligen Summe ist die Rede. Sicher ist die Zielgruppe der vermögenden Privatpiloten klein. Auch kann man sich noch sehr viele Dinge vorstellen, die an dem Fahrzeug zu verbessern sind. Aber haben so nicht alle großen Dinge einmal angefangen? Wenn schon das autonome Auto unsere Mobilitätssysteme revolutionieren könnte, was würde erst das autonome Flugauto anrichten?

Beitrag erschien auch auf: science-skeptical.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Realist

In D gibt es ein grosses Problem: der letzte Politiker, der in der Allgemeinen Luftfahrt etwas nützliches gesehen hat, war F.J. Strauss. Die heutigen Politfiguren würden sie am liebsten beerdigen. Nach dem Tod von Strauss begann besonders im Grossraum München die Eiszeit für alle PPL Besitzer, der nicht nur fast alle Flugschulen, sondern auch meine Lizenz zum Opfer fiel. War schade um den Aufwand (ein ganzes Jahr Schulung).

Gravatar: John Brown

Lieber Herr Oberdörffer!

Danke für Ihre guten Wünsche. Tatsächlich haben neben Dornier (mit dem damaligen Mercedes Benz AG zusammen, 1990) viele Großkonzerne versucht, ein fliegendes Auto zu entwickeln. Ihre damaligen "PARAT"-Vehikeln (Personal Air Road Advanced Transport) gehören m.E. zu den besseren Designs für Fahrzeuge dieser Art.

Allerdings, wie mir der Autor des vorliegenden Artikels, Dr. Heller, einmal sagte: "Großkonzerne tun sich schwer, Innovationen zu entwickeln". Manche Konzerne versuchen es mittlerweile mit CIOs (Chief Innovation Officers). Sie scheitern jedoch im Regelfall immer wieder an den Konzernstrukturen und langwierigen Entscheidungswegen. Dabei werden sie von kleinen, wendigen Start-Ups oft überholt (die die Konzerne dann manchmal sogar aufkaufen). Das ist aber keine Innovation.

Dass bisherige Versuche entweder schlechte Autos oder schlechte Flugzeuge wurden, liegt m.E. daran, dass offenbar gedanklich versucht wurde, (vielleicht aus Zeit- oder Budget-Gründen?) entweder ein existierendes Auto zum Fliegen oder ein existierendes Flugzeug zum Fahren zu bringen. Bei Carplane® hingegen, haben wir mit einem leeren Blatt Papier angefangen und darauf notiert, was ein solches Fahrzeug können muss. Erst nach der Auswertung von Tausenden Konfigurationen kamen wir auf eine Auslegung, die den vielfältigen Anforderungen entspricht. Darum hat die Entwicklung bisher 37 Jahre gedauert. In den drei Jahren, die Sie im Rahmen des PARAT-Programms zur Verfügung hatten, wäre es m.E. nicht zu schaffen gewesen. Dass also Ihr Konzern mit einem Budget von damals DM 1,49 Mio. nicht geschafft hat, begründet nicht, warum es unmöglich, unpraktisch oder zu teuer sein soll.

Im Übrigen ist der gedankliche Ansatz, man könne praktisch reisen, indem man ein Privatflugzeug am Flugplatz zurücklässt und mit einem vorbestellten Mietwagen von dort aus weiterreist, zur Lösung des vorliegenden Mobilitätsproblems, ungeeignet. Bei Schlechtwetter landen, durch eine Front auf dem Boden hindurchfahren und auf der anderen Seite wieder starten weiterfliegen, wäre so nicht möglich, selbst wenn es die Möglichkeit gebe, einen Mietwagen an abgelegenen Flugplätzen vorzubestellen (was es aber nicht gibt).

Carplane® ist kurz davor, endlich ein praktisches und zum angedachten Zweck taugliches Fahrzeug zu entwickeln und zuzulassen. Statt anzuzweifeln, ob ein im Supercomputer des DLR entwickelten Hochauftriebsprofils (MH231), welches mit Landeklappen über 2/3 der Abschlusskante ergänzt wird, bei 36 Knoten fliegt, oder ob das Leergewicht des Fahrzeugs unter 500kg liegt, wäre Ihr guter Ruf als Techniker besser bewahrt, wenn Sie die Worte des Dr. Heller beherzigen würden.

Ich würde mich sehr gern mit Ihnen über dieses Thema weitergehend unterhalten. Bitte, kontaktieren Sie mich über die Carplane® Website.

John Brown
Projektleiter
www.carplane.com

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Das ist ja nicht der erste Versuch, ein fliegendes Auto oder ein auf Straßen fahrbares Flugzeug zu schaffen. In meiner Zeit bei Dornier habe auch ich mich mit diesem Thema beschäftigt, mit einigen anderen Mitarbeitern. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß ein solches Vehikel zwar technisch machbar ist, aber es ist am Ende weder ein gutes Flugzeug noch ein gutes Auto, und außerdem sehr teuer. Wenn man schon das Autofahren über weite Strecken vermeiden will und einen Pilotenschein hat, dann ist es sehr viel billiger, ein normales Kleinflugzeug zu kaufen und zu fliegen und am Zielflughafen sich einen Mietwagen oder ein Taxi zu bestellen. Das kann man schon vor dem Flug organisieren, so daß man bei der Ankunft Taxi oder Mietwagen vorfindet. Das hier vorgestellte Carplane hat nur zwei Sitze, die räumlich voneinander getrennt sind, ist also als Auto nur sehr beschränkt brauchbar. Mit seinen zwei Rümpfen hat es einen größeren Luftwiderstand als ein normales Flugzeug mit einem Rumpf, schon allein wegen der größeren Oberfläche. Ob die angegebene Leermasse von nur 498 kg zu erreichen ist, scheint mir sehr zweifelhaft. Die angegebene Überziehgeschwindigkeit von nur 36 Knoten setzt ein sehr wirksames Hochauftriebssystem mit Doppelspaltklappen und ausfahrbaren Vorflügeln voraus. Davon ist aber auf den mir zugänglichen Bildern nichts zu sehen. Und dann, zu welchem Preis will man das Carplane denn anbieten? Es wird deutlich teurer als ein in der Leistung vergleichbares zweisitziges Kleinflugzeug sein, und es wird erst recht viel teurer als ein sogar viersitziges Auto gleicher Motorleistung sein, das dafür wesentlich mehr Gebrauchswert bietet, kleiner ist und bessere Fahrleistungen und Fahreigenschaften hat. Ich wünsche den Entwicklern des Carplane viel Erfolg, aber ich glaube nicht, daß sie ihn haben werden.

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