Gauweiler gescheitert

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„Knapp vorbei ist auch daneben“. Diese Binsenweisheit der Jäger konnte sich am Wochenende der CSU-Bundestagsabgeordnete Gauweiler zueigen machen. Der 62jährige, Kronzeuge der großen Zeit seiner Partei unter seinem Lehrmeister Franz Josef Strauß, unterlag auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg Verkehrsminister Peter Ramsauer im Wettstreit um einen der vier Stellvertreterposten des Parteivorsitzenden Seehofer. Mit 21 Stimmen Abstand blieb er hinter Ramsauer zurück. Dessen vielfache Hinweise darauf, dass er als Verkehrsminister die Wünsche bayrischer Bürgermeister nach alsbaldigem Ausbau von Ortsumgehungen  und anderen Wohltaten um so leichter erfüllen könne, wenn ihn seine Partei mit seiner Wiederwahl in die Parteispitze den Rücken stärke, waren der Delegiertenmehrheit am Schluss doch wichtiger, als der Streit zwischen denen, die einen europäischen Bundesstaat anstreben und jenen, die ihn fürchten; zwischen Befürwortern weiterer Milliardenkredite für Griechenland und andere Südländer  und denen, die sich um das Geld der Steuerzahler und die Geldwertstabilität sorgen.

Dabei hatte der Mann, den seine Gegner in Nürnberg als  „nörgelnden alten Knochen“ abzuqualifizieren versuchten, seine Bewerbung mit größter Umsicht vorgetragen, nämlich nicht als Kritiker des großen Vorsitzenden Seehofer, nicht als einer, der Alternativen vorschlägt oder gar auf Gegenkurs gehen will. Im Gegenteil: Er beendet seine unaufdringlich kurz gehaltene Rede mit Dankesworten für Seehofer. Der hatte in Nürnberg seine harte Ablehnung  der  weiteren Ausweitung des EFSF- Kreditrahmens mit der abermaligen Versicherung bekräftigt: „Bis hier hin und nicht weiter.“
 Dass Gauweiler auf die Entwicklung alternativer konzeptioneller Vorstellungen zur Euro-Politik der Bundesregierung (der die CSU schließlich angehört) verzichtete (und damit einen Teil seiner Anhänger vermutlich enttäuschte) war ein nicht vermeidbarer Tribut, den er der Situation seiner Partei schuldete.
 Zu Zeiten von Strauß hätte sich die CSU in einer Situation wie der heutigen offensiv, ja aggressiv als bessere Alternative dargestellt: Helmut Kohl kann ein Lied  davon singen. Dazu reichen Mut und Vermögen der heutigen CSU-Führung aber nicht. Das zeigte die Rede des Parteivorsitzenden Seehofer gleich am Freitag. Er ging nicht in die Offensive, er ging nicht darauf ein, dass die Hunderte von Milliarden, die seit  mehr als einem Jahr für Griechenland ausgegeben werden, weder das Problem des Landes, noch das des Euro lösen können. Er forderte weder von  der Kanzlerin noch von der EU-Kommission ein schlüssiges Lösungskonzept, sondern er wickelte die Forderungen der CSU, die sich im Wesentlichen darauf beschränken, weitere finanzielle Forderungen an Deutschland abzulehnen, in so unverbindliche Beteuerungen wie den Satz ein. “Im Herzen sind wir doch alle Europäer“. Lösungsvorschläge: Fehlanzeige. Das aber hieß, dass sich die CSU nicht aus der  Defensive heraustraut, obwohl sich die Regierenden ratlos zeigen. Es reichte gerade noch zu Seehofers Aussage: Wenn Griechenland seine Zusagen nicht einhält, gibt es kein weiteres Geld. Das wäre zwar gut für uns, aber keine Lösung des Problems.
  Gauweiler aber nahm Seehofers Entscheidung, in der Defensive zu bleiben, die Möglichkeit, selbst in die Offensive zu gehen. Das aber wäre  zur Begründung seiner Entscheidung, den stellvertretenden Parteivorsitz anzustreben, eigentlich notwendig gewesen. Nun passte er nicht mehr ins Gesamtdispositiv,  denn es hätte sich als Frontalangriff auf den eigenen Vorsitzenden ausgenommen und Gauweiler parteiintern isoliert. So blieb ihm zum Schluß nur die Möglichkeit, sich als  Kandidat mit  ganz niedrigem Profi anzudienen. Er wolle nichts, als die Koalition der CSU mit der Bevölkerung  erreichen und den Bruch zwischen der politischen Klasse und den Bürgern überbrücken helfen. Das ist im Prinzip zwar  ein guter Ansatz, aber zu allgemein, um zu überzeugen, oder gar die Begeisterung zu entfachen, die dem Erfolg den Weg bereitet. So scheiterte Gauweiler letztlich an der Angst seiner Partei vor der politischen Meinungsführerschaft in einer Situation, in der sie verwaist ist.

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