Ganztagseuphorie


Ganztagsschulen scheinen die Insel aller Seeligen, Bildung pur zu sein, glaubt man den Worten von Politikern und den zu diesem Zweck weit geöffneten (Staats-)Portemonnaies.

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Gleichzeitig höre ich auch, Eltern sollten mehr Verantwortung für ihre Kinder übernehmen.

Der Ganztag, in dem die Kinder täglich bis mindestens 15 oder 16 Uhr in der Schule bleiben müssen, ist nicht vereinbar mit dem familiären Lebensstil, in dem die Mutter bewusst nur vormittags Teilzeit arbeitet, um ab dem Mittag (gemeinsames Essen) für ihre Kinder da zu sein.
Durch schulischen Ganztag schwindet die frei verfügbare und gestaltbare Zeit der Kinder und Familien auf wenige Stunden des Tages – man ist vollkommen auf das Angebot der Schulen (und auch die anderen Kinder, die diese besuchen) geworfen.
Qualitätsstandards gibt es noch kaum, jede Schule vor Ort, jeder Schulträger „bastelt“ an seinem eigenen Konzept – dazu bewegt durch die enormen Fördergelder, die allein für den „Ganztag“ ausgelobt sind.

Es gibt auch familiennähere, kürzerzeitige Konzepte, die sich stärker auf die Kernaufgabe der Schulen, die Wissensvermittlung, beschränken. Sie fördern und fordern andererseits die (zu schulende!) elterliche Kernkompetenz zur individuellen Betreuung ihrer Kinder.
Eine Bis-Mittags-Betreuung von Grundschulkindern mit Hausaufgabenbetreuung, Grundlage für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit Halbtagsarbeit vormittags,
wird heute vom Land nicht mehr garantiert (Prinzip der Subsidiarität).
Vor Ort entscheiden die kommunalen Schulträger über die Art des schulischen Angebots.
Weil nun Fördergelder allein zweckgebunden für vollen Ganztag von Ländern und vom Bund (der in Schulangelegenheiten gar keine Befugnis hat!) fließen, werden andere, den Familien- und auch den schulischen Aufgaben nähere Modelle gar nicht mehr erwogen!

Neben dem Halbtag (siehe oben) wäre das eine reine, in der Schule angebotene qualifizierte Hausaufgabenbetreuung, die Nutzung des Ganztags nur an 2 oder 3 Nachmittagen pro Woche, näher am Bedarf der Familien (die heutigen Zuschüsse fließen nur bei täglichem Besuch) und vor allem Freizeit- und Betreuungsangebote anderer Einrichtungen außerhalb der Schule, über deren Nutzung Kinder und Familien selbstbestimmt entscheiden können. Schule jedoch ist Pflicht (innerhalb der dortigen „Zweck- und Zwangsgemeinschaft“).
Jeglicher gesunde Wettbewerb, eine denkbare Vielfalt, wird gerade beseitigt!

Schule ist für Kinder und Eltern nicht selten die Ursache größten Leidens.
Durch die neue Gesetzgebung hat Schule ein Betreuungsmonopol für Kinder.
Alternative, freiere Einrichtungen (Horte, Kirchengemeinden,...) bekommen seit dem neuen NRW-Schulgesetz von 2007 keine Zuschüsse mehr.
In der Organisation verlegt sich die Schule von der qualitativ hochwertigen Wissensvermittlung hin zur (Frei-)Zeitgestaltung für die Kinder.

Was die Familien differenziert wollen und brauchen, geht in dem Run auf die Finanztöpfe von Bund und Land vollkommen unter.

Almut Rosebrock (Copyright), Aktionsbündnis „Gerne leben mit Kindern“  -  www.glmk.de

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