Ganz großes Kino: Bridge of Spies

Der Film ist Spannung pur bis zum Schluss und sollte auch bei uns möglichst viele Zuschauer finden. Selten wurde Geschichte so anschaulich vermittelt.

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Am gestrigen Sonntag gab es im vornehmsten Kino Berlins, der  Astor Film- Lounge, eine ganz besondere Preview, zu der die Stiftung Aufarbeitung des SED- Unrechts eingeladen hatte. Auf dem Programm stand der Spielberg- Film „Bridge of Spies“, der in den USA bereits ein Kassenschlager ist und hier unbedingt einer werden sollte.

Die Aufführung fand vor einem besonderen Publikum statt: Personen der Zeitgeschichte, Historiker, ehemalige politische Gefangene der DDR , Museumsdirektoren, also Fachleute. Der zweite Teil des Films wurde in Berlin gedreht, vor allem im ehemaligen Stasiknast Hohenschönhausen und auf der Glienicker Brücke. Die erzählte Geschichte ist eine wahre Begebenheit: der erste Gefangenenaustausch zwischen Sowjets und Amerikanern 1962 auf der Brücke zwischen Potsdam und Berlin. Ausgetauscht wurden der Top- Spion der Sowjets mit  Zugang zum Weißen Haus, Rudolf Iwanowitsch Abel, gegen den Spionagepiloten Gary Powers.

Die spannende Frage war, ob es Spielberg wieder gelingen wird, einen so komplexen, historischen Zusammenhang adäquat zu erfassen. Ja! Und wie! Der Film ist von bewundernswerter Authentizität. Er ist ein historisches Lehrstück, das an allen Schulen gezeigt werden sollte. Das betrifft nicht nur die Bilder aus Berlin zu Zeiten des Mauerbaus. Eine triste Stadt, aus der die Ruinen noch längst nicht verschwunden sind und in deren östlicher Hälfte längst wieder Staatsterror herrscht. Es war außerordentlich beklemmend,  die ostdeutschen Polizisten, deren Uniformen denen der Reichswehr zum Verwechseln ähnlich sahen, in Aktion zu sehen. Spielberg war um Genauigkeit, selbst im Detail, bemüht. So ist das Visum, das man brauchte, um von Westberlin in die Hauptstadt der DDR zu gelangen, einem echten nachgebildet.

Auch die Fluchtszenen auf dem Todesstreifen sind nach Schilderungen einer realen Flucht gedreht worden.

Aber vor allem die Bilder aus dem Stasigefängnis Hohenschönhausen, vermitteln eindrücklicher als alle Erzählungen, wie es dort zuging. Während Abel in den USA einen Anwalt gestellt bekam, im Gefängnis seiner Leidenschaft, der Malerei, nachgehen konnte und nie körperlicher Gewalt ausgesetzt war, wurde Powers bei den Sowjets mit Schlafentzug und Wasser gefoltert, um Informationen von ihm zu erpressen.

Selbst in den letzten 24 Stunden, als der Austausch bereits feststand, wurde Powers noch brutal verhört, während Abel höflich zum Flugzeug nach Berlin geleitet wurde und die im Gefängnis entstandenen Gemälde mitnehmen durfte.

Der Film ist aber auch ein Lehrstück über Rechtsstaatlichkeit. Rudolf Abel wurde ein Rechtsanwalt, Donovan, die Hauptfigur des Films, beigestellt. Dieser Donovan, eigentlich Versicherungsanwalt, übernimmt das Mandat, das vorher offensichtlich von passenderen Anwälten abgelehnt worden war. Er ist erfolgreich, weil er etwas tut, was selbstverständlich sein sollte, aber leider nicht ist. Er hält sich strikt an das Gesetz und die Regeln. Er kämpft darum, dass seinem Mandanten die gleichen Rechte zugebilligt werden, wie einem Amerikaner. Er unterliegt, kann im entscheidenden Moment den Richter aber überreden, auf die Todesstrafe zu verzichten.

Sein Kampf für Rechtsstaatlichkeit trägt ihm den Hass eines Teils der amerikanischen Gesellschaft ein, der den sowjetischen Spion hängen sehen möchte. Sein  Haus wird sogar mit Schusswaffen attackiert, als die ganze Familie drin ist. Donovan lässt sich nicht einschüchtern. Als der CIA von ihm verlangt, Informationen, die sein Mandant ihm anvertraut, weiterzugeben, lehnt er ab. Dies ist eine der Schlüsselszenen des Films. Donovan und der CIA- Mann sitzen in einer Bar. Auf das unmoralische Angebot des CIA antwortet der Anwalt: „Ich bin Ire, Sie sind Deutscher. Was uns zu Amerikanern macht, ist das Gesetz und  die Verfassung. Das macht Amerika aus.“ Worte, die im heutigen Deutschland, wo Verfassung und Gesetz nicht im Hinterzimmer, sondern von der Regierung in aller Öffentlichkeit außer Kraft gesetzt werden, besonders gehört werden sollten.

Donovan wird von der Regierung als Privatperson nach Ostberlin geschickt, um den Austausch von Abel gegen Powers zu verhandeln. Dabei begegnet er in Ostberlin auch Rechtsanwalt Vogel, schon am Beginn seiner Karriere ein Handlanger des Regimes für schmutzige Geschäfte. Gespielt wird Vogel von Universaltalent Sebastian Koch. Das ist die einzige Fehlbesetzung des Films, was nicht an Kochs hervorragenden schauspielerischen Qualitäten liegt. Nein, er sieht einfach zu gut aus und bringt eine Eleganz in die Figur, die der oberste Menschenhändler der DDR nie besessen hat. Der Irrtum ist so groß, dass eine Expertin auf dem anschließenden Podium sich dazu hinreißen ließ zu behaupten, Vogel sei „authentisch und verlässlich“ gewesen, obwohl die Figur im Film deutlich anders angelegt war. Als eine, die Vogel in einer existentiellen Situation ihres Lebens life erlebt hat, kann ich sagen, dass er ein eiskalter Apparatschick war, für den Authentizität und Verlässlichkeit Fremdworte waren. Ein emotionsloser Vollstrecker des Machtwillens, in allem das Gegenteil von Donovan.

Der setzt sich aus eigener Überzeugung und gegen den ausdrücklichen Wunsch der amerikanischen Behörden für einen amerikanischen Studenten ein, der willkürlich während des Mauerbaus verhaftet und im Stasi- Gefängnis festgehalten wurde. Er setzt durch, dass mit Powers auch dieser unbekannte Student freigelassen wird. Bis zum Schluss ist es ein Machtpoker, den nur gewinnen konnte, wer die Nerven behielt.

Der Austausch bekam eine zusätzliche Dramatik, weil der Student nicht gemeinsam mit Powers auf der Brücke entlassen werden sollte, sondern  zeitgleich am Checkpoint Charlie.

So stehen sich die beiden Seiten mit Scharfschützen im Rücken auf der Glienicker Brücke gegenüber. Powers ist identifiziert, der Austausch kann beginnen. Aber der Mann am Telefon hat keine Nachricht vom Checkpoint Charly. Die Sowjets drängen, der Austausch müsste jetzt sofort, oder nie stattfinden. Der CIA- Mann gibt den Befehl, nicht auf die Freilassung des Studenten zu warten. Er drängt Abel, loszugehen.

Aber das menschliche Band zwischen Anwalt und Mandant ist inzwischen stärker als alle staatliche Gewalt. Abel antwortet dem CIA- Mann, er könne warten. Als die Sowjets merken, dass die Gegenseite sich nicht beeindrucken lässt, geben sie nach. Der Student wird von Vogel zum Grenzübergang gefahren, der Weg für Abel und Powers ist frei.

Was ihn in der Sowjetunion erwarte, fragt Donovan seinen Mandanten  beim Abschied. Er wisse es nicht, er werde es wissen, wenn sie ihn umarmen, oder auf der Rückbank plazieren, war die stoische Antwort.

Der Film ist Spannung pur bis zum Schluss und sollte auch bei uns möglichst viele Zuschauer finden. Selten wurde Geschichte so anschaulich vermittelt.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Jürg Rückert

... "Schlafentzug und Wasser gefoltert ..."
Das war Sovietunion. Jetzt können die USA das auch und möglicherweise besser:
Da wurde ein US-Geheimnisausplauderer alle 5 Minuten geweckt und gefragt, ob es ihm gut gehe, 24 Stunden am Tag. Und schamlos genug: Die "Folterbehörde" plauderte das ihrerseits aus, um ihre Rache zu genießen und andere einzuschüchtern.
Da gibt es die Ertränkungsfolter und vermutlich vieles mehr.
Abu Ghuraib war kein Unfall, nur dessen bekannt werden!
Die USA verwandeln sich zunehmend in ein "reign of evil".

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