Gabriel und Guttenberg

Selten hat ein Ereignis die Republik so in Erregung versetzt, wie die Aufdeckung der kecken Unsauberkeiten in der Doktorarbeit des aktuellen Verteidigungsministers. Zwischen Flensburg und Oberammergau tobt nun ein Kampf um Deutungshoheit und Konsequenzen, der jede Küchen-schlacht in den Schatten stellt.

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Die Reaktionen schwanken - je nach Parteizugehörigkeit und per-sönlichem Sympathie-Faktor - zwischen offenen Betrugsvorwürfen einerseits und ebenso offener Zustimmung andererseits. Letztere ganz nach dem Motto: Sind wir nicht alle kleine Sünderlein?

 

Der Sünder selbst führt ein Rückzugsgefecht, das bestenfalls noch Ratlosigkeit erzeugt. Insbeson-dere, nachdem er in den wenigen Monaten seines Ministerdaseins durchaus Proben erstaunlicher intellektueller sowie polit-strategischer Fähigkeiten an den Tag legte. Erste Vorwürfe, abge-schrieben zu haben, nannte Karl Theodor zu Guttenberg KTG noch abstrus. Nun will er die Bürger glauben machen, bei den Unkorrektheiten handele es sich um lässliche Fehler. Das ist dreist, nicht nur angesichts der Fülle der ungenannten Zitate. Ein Mann mit einem IQ deutlich über seinem Kopfumfang, setzt in keinem Fall einen FAZ-Artikel an den Anfang seiner Dissertation, um diese dann - guten Gewissens - seinem Doktorvater zu übergeben. Dies gute Gewissen schimmerte in seinen ersten Reaktionen nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe indes noch erkennbar durch. Wer diesen akademischen Zitate-Brei anfertigte, wird schwer zu ergründen sein. Entweder war es ein Ghostwriter, dem KTG bedingungslos vertraute, oder eine Arbeitsgruppe, die ihrem Auftrag-geber die zitierten Quellen verschwieg. Wie sich der ertappte Sünder derzeit fühlt, ist lediglich zu erahnen. Sicher ist nur, dass er beim morgendlichen Rasieren Mühe hat, sich in die Augen zu schauen. Umfragen „im Volk“, die ihn angeblich mehrheitlich stützen, sind derweil geprägt vom Nasenfaktor und weitgehender Unkenntnis der Faktenlage sowie der rechtlichen Hintergründe.

 

Dass er sich überhaupt noch im Amt halten kann, verdankt er seinem Hauptkritiker - SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dessen Angriffe helfen KTG eher als dass sie ihm schaden, da Gabriels eigene Glaubwürdigkeit beschädigter nicht sein könnte. In seiner maßlosen Kritik gleicht er einem Jun-kie, der einem Kollegen Drogenkonsum vorwirft. Das Stehauf-Männchen der SPD hat nicht nur Probleme mit seinen zuweilen merkwürdigen Vergleichen. So verglich er KTG mit Silvio Berlus-coni. Es scheint, als wolle er der Öffentlichkeit zurufen: Schaut her, da treibt es einer noch doller als ich! Doch das ist durchaus fraglich. Er selbst trieb im Frühjahr 2003 ein heimliches, lukratives Doppelspiel in Politik und Wirtschaft. Als Oppositionsführer im Landtag zu Hannover gründete er eine Beratungsfirma - in Halle a.d. Saale. Mit dieser „Briefkastenfirma“, so seine Genossen, beriet er ausgerechnet VW. Dort saß er kurz zuvor noch im Aufsichtsrat. Zu seiner Entschuldigung gab er an: „Ich habe nichts Strafbares begangen. Ich habe eine Firma gegründet, die für VW gearbei-tet hat, das ist was anderes als Kinderpornographie!“ (1) Später belog er Landtagspräsident Gan-säuer und das Landgericht Hamburg. Letzteres sogar mit einer falschen eidesstattlichen Erklärung. Die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig kehrte dies ebenso unter den Teppich, wie seinen Eingriff in Ermittlungen gegen einen Parteifreund wegen Kinderpornographie (siehe „Genosse Gabriel und die Lüge“ sowie „Genosse Gabriel und der Anstand“). Angesichts seines eigenen dehnbaren Charakters klingen daher seine Anwürfe, KTG gegenüber, in Richtung von Kanzlerin Merkel, seltsam hohl: „Spielt der Charakter eines Menschen bei der Berufung in Ihr Kabinett für Sie keine Rolle mehr – keine Rolle? Ich sage Ihnen, es ist eine Zumutung für jeden Abgeordneten hier im Saal, dass wir hier von einem Regierungsmittglied für dumm verkauft werden sollen.“ (2)

 

Unter dem Strich sind sowohl Gabriel als auch Guttenberg eine Zumutung für alle Bürger in diesem Land. Beide haben Taten zu verantworten, die für jeden Normalbürger in aller Regel nicht ohne schwerste Folgen geblieben wären. Es kann und darf jedoch nicht sein, dass für die Herren Gabriel, Guttenberg und Co. andere Gesetze gelten als für Otto Normalverbraucher. 

 

Peine, den 28. Februar 2011                                                     gez.: Prof. Dr. Hans-Joachim Selenz

 

(1) SPD-MdL Sigmar Gabriel SPD-Unterbezirksparteitag Adenbüttel - Februar 2005

(2) SPD-MdB Sigmar Gabriel in der Guttenberg-Bundestagsdebatte - Februar 2011

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Susanne

Falsche eidesstattliche Versicherungen abzugeben, können sich nur prominente Politiker leisten, wenn sie die Rückendeckung ihrer Parteien bekommen. Ist das nicht auch ein Fazit, das auf den Fällen Gabriel und Guttenberg gezogen werden kann?

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