Für ein Europa freier Bürger, gegen Lissabon

Am 30.06.2009 hat das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über eine Reihe von Klagen gegen den Lissabon-Vertrag verkündet.

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In seinem Urteil beurteilt das Bundesverfassungsgericht den Lissabon-Vertrag als grundsätzlich vereinbar mit dem Grundgesetz, jedoch nur wenn zuvor die Mitwirkungsrechte des Bundestages und des Bundesrates im EU-Gesetzgebungsverfahren gestärkt werden. Letzteres soll in einem deutschen Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag neu geregelt werden.
Wir haben den Lissabon-Vertrag gelesen und kommen nach der Lektüre zu einem eindeutigen Urteil: Wir lehnen den Vertrag ab und hoffen, dass er nie verabschiedet wird.
In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, dass wir das Projekt des gemeinsamen Europas für extrem wichtig halten. Europa sichert den Frieden zwischen seinen Völkern, der gemeinsame Binnenmarkt fördert den Warenaustausch und schafft damit eine Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum und Wohlstand, und der freie Personenverkehr innerhalb Europas bringt seinen Bürgern einen konkreten Zugewinn an Freiheit. Wir kommen jedoch zu dem Schluss, dass das Projekt Europa bedroht ist.
Wir sind nicht dagegen, dass sondern wie unsere Politiker und Regierungen das gemeinsame Europa gestalten.
Im Einzelnen möchten wir nun auf folgende, aus unserer Sicht problematische Punkte des Vertrages hinweisen:

1. In der Präambel ist der Gottesbezug gestrichen und durch eine allgemeine Formulierung ersetzt worden, die lediglich darauf hinweist, dass sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit, aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas schöpfend, als universelle Werte entwickelt hätten. Nun, abgesehen davon, dass Demokratie eine Regierungsform und kein universeller Wert ist, hat der fehlende Gottesbezug durchaus praktische Konsequenzen, denn es gibt eine inherente Verbindung zwischen der Anerkennung Gottes als über der Welt stehend und dem Gewissen, weil im christlich-jüdischen Verständnis das Gewissen sozusagen der Ort ist, wo der einzelne Mensch die Stimme Gottes hören kann. Dieses anerkennend haben Regierungen unseres Kulturkreises immer wieder persönliche Gewissensentscheidungen respektiert. Beispielhaft sei hier das Recht auf Wehrdienstverweigerung angeführt, das atheistische oder nicht-christliche Staaten nicht kennen. Auch ist auf den – noch allgemein anerkannten - Grundsatz zu verweisen, dass die Menschenrechte, die sich ja direkt von der christlich-jüdischen Vorstellung ableiten, dass jeder Mensch als Kind und Abbild Gottes über eine angeborene Würde und deshalb über unveräußerliche Rechte verfügt, im Konfliktfall staatliches Recht brechen. Der Gottesbezug begrenzt also die Rechte der Regierung und stärkt die Rechte des Einzelnen. Oder anders ausgedrückt: Durch die Nichtaufnahme des Gottesbezuges in die Präambel des Lissabon-Vertrages entsteht die Gefahr, dass die EU-Regierungen in Zukunft persönliche Gewissensentscheidungen nicht mehr respektieren. Dies kann auch heute Konsequenzen haben. Ein Beispiel: Heute wird ein Arzt, der aus Gewissensgründen die Durchführung von Spätabtreibungen verweigert, nicht bestraft. Dies wird in Zukunft möglicherweise nicht mehr der Fall sein. Es gibt jedenfalls Stimmen, die dies fordern.

2. In Artikel 2 des Vertrages werden die Ziele der EU beschrieben: Danach fördert die EU Frieden und Wohlergehen der Völker, errichtet und gewährleistet den gemeinsamen Binnenmarkt, fördert den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung, fördert die soziale Gerechtigkeit und den sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Solidarität zwischen den Generationen und den Schutz des Kindes. Wir sind der Meinung, dass diese Liste viel zu umfangreich ist und zu viele Eingriffe des Staates in die Privatsphäre der Bürger ermöglicht. So bedroht z.B. das Ziel der Bekämpfung der sozialen Gerechtigkeit und der Diskriminierung den Rechtsstatus des Privateigentums. Privates Eigentum ist ja per definitionem sozial ungerecht und diskriminiert, denn es ja gerade deshalb privat, weil es allen anderen, eben den Menschen, die kein Eigentum an diesem Gut haben, den Zugriff auf dieses Gut zunächst einmal verwehrt. Ebenso sehen wir die Ziele der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau und der Rechte des Kindes kritisch, können sie doch benutzt werden, um die EU-Bürger im Sinne der Gender Mainstreaming-Ideologie umzuerziehen und die autonomen Rechte der Familie und der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder einzuschränken.

3. In Artikel 3 des Lissabon-Vertrages taucht das erste Mal der Begriff der Subsidiarität auf. Dort wird ausgeführt, dass für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union die Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit gelten sollen. Subsidiarität ist ein Begriff aus der katholischen Soziallehre. Er sagt aus, dass die kleinere Einheit Vorrang vor der größeren Einheit hat. So hat z.B. die Familie Vorrang vor dem Staat und die Gemeinde vor dem Bundesland. Die größere Einheit hat nun die kleinere Einheit zu unterstützen, wenn diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben Hilfe (= lat. Subsidium) benötigt. Man könnte Subsidiarität auch mit „Hilfe zur Selbsthilfe“ übersetzen. Die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips wird dann im Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit geregelt. Dieses Protokoll ist Teil des Lissabonvertrages. Liest man nun insbesondere die Artikel 2, 5, 6, 7 und 8 dieses Protokolls, kommen jedenfalls wir zur Schlussfolgerung, dass das Subsidiaritätsprinzip faktisch ausgehebelt wird, denn es ist letztlich die Union, die Ziele und Kriterien für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips festlegt. Die Rechte der Staaten verkümmern dagegen zu einem Recht auf Stellungnahmen, das die Gesetzgebungsmaschine der EU, wie wir meinen, nicht stoppen sondern nur verzögern kann. An diesem Punkt setzt übrigens die Kritik des Bundesverfassungsgerichtes an. Ob die vom Bundesverfassungsgericht nun geforderte Nachbesserung des deutschen Begleitgesetzes dieses Manko des Lissabonvertrages heilen kann, halten wir mindestens für zweifelhaft. Was gerade mit Blick auf den umfassenden Zielkatalog der EU notwendig wäre, wäre aus unserer Sicht ein Negativkatalog, der die Bereiche definiert, in die sich die EU nicht einzumischen hat und die von den lokalen Einheiten, seien es Gemeinden, Bundesländer oder EU-Mitgliedstaaten, zu regeln sind.

Unser Fazit lautet daher: Für ein Europa freier Bürger, gegen den Lissabon-Vertrag!

In Folgendem finden Sie einen Link zu eine Website der EU, von wo Sie den Lissabon-Vertrag in verschiedenen Sprachen herunterladen können.
EU-Bookshop. Amtsblatt der Europäischen Union.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Jürgen

@Richard Floto

Werden zweifache Begründungen für EU-Gesetze die Einhaltung die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips sicherstellen?

Ich würde es bezweifeln, denn erstens ist es immer noch die EU, die die Kriterien und Ziele des Subsidiarität festlegt, die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten bewertet und vor der EU-Behörde "Europäischer Gerichtshof" über diese entscheidet. (Übrigens hat sich der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit erfolgreich einen schlechten Ruf erarbeitet - so schlecht, dass z.B. der ehemalige Bundespräsident und Bundesverfassungsrichter Herzog sich veranlasst sah, den EUGH öffentlich und ziemlich deutlich zu kritisieren.)

Zweitens kann die EU über die Anti-Diskriminierungsregeln in nahezu alle Bereiche des Lebens der EU-Länder eingreifen, denn bei nahezu jeder Entscheidung zwischen Bürgern aber auch zwischen Bürgern und Behörden, könnte ja ein Alter, ein Junger, ein Ausländer, eine Frau, der Osterhase oder wer auch immer diskriminiert worden sein.

Was aus meiner Sicht also dringend erforderlich ist, ist eine Liste, die klarmacht, wo die EU sich nie und nimmer einmischen darf.

Dazu müssten ein paar grundlegende Dinge diskutiert werden, wie z.B.:

Wollen wir akzeptieren, dass die EU bestimmt, welche und wie viel Steuern wir in Zukunft mindestens bezahlen sollen - gerade als Deutsche, die wir überproportional in den EU-Topf einzahlen?

Wollen wir akzeptieren, dass die EU über die Antidiskriminierungsregeln immer mehr Gender Mainstreaming-Ideologie im täglichen Leben durchsetzt (z.B. bei Einstellungen und Beförderungen, bei Mietverträgen und im Schulsystem)?

Wollen wir akzeptieren, dass die EU immer stärker bestimmt, wie in Deutschland Forschungsförderung betrieben wird (Forschungsmittel erhält nur, wer andere EU-Länder in Kooperationen einbindet, egal wie inkompetent diese sind).

Wollen wir akzeptieren, dass die Verwaltungsapparate in Brüssel und Straßburg immer größer und teurer werden und dann auch noch immer mehr kontrollieren?

Wollen wir, die wir als Deut...

Gravatar: gut

das sind wirklich drei neuralgische Punkte. Vielen Dank, dass Sie das einmal so übersichtlich auf den Punkt gebracht haben! HGier müssen inhaltliche Alternativkonzepte ansetzen

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