Für die Enthemmung des Kapitalismus

Schon vor Ausbruch der Finanzkrise tobte in akademischen Kreisen eine gesunde Diskussion rund um die Frage, wie moderne Kapitalgesellschaften am besten zu kontrollieren seien (”Corporate Governance”). Das traditionelle Konzept des “Shareholder Value” wurde vor allem von jenen in Frage gestellt, die auch weitere Anspruchsgruppen (”Stakeholder”); wie Mitarbeiter oder Kunden, an der Unternehmensführung, bzw. -aufsicht, beteiligen wollen.

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Diesem Ansatz des “Stakeholder Management” diametral entgegen steht das Phänomen des “Shareholder Activism“, verkörpert durch Hedge Fonds oder Finanzinvestoren, die sich am Kapitalmarkt die Kontrolle über ein Unternehmen sichern, um gewisse strategische oder operative Veränderungen zu erzwingen. In Deutschland führte diese neue Form der Verantwortungsübernahme durch Investoren bekanntlich zur unsäglichen „Heuschrecken-Debatte“.

Im Zuge der Finanzkrise mussten wir nun eine Reihe von Fällen erleben, in denen die Corporate Governance grosser Kapitalgesellschaften ganz offensichtlich versagte - selbstherrliche Manager setzten sich selbst aberwitzige Arbeitsanreize, und führten Unternehmen losgelöst von der Kontrolle der Eigentümer in den Abgrund. Paradoxerweise reagierte der Staat auf diesen misslichen Umstand in manchen Fällen ausgerechnet durch Enteignungen, also weitere Entmachtungen der Eigentümer.

In einem hellsichtigen Beitrag beschreibt nun David Friedman, Sohn des grossen Milton Friedman, warum das Konzept des “Shareholder Value” nach wie vor seine Berechtigung hat, warum es also die Kapitalgeber sind, die Kontrolle über ein Unternehmen ausüben sollten - notfalls auch durch Aktivismus. Und warum der - zweifellos wichtige - Einfluss weiterer Stakeholder diese Verantwortungsübernahme durch die Eigentümer nicht ersetzen kann. Nach Friedman sind es nämlich nur die Aktionäre („Shareholder“) die materiell an ein Unternehmen gebunden sind – ihre Vertragsbeziehung zur Kapitalgesellschaft lässt sich nur auflösen entweder durch die Übernahme dieser Beziehung durch einen Dritten, oder durch vollständigen Verlust des materiellen Einsatzes. Anderen Anspruchsgruppen, wie Mitarbeitern oder Kunden, fällt dagegen ein Ausstieg deutlich leichter. Sie haben ein entsprechend weniger stark ausgeprägtes Interesse an einer nachhaltigen Steuerung des Unternehmens.

Im deutschen Grundgesetz heisst es: „Eigentum verpflichtet.“ Genau dieser Grundsatz hat auch bei der Kontrolle von Kapitalgesellschaften zu gelten. Wer einer Gesellschaft Eigenkapital zur Verfügung stellt, ist dieser als Eigentümer verpflichtet. Es ist daher in seinem ureigenen Interesse, eine gesunde Entwicklung „seiner“ Unternehmung sicherzustellen. Sobald die Verfügungsgewalt des Eigentümers über das Unternehmen eingeschränkt wird – wie dies übrigens auch bei der „Mitbestimmung“ in deutschen Aufsichtsräten der Fall ist – wird das Management entfesselt und in die Lage versetzt, willkürlichen Eigeninteressen nachzujagen. Die Folgen einer solchen Entwicklung sind bekannt.

Mit Blick auf die Finanzkrise heisst dies aber auch: Nichts pervertiert unsere Wirtschaft mehr, zerstört eine gute Corporate Governance nachhaltiger, als staatliche Bailouts, oder die Vorstellung, dass Unternehmen zu gross für ein Scheitern sein könnten. Wenn ein schlecht kontrolliertes Management eine Unternehmung zugrunde richtet, so haben die Eigentümer am Kapitalmarkt dafür die Verantwortung zu übernehmen. Die richtige Antwort auf das Versagen der Unternehmensführung und -kontrolle ist darum die Stärkung der Verantwortung, die mit dem Eigentum an einem Unternehmen einhergeht - und damit der Rechte der Aktionäre (”Shareholder”). Wie aber ist dieses Ziel zu erreichen? Vor allem durch den Buhmann der durch ökonomisches Know How unbelasteten Kommentatoren der Finanzkrise: Deregulierung! Aktionäre müssen einerseits in der Lage sein, das durch sie beauftragte Management und dessen Entscheidungen effektiv kontrollieren zu können. Vor allem aber müssen sie das Recht haben, ihre Anteile jederzeit an jedermann verkaufen zu können – zum Beispiel an solche Akteure, die eine effektivere Kontrolle des Unternehmens durchzusetzen in der Lage sind. Ein freier Kapitalmarkt ist und bleibt die mächtigste Kontrollinstanz gegenüber grossen Kapitalgesellschaften. David Friedman:

“One way of doing so would be by removing current legal barriers that make takeover bids more difficult, and so protect managers and directors from the consequences of serving their own interests at the expense of the stockholders whose interests they are supposed to be serving.”

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stefan Lorenz

Zum Glück werden die Stimmen der Deregulierung in letzter Zeit immer lauter. Nicht zuletzt Opel hat ja gezeigt wohin politische Einflussnahme auf Wirtschaftshandeln führt.
Und vor allem was das dann alle wieder kostet wenn "wir" jemanden retten "müssen".

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