Führerschein Klasse 3 (alt)

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Als ich im Frühling 1983 in München-Schwabing nach einem Fahrlehrerwechsel die Prüfung wider Erwarten bestand, hatte ich den Führerschein Klasse drei. Den 'graue Lappen' nenne ich noch immer mein Eigen, auf dem Bild habe ich lange Haare und keine Anzeichen einer hohen Stirn. Das Dokument gilt heute als hoffnungslos veraltet, es wurde "vor und nach dem zweiten Weltkrieg ausgegeben", heißt es in einem Text zu den Fahrerlaubnisklassen unter www.schaffenwir.de. Vor und nach dem zweiten Weltkrieg gab es noch eine lächerlich kleine Zahl von möglichen Führerscheinen, nämlich 1, 1a, 1b, 2, 3, 4, 5 und FE KOM. Und fast jeder wusste, welche Fahrzeuge damit gefahren werden durften. Schlimm! Ab 1999 lautete die Einteilung der Führerscheinklassen dann schon etwas differenzierter: A, A1, B, BE, C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D, DE, M, S, L und T.

Am 19. Januar erfolgte der Befreiungsschlag, denn seit diesem denkwürdigen Sonnabend im Jahre des Herrn 2013 haben die Führerscheinklassen ihre Vollzahl und höchstmögliche Entwicklungsstufe erreicht: A, A1, A2, AM (ersetzt Klasse M und S), B, BE, B mit Schlüsselzahl 96 (integriert in Fahrerlaubnisklasse BE), Klasse C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D, DE, T und L.

Warum ich mich überhaupt in die Niederungen des Berufsalltags von Malochern und Arbeitssklaven begebe? Ganz einfach: ich bin gerade dabei, mich als Lkw-Fahrer zu bewerben. Und jetzt kommt eine wirklich gute Nachricht: Als alter Knacker genieße ich Vertrauensschutz. Bis dato wusste ich gar nicht, in welchem Ausmaß auch ich ein privilegierter Besitzstands-Inhaber bin, denn ich darf mit meinem alten Dreier-Führerschein so ziemlich alles fahren, was Räder hat! Wenn ich richtig recherchiert habe, dann sogar einen Lastwagen nebst Anhänger mit insgesamt bis zu vier Achsen und einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 18,75 Tonnen! Nun ja, zweiachsige 7,5-Tonner habe ich bei meinen Umzügen schon gelenkt, aber ohne Anhänger. Ein wenig üben sollte ich schon, am besten auf einem leeren Parkplatz.

Gerade denke ich noch darüber nach, welche Algenblüte die Bürokratie selbst in der Männerwelt der Fahrerlizenzen hervorgebracht hat. Ich verfluche diesen Fettwanst von Staat, der hier wie fast überall das Leben zu ersticken droht. Und ich denke nach über die Regelungswut der Europa-Kommissare, den lähmenden Einfluss der Gewerkschaften und Verbände, die von ihnen aufgebauten Berufseinstiegsbarrieren, die Wichtigtuerei des Beamtenstandes und die selbstvergessene Autoritätsgläubigkeit der Untertanen. Da lese ich fassungslos unter der Überschrift "Umtausch des alten Führerscheins Klasse 3 ab 19.01.2013" auf der oben genannten  Fahrschulen-Webseite: "Durch die dritte EG-Führerscheinrichtlinie wurden die Führerscheinklassen europaweit vereinheitlicht und vereinfacht und neue Führerscheinklassen geschaffen. (…) Wer künftig den alten Führerschein Klasse 3 umtauscht, erhält die Klassen B, BE 79.06, C1 171, C1E, AM, L 174 und 175, A1 79.03 und 79.04 (A1, soweit die Klasse 3 vor dem 01.04.1980 erworben wurde). Auf Antrag wird zusätzlich die Klasse CE 79 erteilt. Und die Klasse T, soweit eine Tätigkeit in der Land- oder Forstwirtschaft nachgewiesen wird".

Ich bin verwirrt. Jetzt ist klar, dass nichts klar ist, dass ich lediglich ein holzschnittartiges Modell im Kopf hatte. In Wirklichkeit ist alles noch viel komplizierter, viel zerbrechlicher, viel nachhaltiger geschädigt. Doch ich muss weiter, meine Zeit reicht nur noch für einen tröstlichen Gedanken zum Schluss: Bald werden wieder Ochsenkarren unser Straßenbild prägen. Dann rufen unsere allseits entwickelten Fahrerlaubnisklassen nur noch zynische Bemerkungen und wehmütige Erinnerungen hervor.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Robert Hortmann

Ich lebe seit 1980 in Spanien und seitdem habe ich es geschafft, ohne Schwierigkeiten mit meinem Deutschen Führerschein (in verschiedenen Ausfertigungen), der mir auf Lebenszeit ausgestellt wurde hier in Spanien ein Fahrzeug zu führen.

Das ist jetzt vorbei! Ich musste meinen europäischen (deutschen) Führerschein in einen (spanischen) europäischen Führerschein umtauschen. Es hat mich 32,-€ und einen halben Vormittag auf dem Amt gekostet.

Was habe ich jetzt? einen Führerschein, den ich nach 5 Jahren, einer technisch- psychischen Untersuchen für etwa 90,- € erneuern muss. Meine Teilnahme am Strassenverkehr wird dadurch nicht sicherer, aber einige Beamte haben dadurch einen lebenslangen Job, und ich ein leereres Portemonaie.

Das ist es, um das es geht!

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