Friedensnobelpreis, nicht für den Euro!

Warum das Nobel-Komitee den Preis ausgerechnet jetzt an die EU verliehen hat, gibt Rätsel auf. Angesichts der bedrohlichen Euro-Krise erscheint die Aktion wie eine Verzweiflungstat.

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Als engagiertes Mitglied von Amnesty International hatte ich mich über die Nachricht zuerst sehr gefreut. Mit der jährlichen Vergabe des EU-Menschenrechtspreises hat das Europäische Parlament die EU weltweit an die Spitze der politischen Organisationen gebracht, die sich für Menschenrechte, Meinungs- und Pressefreiheit einsetzen. Nelson Mandela bekam den Preis zu einer Zeit im Gefängnis zuerkannt, zu der die europäischen Regierungen noch beste Beziehungen zum Apartheid-Regime in Pretoria pflegten. Alexander Dubcek bekam ihn, als die Prager Kommunisten noch von deutschen Ostpolitikern hofiert wurden.

 

 

Das Europäische Parlament hatte sich auch nicht davon abhalten lassen, Bürgerrechtler in China und Russland zu ehren; trotz wütender Proteste der Machthaber in diesen Ländern und unverhohlen geäußertem Missmut von Diplomaten und Wirtschaftsführern. Das Europäische Parlament wäre ein würdiger Gewinner und sein Präsident, Martin Schulz, in Oslo ein glaubwürdiger Empfänger des Preises gewesen.

 

Statt, wie von Alfred Nobel satzungsmäßig vorgeschrieben, den Preis für eine präzise dem Frieden und den Menschenrechten dienende Leistung des vergangenen Jahres zu vergeben, zog das Komitee vor, ihn der EU für ihren Beitrag zu „über sechs Jahrzehnte langer friedlicher Entwicklung in Europa“ zukommen zu lassen. Das Komitee stellte dabei besonders „die deutsch-französische Aussöhnung“ und die „demokratische Entwicklung in den süd- und osteuropäischen Ländern nach dem Mauerfall 1989“ heraus.

In der Tat sind das alles wunderbare Entwicklungen gewesen. Die offensichtliche Motivlage der Jury, die Begründung und der Zeitpunkt dieser Entscheidung lassen aber den Verdacht aufkommen, hier solle in einem letzten Verzweiflungsakt den Eurorettungspolitikern noch einmal kräftig unter die Arme gegriffen werden.

Der Chef des Preiskomitees, der Norweger Thorbjørn Jagland, hätte sich als Europabeamter wegen seines eklatanten Interessenkonflikts aus der Jury verabschieden müssen. So hat er sich den Preis auch selbst zuerkannt. 
Aus der Sicht vieler Norweger sollte mit dieser Entscheidung auch den wenigen norwegischen Politikern geholfen werden, die sich immer noch schwarz darüber ärgern, dass ihr Land nicht nur nicht in der Eurozone, sondern nicht einmal in der EU ist. Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass die norwegischen Bürgerinnen und Bürger nun der preisgekrönten EU um des lieben Friedens willen beitreten wollen, vom Eintritt in die Eurozone mal ganz zu schweigen.

Dass diese Auszeichnung ausgerechnet jetzt erfolgt, gibt Rätsel auf. Für jeden erkennbar, sorgt der Euro dafür, dass sich innerhalb der Eurozone die potenziellen Geber- und Nehmerländer zerstreiten, dass der Graben zwischen Eurozone und Nichteuroländern immer breiter wird und dass das vielgelobte deutsch-französische Verhältnis sich im seit Jahren schlechtesten Zustand befindet.

Wollte das Komitee mit der Preisverleihung vor den durch die Europolitik entstandenen zentrifugalen Fliehkräften warnen, hätte der Preis noch einen erzieherischen Sinn ergeben können. Die mehrheitliche Reaktion der Politiker lässt diese Schlussfolgerung nicht zu. Diese müsste eigentlich sein: Der Euro bedroht nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand in Europa, er bedroht auch das gedeihliche Zusammenleben auf dem Kontinent. Deshalb: Gerade um des lieben Friedens willen, lasst uns den Einheitseuro abschaffen!

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Marie-Luise Volk

Für mich gibt die Entscheidung keine Rätsel auf. Ich ordne diese Entscheidung als Teil der Gehirnwäsche pro Europadiktatur. Die Nobelpreisverleiher haben sich mit dieser Entscheidung keinen Gefallen getan.

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