Frieden! Beten!

Wie ich vermute, wird es nicht wenigen so gehen wie mir: der Überblick darüber, wer in den Konflikten der Welt zu den Guten und wer zu den Bösen gehört, ist mir schon lange verloren gegangen.

Veröffentlicht:
von

Wie ich vermute, wird es nicht wenigen so gehen wie mir: den Überblick darüber, wer im Nahen Osten, insbesondere im Konflikt zwischen Israel und Hamas, wann was getan hat, was welche Reaktion erforderlich und legitim erscheinen lässt, wer von den kämpfenden Parteien unterstützenswert und wer im Westen nur als Wolf im Schafspelz auftritt um seine menschenverachtenden Gemetzel weiterführen zu können – der Überblick darüber, wer in den Konflikten der Welt zu den Guten und wer zu den Bösen gehört, ist mir schon lange verloren gegangen.

In das Gesamtbild gehören historische Zusammenhänge, die teils bis in die Antike zurück reichen, es gehören politische und religiöse Strömungen und Befindlichkeiten in den Blick genommen, noch dazu nicht einfach zwischen den Religionen sondern auch innerhalb der betreffenden Religionen und politischen Strömungen. Es sind nationale und internationale Verflechtungen zu berücksichtigen, man muss mit betrachten, welchen Einfluss welche Weltmächte zu welchem Zeitpunkt auf welches Volk genommen hat, wirtschaftliche Verflechtungen bis hin zur Frage nach bestehenden Bodenschätzen gehören genau so berücksichtigt wie strategische Allianzen mit Nachbarstaaten der jeweiligen Kombattanten bis hin zu bestehenden Clanstrukturen und deren Geschichte und Beziehungen untereinander.

Als ganz normaler, politisch interessierter Mensch mit einem festen Arbeitsplatz, der mich mindestens acht Stunden am Tag und einer Familie, die mich den Rest des Tages ausreichend fordert, habe ich keine Möglichkeit, mein Bild der Situation wirklich zu schärfen und zu erhärten. Da hilft auch die Berichterstattung in den Medien wenig, vor allem dann nicht, wenn versucht wird, einem zu verkaufen, dass beispielsweise im Israelkonflikt eine übermächtige Militärmaschinerie der Israelis auf ein sich wehrendes eingesperrtes Volk einschlägt, als ob es sich bei letzterem um ein einfaches Beduinenvolk handelte, und bei der Hamas nicht um eine Terrororganisation, die mit modernsten Waffen gegen die israelische Zivilbevölkerung kämpft … aber ich bin schon wieder bei einer Wertung, die mir im Grunde mangels Kenntnis aller Zusammenhänge nicht zusteht, wollte doch nur darauf hinweisen, dass insbesondere unser öffentlich-rechtlicher Rundfunk seine einseitige Berichterstattung einstellen kann: Ihr seid schon lange entlarvt!

Aber auch wer die Hintergründe wie die des Israelkonfliktes nicht versteht, kann doch angesichts der bestehenden Situation nicht schweigen. Denn die Opfer dieses Konfliktes sind ja nicht Politiker, es ist nicht Mahmud Abbas, der sich noch kürzlich offenbar in heuchlerischer Absicht zum Gebet mit dem israelischen Präsidenten Schimon Peres und dem Papst im Vatikan getroffen hat, es ist auch nicht Benjamin Netanjahu, der Rache für die getöteten drei israelischen Studenten und die Raketenangriffe der Palästinenser fordert, es sind nicht diese beiden, die sich bewaffnet gegenüber stünden. Wie in jedem kriegerischen Konflikt, sind es von den nationalen Führern eingesetzte Soldaten, die um ihr Leben fürchten müssen, es sind aber vor allem Kinder, Kaufleute, Handwerker, Arbeiter … kurz, es sind Zivilisten, die in diesen Konflikten leiden. Für jedes einzelne getötete Kind, jeden einzelnen Familienvater, jede Mutter, jeden Bruder, jede Schwester werden die Verantwortungsträger eines Tages vor dem Herrn Rechenschaft ablegen müssen.

Ich bin nicht naiv, nichts liegt mir ferner als ein „Käßmannscher Friedensaufruf“, der nicht nur wegen der mangelnden Bedeutung dieses Blogs auf taube Ohren stoßen muss. Ich habe auch großes Verständnis für diejenigen Zivilisten in Israel, die nach dem andauernden Raketenbeschuss durch die Hamas ein härteres Vorgehen ihrer Regierung fordern, nicht Rache sondern einen militärischen Einsatz, der diesem Terror ein Ende macht. Und ich habe Verständnis für die Menschen in Gaza, die den faktischen Belagerungszustand ihres Territoriums ebenfalls für ungerecht und unmenschlich halten und die von ihrer politischen Führung erwarten, dass sie daran arbeitet, dass dieser Zustand aufhört.

Aber eines ist klar: Der Frieden in Israel wird nicht durch den Einsatz von Raketen und Bodentruppen erreicht, er wird nicht durch eine weitere Eskalation erreicht, auch dann nicht, wenn eine der Parteien daraus als Sieger hervorgehen sollte, was auch mittelfristig ohnehin kaum realistisch erscheint. Frieden wird nur erreicht, wenn sich die Menschen, Politiker wie ganz normale Bürger, die Hände reichen, aus der – religionsübergreifenden – Erkenntnis heraus, dass nur der Friede für alle zum Besten dient. Man muss kein gläubiger Mensch sein, um zu verstehen, dass ein Krieg – so berechtigt und möglicherweise sogar unausweichlich er aus einer Notwehrsituation auch sein mag – kein Mittel ist, Frieden zu erreichen. In einer anscheinend ausweglosen Situation ist es dann aber der Glaube, der eine Rückbesinnung auf den zulässt, der nicht nur einen weltlichen sondern auch einen göttlichen Frieden schenken kann. Friede ist, ähnlich der Liebe, eine freie Entscheidung der Menschen Den Willen zu solchen Entscheidungen können wir aber von Christus, dem Friedensfürst erbitten – und wenn es die eigentlichen Beteiligten schon nicht tun: Wenn nicht wir, wer dann?

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Freigeist

Auf beiden Seiten der Kriegsparteien wird für gewöhnlich gebetet, für den jeweils eigenen Sieg. Lächerlicher geht es nicht, das stört aber Gläubige nicht, da im Gottes-Wahn gefangen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang