Fresseerklärung aus dem Kanzleramt

Wird der Problemminister zum Fall der Problemkanzlerin?

Höflich miteinander umzugehen, das lernen Kinder in der Schule. Bisweilen sind Lehrer sogar – hier oder da – befugt, das Betragen ihrer Schüler zu benoten. Unter der Rubrik „Sozialverhalten“ wird dann beurteilt, welche Umgangsformen ein junger Mensch hat. Um zu verstehen, worum es im Kern geht, lohnt ein genauerer Blick auf das Wort „Höflichkeit“ selbst. Das Wort transportiert nämlich Geschichte.

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Denn es sagt, wie man sich „bei Hofe“ zu verhalten hatte. Und das Grimmsche Wörterbuch der deutschen Sprache konkretisiert: „fein, gesittet, artig“.

Wer einem anderen erklärt: „Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen“, der ist unbestreitbar nicht höflich. Denn die Fresse ist – um wieder das Grimmsche Wörterbuch zu bemühen – „ein derber und kräftiger Ausdruck für das Maul“. Und um zu wissen, dass das Maul wiederum ein ganz unedler Ausdruck für den Mund ist, braucht man nicht einmal mehr die Hilfe der Grimms.

Glaubt man nun der kursierenden Vielzahl von einschlägigen Presseberichten, so hat der Herr Kanzleramtsminister Ronald Pofalla dem Abgeordneten Wolfgang Bosbach eben jene ganz unhöfliche Bemerkung vom Ich-kann-Deine-Fresse-nicht-mehr-sehen mitten in sein Gesicht gesagt. Dies allein wäre unschön, fügt es sich doch nicht in das Bild dessen, was wir gemeinen Bürger uns vom Umgang der hohen Politiker miteinander üblicherweise machen. Denn in einem Parlament, das wir „Hohes Haus“ nennen, sollten (unter allen Abgeordneten mit Schulabschluss) mindestens ebenso feine und artige Umgangsformen herrschen wie einstmals bei Hofe.

Ronald Pofalla hat es jedoch bei der Mund-Maul-Fresse-Absteigerung nicht belassen. Er hat – glaubt man den Berichten allerorten – zu den eurokritischen Äußerungen seines Parteifreundes Bosbach sogar geäußert, dieser mache mit seiner „Scheiße alle Leute verrückt“ und er wolle „mit so einer Scheiße in Ruhe“ gelassen werden. Des Weiteren kursiert, Bosbach sei von Herrn Kanzleramtsminister Pofalla aufgefordert worden: „Lass mich mit Deiner Scheiße in Ruhe!“

Man braucht kein Linguist oder Sprachästhet zu sein, um aus dieser Anhäufung von Fäkalien eine eher derb-bäuerliche Gesinnung des Senders zu erkennen. Der frühe Josef „Joschka“ Fischer hatte seinen rasant umgangssprachlichen Angriff auf den Parlamentspräsidenten Richard Stücklen 1984 wenigstens noch mit einer althergebrachten Demutsfloskel eingeleitet: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“. Aber ein solches mittelhochdeutsches Ersuchen um die Erlaubnis für eine nachfolgende Frechheit ging Ronald Pofalla gänzlich ab. Stattdessen wählte er zugleich noch die wenig distanzierte Gestalt des „Du“ für seine Verbalentgleisung – vielleicht in dem Kalkül, dass der Schlag aufs Maul aus der Nähe noch schmerzhafter trifft…?

Die „Süddeutsche Zeitung“ nennt Ronald Pofalla inzwischen einen „Problemminister“. Ausgerechnet die „Süddeutsche Zeitung“, möchte man anfügen! Denn kein großes deutsches Blatt war bekanntlich vor fünf Jahren dem so getauften „Problembären Bruno“ näher, der unkontrolliert durch das bayerisch-österreichische Grenzgebiet streunte und die Gegend unsicher machte. Der Problembär wurde damals abgeschossen. Dies hielt man im Landkreis Miesbach für angemessen.

Was ist nun aber angemessen im Umgang mit einem Problemminister, der – ausgerechnet aus dem Kanzleramt, aus dem Herzen des Herzens der Republik – seine ganz unhöflichen (heute würde man sagen: undiplomatischen) Fresse-Erklärungen verlautbart? Darf ein Mann in dieser Position unfein, ungesittet und unartig sein?

Wolfgang Bosbach hat in der Euro-Debatte schließlich nur das getan, was das Gesetz von ihm verlangt. Er hat sich als Abgeordneter nach seinem Gewissen erklärt und verhalten. Nichts anderes verlangt Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes von ihm. Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 derselben Verfassung gewährt ihm darüber hinaus das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Und mehr noch: Paragraph 36 des Strafgesetzbuches stellt sogar weiter klar, dass Mitglieder des Bundestages „zu keiner Zeit wegen ihrer Abstimmung oder wegen einer Äußerung“, die sie in Amtsausübung tun, außerhalb des Parlamentes „zur Verantwortung gezogen werden“ dürfen. Und das ist nur richtig so. Denn alle Redeverbote bei der Gesetzgebung können die Rechtsfindung nur erschweren oder ganz verhindern.

Indem Ronald Pofalla die Ächtung des Abgeordneten Bosbach aus der juristisch formellen in die informell-persönliche Sphäre vorverlagert, zeigt er zweierlei: Nämlich dass er es erstens nicht nur an Höflichkeit und Diplomatie mangeln lässt, sondern dass ihm zweitens auch der nötige Respekt vor Andersdenkenden und Andersabstimmenden fehlt. Für die politische Kultur in diesem Land kann es folgerichtig nur eine einzige Konsequenz aus jener Fresse-Erklärung des Ministers geben. Er hat zu gehen. Geht er nicht freiwillig, muss er entlassen werden, als Signal an alle anderen, die glauben, durch informellen Druck auf Parlamentarier Gruppenzwänge erzeugen zu dürfen.

Die Ernennung und die Entlassung von Bundesministern ist Sache des Bundespräsidenten. Der aber handelt dergestalt nur auf Vorschlag des Bundeskanzlers, wie Artikel 64 Abs. 1 des Grundgesetzes sagt. Die Frau Bundeskanzlerin ist folglich gut beraten, sich die Fresse-Erklärung ihres Kanzleramtsministers nicht durch Untätigkeit zueigen zu machen. Denn einen Problemkanzler braucht Deutschland auch außerhalb des Landkreises Miesbach nicht.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Susanne

Hätten Sie sich auf die letzten beiden Absätze beschränkt, hätteh Sie dem Leser Zeit erspart, um nicht Dinge zu lesen, die jedem vertraut sind.

Gravatar: Birthe

an die Redaktion:

Welch ein gewaltiger Fortschritt!!!! Nach ca. 1 Jahr endlich einmal eine neue Umfrage:

Sollte Roland Pofalla (CDU) nach seinen verbalen Entgleisungen als Chef des Bundeskanzleramtes zurücktreten?

Wird sie wieder ein Jahr hier aufgeführt werden???

Gravatar: dieter

Warum lamentieren wir wegen Profallas Äußerungen. Er hat doch nur öffentlich zum Ausdruck gebracht wo unsere Politik steht. Wes Geistes Kind die meisten Politiker sind. Und er hat klar gezwigt was die politische Führung wünscht: alles hört auf ein Kommando. Und natürlich Gender gerecht und Frauenqoten geboten auf das Kommando einer Frau. "Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel (oder die Fresse ein)." Wer nicht die Meinung der Führung vertritt dem wird der Mund verboten. Neudeutsche Politik. Schade ist nur, dass die Politiker, die noch anders denken, sich nicht zusammenschließen und gemeinsam den Mund aufmachen. Hängen sie so sehr an ihren Posten, die sie ja verlieren würden wenn eine Neuwahl stattfinden würde? Sind dadurch von Angie erpressbar.
Dann sind sie Fehl am Platze. Denn dann sind sie ja auch hierin nicht ihrem Gewissen verpflichtet, sondern durch Machtgelüste beeinflußt. Hut ab vor Bosbach. Wenigstens einer der öffentlich hinsteht.

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