Freiheit für alle?

Die Verteidigung der Freiheit, sie mag den einzelnen oder größerer Gruppen von Menschen betreffen, erreicht in Demokratien immer dann eine natürliche Grenze, wenn der Einsatz mit einem echten Wagnis verbunden ist, dem sich verständlicherweise nur noch die Wenigsten persönlich aussetzen.

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Jene, die wirklich müssten, kneifen am deutlichsten. Politiker leisten vor Antritt ihres Amtes einen Eid, der sie qua Verfassung dazu verpflichtet, den ´Schutzbefohlenen´ zur Seite zu stehen. Sie schwören, ihre Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm abzuwenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen, ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Das plappern sie mit erhobener Flosse und geheucheltem Ernst herauf und herunter, nach jeder Wahl, und wie kleine Kinder, die an Heiligabend oder zu Ostern simple Vierzeiler zwecks Geschenkentnahme zum Besten geben, denken sie dabei vor allem an sich selbst.

Was hat es mit diesen Worten konkret auf sich? Sieht man von den seltsam antiquiert wirkenden Lippenbekenntnissen einmal ab, deren Pathos auch in totalitären Verfassungen einen passenden Ausdruck findet, bleibt immerhin der formal-juristisch bindende Teil des Eides. Auf ihn kommt es, jenseits persönlicher Courage, wirklich an. Die Wahrung und Verteidigung des Grundgesetzes und der Gesetze des Bundes. Es bleibt verboten, diese Gesetze aufgrund pragmatischer Erwägungen umzudeuten oder gar anderen ´Prinzipien´ unterzuordnen. Niemand darf sie außer Kraft setzen. Aber unsere Politiker tun es. Jeden Tag. Ohne rot dabei zu werden. Und ohne, dass wir – das Volk – sie dafür vor den Kadi zerrten.

Nehmen wir etwa Artikel Zwei dieses Grundgesetzes, der bekanntlich die Freiheit der Person schützt. Auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit findet ihren Ausdruck in unserer Verfassung. Um es vorwegzunehmen: Für die Fälle, um die es mir hier geht, kämen noch etliche andere Passagen des Werkes in Betracht. Die Verkehrung dieser Grundsätze in glattweg gegenteilige Positionen muss als Symptom gewertet werden. Auf zum Teil schamlose Art und Weise kündigt das politische Personal einen Amtsmissbrauch an, der in Zeiten ungebremster Zuwanderung und immer deutlicherer Islamisierung unserer Gesellschaft den Anfang vom Ende markiert.

Nehmen wir an, sie sind verheiratet und erlauben ihrer Frau in Ausnahmefällen, das Haus zu verlassen, aber immer nur an der Leine – wie bei einem Hund. Oder: Sie wickeln ihre Liebste – ihr Eigentum – einfach in Plastik, Luftdicht versiegelt. Sie gehören vielleicht irgendeiner durchgeknallten ´Plastic People Foundation´ an, die ihre zahlreichen Riten und Gebräuche – allesamt befremdlich und nicht wenige verfassungswidrig – aufgrund der Verlautbarungen ihres Herrn und Meisters stur behaupten. Diesen Plastik-Freaks geht es bei der ´Verhüllung´ vor allem darum, dass man nicht zu viel sieht – von der Ollen. Konkret: Die Visage muss dicht bleiben. Praktiken wie die beschriebenen verstoßen natürlich gegen das Grundgesetz. In aufgeklärten, rechtstaatlich justierten Gesellschaften wird man für so etwas entweder in Behandlungen oder vor Gericht geschickt. Kaum anzunehmen, dass es keine Folgen zeitigt. Vielleicht probieren sie es mal aus und warten die Reaktionen ab. Sollte man ihnen tatsächlich die Polizei auf den Hals hetzen, dürfen sie sich, zwecks Verteidigung in eigener Sache, schon mal auf den niedersächsische Minister für Inneres, Boris Pistorius, berufen.“ Es gibt,“ so belehrt uns der Amtsvereidigte in einem Interview, das er gestern der Neuen Westfälischen gewährte, “kein Recht darauf, im öffentlichen Raum in das Gesicht eines anderen Menschen schauen zu dürfen.“ Das müsse man eben, meint er, individuell und rechtstaatlich aushalten. Verstanden? Wickeln sie das süße Köpfchen ihres Haushündchens demnächst mit Kreppkleber zu und sollte irgendeine Bande Tierschützer sie dafür schelten, klären sie diese Leute auf: Es gibt in Deutschland kein Recht, Kötern und anderen Vierbeinern ins Gesicht schauen zu müssen. Das müssen die bitte aushalten.

Es geht, sie haben es längst gemerkt, um das sommerlöchelnde Burka-Verbot. Was viele für ein bloßes Reizthema halten, berührt in Wahrheit die Grundfesten unseres Selbstverständnisses. Freilich meinen nicht wenige, sich in dieser ´Sache´ einmal mehr irgendwie wegducken zu können. Der Irrwitz, rechtlose (aber unbedingt rechtgläubige) Frauen in Textil einzusperren, wird ja zum einen in hermetisch abgeriegelten Zuwanderer-Milieus praktiziert, zum anderen birgt er – so der Herr Pistorius – kein akutes Gefahrenpotential. Da haben wir ja noch mal Glück gehabt. Und überhaupt: Wenn solche Frauen ihr Los schließlich akzeptieren und öffentlich das Gefängnis feiern, in dem sie täglich stecken (was könnten oder dürften sie auch anderes sagen?) dann feiern unsere Leitmedien die selbstbewusste Muslima („Im Haus und in der Küche ist Fatme der Chef“) und so richtig flippen sie aus, wenn eine Studentin der Soziologie ihre Selbständigkeit betont und im Blick auf den schicken Kopflappen versichert, dass Tradition und Moderne einander nicht ausschließen müssen. Aus einer Burka wird der Burkini, Salafisten werden zu Aussteigern und überhaupt: Wer etwas genauer hinschaut, soll doch bitte den Blick weiten, dann sind die vielen fiesen Details nicht mehr so deutlich zu erkennen, dann verschwimmt nämlich alles ganz gnädig ineinander und finden so irgendwie doch noch zueinander.

Ich finde: Wer so kurzsichtig ist, der findet auch nicht mehr den Weg zum Optiker. Der geht in der Irre spazieren, weil er Angst vor den Tatsachen hat. Wer aber meint, die Wurzel allen Übels auch nur erwähnen zu müssen, der gehört für den Herrn Pistorius schon zu den Spinnern und Panikaffen. „Mit einem Burka-Verbot,“ meint der Oberlehrer aus Niedersachsen, “würden wir ja die subjektiven, teilweise irrationalen Ängste vor dieser religiösen Ausprägung noch verstärken.“ Überhaupt: Wo ist das Problem? “Mir ist kein Anschlag und keine terroristische Bedrohung bekannt,“ meint der SPD-Politiker lässig, “bei denen eine Burka tragende Frau oder ein sich womöglich dahinter versteckender Mann eine Rolle gespielt hätte.“ Die Forderung nach einem Verbot empfindet Pistorius als befremdlich, denn: “So was hilft uns null weiter.“ Er fügt hinzu: “In Frankreich gibt es ein Burka-Verbot.“ Soll heißen: Lasst die Obermuseln ihre Weiber ruhig weiter wie Vieh behandeln und rechtgläubig in den Ganzkörperkäfig sperren: Geht schon in Ordnung, das hat bis jetzt noch keinen von uns umgebracht. Wenn diese Frauen, etwa in der Levante, bei über vierzig Grad Tagestemperatur in den pechschwarzen, ärmellosen Gewändern leiden, dem Kollaps nahe, dann geht uns das sicher nichts an, aber in Deutschland noch viel weniger, denn mögliche Maßnahmen helfen uns ja null weiter.

Kann man den Frevel, die rechtstaatliche Vergessenheit – die menschliche Verkommenheit überhaupt noch weiter treiben? Wie herunter gekommen muss eigentlich derjenige sein, wer so unsägliche Sätze von sich gibt? Wenn wir verbriefte Freiheitsrechte, die nicht ohne Grund jeden Menschen meinen, danach beurteilen, ob sie unter Sicherheitsaspekten eine Rolle spielen oder nicht, dann haben wir uns und andere bereits der Erpressung ausgeliefert und dann darf keinen mehr wundern, das die Feinde der Freiheit dieselbe immer unverhohlener angreifen, denn sie wissen: So ernst meinen es die Ungläubigen damit gar nicht. Die labern doch nur.

Politiker taktieren, wenn es darum geht, Farbe zu bekennen. Sie verraten sich damit. Sie wollen von den Menschen gewählt werden, um an ihre Pfründe heran zu kommen. Die Sorgen und Ängste dieser Menschen nehmen sie selten zur Kenntnis. Wenn der Bundespräsident uns etwa versichert, dass er Frau Merkel nicht mehr wählen würde, wenn sie etwas anderes als ´Wir schaffen das´ gesagt hätte, dann ist das kennzeichnend für die Luft, die man mittlerweile einatmet: So eng und stickig ist sie, dass einen der Schwindel befällt. Sicher: Eine Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede ist von dieser Kanzlerin nicht zu erwarten, so wenig wie das Eingeständnis von Fehlern und Versäumnissen. Aber schon die bloße Erwähnung bestimmter Probleme, die wahrlich unter den Nägeln brennen, bleibt, nehmen wir die Aussage Gaucks ernst, des Teufels – tabu. Dieser Opportunist will nichts, aber auch gar nichts davon hören, und wer dennoch davon spricht, soll nicht gewählt werden, was im Ergebnis heißt, dass ein Volksvertreter zur Not immer lügen muss, um im Amt bestätigt zu werden. Wohlgemerkt: Es ist das Oberhaupt der Bundesrepublik Deutschland, dem wir diese widrige, wirklich widerliche Plattitüde verdanken.

Und wo wir oben vom Fetisch Freiheit sprachen, den jeder im sabbernden Maul führt, um damit zur Not Spucknäpfe zu füllen: ist dem Herrn Gauck im Prinzip auch wurscht. Aber so richtig. Mag der türkische Staat Kriege in direkter Nachbarschaft anzetteln, kurdische Dörfer niederbrennen oder wochenlang Menschen wegsperren um nicht wenige von denen halbtot foltern: Das Flüchtlingsabkommen mit der Kamarilla muss man doch nicht gleich aufkündigen, nur „weil uns diese Maßnahmen nicht passen.“ Meint der Pastor im höchsten Amte. Da waren Franzosen und Engländer anno 39 gottlob schon etwas weiter. Unter der Regierung Erdogan, so Gauck weiter, habe die Türkei auch „mächtige Erfolge erzielt.“ Um beim Vergleich zu bleiben: Das erinnert mich spontan an das große Hitler-Buch von Sebastian Haffner. Auch dort werden Erfolge und sogar Leistungen des Reichskanzlers Hitler betont, aber die Verbrechen dieses Mannes, der in den ´guten Nazi-Jahren´ noch nicht den Status des Völkermörders erlangt hatte, lügt der Autor nicht um in ´Maßnahmen, die uns nicht passen´.

Lügen – aus Feigheit. Dabei geht die Freiheit so richtig drauf. Es sind Typen wie Gauck und Pistorius, die sie zum Ramschtarif verhökern. Sie merken das entweder gar nicht oder es bleibt ihnen egal. Ein Unbehagen angesichts rechtgläubig praktizierter Menschenverachtung, wie sie nicht einzig im Tragen einer Burka zum Ausdruck kommt, begreift der Minister als ´subjektive, teilweise irrationale Ängste vor dieser religiösen Ausprägung´. Wenn der alltägliche und so unfasslich unbekümmert praktizierte Bruch von Menschenrechten nur eine religiöse Ausprägung sein soll und unser begleitender Unmut als subjektiv, gar irrational angesehen wird, dann sagt das einiges über den aus, der sich auf diese Weise aus jeder Verantwortung stiehlt. Der Gegenstand als solcher verflüchtigt sich, aber die Gefahr, die von ihm ausgeht, wächst unmerklich weiter. Wir wundern uns immer erst hinterher über Dinge, deren Ursachen uns bekannt und doch ziemlich gleichgültig waren.

Hinter der Duldung verfassungsbrechender Praktiken auf deutschem Grund und Boden verbirgt sich einmal mehr die nackte Angst, aber auch eine Ignoranz, die von immer spärlicheren Krediten zehrt. Eine Burka erniedrigt und beraubt ihre Trägerin der freien Entfaltung, von der in anderen Zusammenhängen immer so seiernd die Rede ist. Wer die Burka nicht als Schande empfindet, als einen Gesetzesbruch, der strafrechtlich verfolgt werden muss, macht sich zum Komplizen. Einer wie der Herr Pistorius sorgt auf eigene Weise dafür, dass der Furor der Unvernunft immer näher rückt. Am Ende erwischt er auch jene die glaubten, dieser Kelch werde schon an ihnen vorüber gehen. Wie empfänden sie dann wohl den Gleichmut solcher, die sich ihrerseits in Sicherheit wähnen und folglich keinen Finger zu krümmen bereit sind?

Geschrieben von Shanto Trdic, 16.08.2016

Zuerst erschienen auf https://numeri249.wordpress.com/2016/08/16/freiheit-fuer-alle/

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FDominicus

" Eine Burka erniedrigt und beraubt ihre Trägerin der freien Entfaltung, von der in anderen Zusammenhängen immer so seiernd die Rede ist. "

Ach wie macht die das denn? Freie Entfaltung? Ihren Humor könnte ich schätzen. Sie wollen doch gerade die Frauen daran hindern, auch Burka zu tragen? Weil Sie es anscheinend nicht ertragen können.

Und nein ich mache mich nicht zu irgendetwas auch wenn ich ein Burkaverbot ablehne.

Gravatar: Duffy

Herr Trdic, besten Dank für Ihre Ausführungen, denn es gab historisch wohl nur einmal so gute Gründe, sich für unsere Regierung zu schämen.
Das Vermummungsverbot dient objektiv der öffentlichen Sicherheit; außerdem ist der Anblick von Personen, die in unserer Gesellschaft so tun als lebten sie noch im Mittelalter, kaum zu tolerieren.
Ich kann mich noch gut daran erinnern: Frauen, die ihre Kleinkinder zuhause selbst erziehen wollten statt sie fremden Personen zur Betreuung zu überlassen, sollten dafür Erziehungsgeld erhalten, was sofort von den Medien als "Herdprämie" verhöhnt wurde.
Heute weiß ich, wir falsch gemacht haben: meine Schwägerin und ich sind deutsche, gebildete Frauen mit hohen Ansprüchen; unsere Kinder sind inzwischen erwachsen und bewegen sich mit sicheren Umgangsformen; sie brauchen keine tattoos oder ekelhafte piercings um akzeptiert zu werden; sie denken unabhängig, lesen Bücher(!) und haben feste Vorstellungen von den "do's and don'ts" in einer funktionierenden Gesellschaft.
Hätten wir uns damals ganzverschleiert und frech auf unsere traditionellen Werte berufen, wären wir ganz sicher nicht als rückständige Heimchen am Herd belächelt worden und die ganze Häme wäre uns erspart geblieben.
Merkt eigentlich niemand, wie schizophren unser Land geworden ist?

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