Freihandel: Ja – Investitionsschutzabkommen: Nein

Freihandel ist gut, aber das Freihandelsabkommen TTIP enthält Elemente, die Demokratie und Rechtsstaat gefährden. Wir brauchen ein »gemischtes Abkommen«, das den nationalen Parlamenten die Souveränität belässt.

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Demokratie und Rechtsstaat dürfen nicht umgangen werden

Der Freihandel ist eine gute Sache: Er verbindet Menschen und Völker miteinander, schafft durch internationale Arbeitsteilung mehr Wohlstand, weil sich die Partner auf den Teil der Produktion konzentrieren, in dem sie selbst am besten sind. Was gibt es also gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP das die EU mit den USA aushandelt, einzuwenden?

Demokratie und Rechtsstaat sind ebenso wichtig wie der Freihandel, und im Freihandelsabkommen werden Fragen behandelt, die mit Freihandel nicht viel zu tun haben, aber den Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie massiv zuwiderlaufen. Die Rede ist von den Investitionsschutzklauseln und den Eingriffen in die Souveränität der Nationalstaaten beim Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz.

Die Schiedsgerichte sind jenseits des Rechtsstaates

Diese Investitionsschutzklauseln werden so begründet, dass ausländische Investoren vor Enteignung und rechtlicher Diskriminierung gegenüber einheimischen Anbietern geschützt werden sollen. Zu diesem Zweck sollen sogenannte Schiedsgerichte eingeführt werden. Diese Schiedsgerichte bestehen aus drei Rechtsexperten, die über den nationalen und europäischen Rechtsinstanzen stehen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen. Eine Berufungsinstanz gibt es nicht. Klagen können nur ausländische Investoren, inländische Investoren bleiben auf die nationale Gerichtsbarkeit verwiesen.

Der Rechtsstaat zeichnet sich aber dadurch aus, dass er jedem ein Klagerecht zugesteht, unabhängig von der Herkunft des Klägers. Außerdem existiert ein Mehrinstanzenweg vor ordentlichen Gerichten mit einer letzten Prüfungsinstanz. Das ist in unserem Fall das Bundesverfassungsgericht bzw. der Europäischen Gerichtshof. Die Schiedsgerichte, die durch das Investitionsschutzabkommen etabliert werden, werden keinem dieser Kriterien gerecht. Der nationale und europäische Rechtsstaat wird faktisch umgangen und damit ausgehebelt.

Das Investitionsschutzabkommen ist überflüssig

Jedes Unternehmen hat in Deutschland die Möglichkeit, seine Rechte vor nationalen Gerichten bis hin zum Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof einzuklagen. Mehr als die Hälfte der US-amerikanischen Direktinvestitionen geht in die Europäische Union. Es gibt also keine Hinweise darauf, dass die Sorge um den Investitionsschutz amerikanische Investoren davon abhalten würde, in der EU zu investieren. Es gibt also gar keinen Grund, neben dieser nationalen und europäischen Gerichtsbarkeit zusätzlich fragwürdige Schiedsgerichte einzuführen.

Darum sollte die Europäische Kommission die Verhandlungen über das Investitionsschutzabkommen beenden. Das würde dazu beitragen, Befürchtungen abzubauen und verspieltes Vertrauen wiederherzustellen. Gerade die Befürworter des Freihandels sollten daran interessiert sein, den Abbau der Zolltarife nicht an einem rechtsstaatlich fragwürdigen Investitionsschutzabkommen scheitern zu lassen.

Demokratische Legitimität sicherstellen

Ein weiterer Vorbehalt gegenüber TTIP betrifft die Demokratie. Verbraucherschutz, Gesundheits- und Umweltstandards, Arbeitnehmerrechte sind für viele Bürger von großer Bedeutung, und die Wähler wollen über ihre nationalen Parlamente über ihre Ausgestaltung mit entscheiden. Weitgehende, nicht durch die nationalen Parlamente demokratisch legitimierte Eingriffe in diesem Bereich werden den Frust der Bürger über und die Ablehnung der Europäischen Union nur vergrößern.

Deshalb muss sichergestellt werden, dass das transatlantische Freihandelsabkommen am Ende wie ein gemischtes Abkommen behandelt wird. Ein gemischtes Abkommen bedeutet, dass ein Abkommen auch die nationalen Kompetenzen betrifft, was hier ohne Zweifel der Fall. Ein solches Abkommen ist nur gültig, wenn alle nationalen Parlamente in der EU am Ende auch zustimmen. Es muss sichergestellt werden, dass die Kommission nicht versucht, das TTIP durch juristische Spitzfindigkeiten an den nationalen Parlamenten vorbei zu verabschieden. Das würde garantieren, dass die Kommission an dem größtmöglichen Rückhalt für das transatlantische Freihandelsabkommen interessiert ist und verhindern, dass Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte unter dem Einfluss von Lobbygruppen über Bord geworfen werden.

Die drei zentralen Forderungen an die EU-Kommission

Die erste zentrale Forderung an die EU-Kommission ist deshalb, die Verhandlungen über das Investitionsschutzabkommen unmittelbar einzustellen, so dass die Schiedsgerichte kein Teil des transatlantischen Freihandelsabkommens mehr sind. Die zweite zentrale Forderung an die EU-Kommission ist, sich öffentlich und verbindlich darauf festzulegen, dass das Abkommen als »gemischtes Abkommen« behandelt wird, also dass am Ende die Verabschiedung nur durch die Zustimmung der nationalen Parlamente erfolgen kann. Die dritte zentrale Forderung besteht darin, dass der Verhandlungsprozess transparenter ausgestaltet wird. Das ist auch die beste Weg sicherzustellen, dass sich die besten Standards durchsetzen und sich nicht am Ende Punkte im Freihandelsabkommen finden, die für die Bürger und ihre Vertreter in den nationalen Parlamenten unannehmbar sind.

Es liegt jetzt in der Hand der EU-Kommission Vorbehalte, abzubauen und verspieltes Vertrauen in die Absichten hinter dem Freihandelsabkommen wiederherzustellen, indem sie auf den Verhandlungspfad von Rechtsstaat und Demokratie zurückkehrt.

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Es wird immer schwieriger, ja unmöglich sich demokratisch einzumiscchen und zu erwarten, dass die Mehrheitsmeinung von Bürgern gehör findet und respektiert wird. Die Politik im Allgemeinen hat mit der Demokratie nicht viel im Sinn und das Ziel ist die völlige Entmündigung der Bürger, ihrer Parlamente und die Errichtung einer Diktatur der Konzernwirtschaft auf globaler Ebene. Karl Marx hat dazu eine wissenschaftliche Begründung geliefert. Im Ergebnis wird diese Entwicklung in eine neue Phase des Klassenkampfes münden. TTIP ist ein Instrument der Beherrschung der Lohnabhängigen zur Erzielung des Maximalprofits und ein Instrument zur Spaltung der Arbeitnehmerklasse.

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