Frei vom Vereinbarkeitsdruck

„Nicht schon wieder“, denke ich, weil ich mir als Mutter anhören muss, dass ich nur dann emanzipiert bin, wenn ich Kind und Beruf „vereinbaren will“.

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Alice ist gerade sehr gefragt. Sie hockt gut gelaunt in jeder bekannten Talkrunde des deutschen Fernsehens. Ich sah sie auch schon  auf Strümpfen mit Tommy tanzen und mit Günther um Millionen feilschen. Vielleicht ist die „Best Ager-in“ so vergnügt, weil sie ihren Job so gründlich erledigt und einen Trend mit erschaffen hat (doch: ohne Rücksicht auf Mütter und ihre Kinder)?
 
Viele, denen es bestens ins Wachstumsprogramm passt, posaunen mit ihr die Gerüchte hinaus in die postfeministische Welt: „Frauen haben sich geändert. 65 Prozent wollen mehr Kinderkrippen, weil sie auch mit Kleinkindern berufstätig sein wollen.“ „Nach OECD!“ hebt Alice dazu beschwörend den Finger, wobei sie mir die Erklärung schuldig bleibt, wer oder was das denn ist. Aber sie übt damit geschickt (Nach)-Druck aus – auf uns Frauen.
 
Doch so einfach kann ich das nicht stehen lassen. Erlebe ich doch eine ganz andere Wirklichkeit, als das, was mir hier verkauft werden soll. Ich will es genau wissen. Zuerst einmal schaue ich selbst nach und finde die „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD: Organisation for Economic Co-operation and Development). Aha, und diese Organisation betreibt Studien auch über Mütter? Was Frau Schwarzer uns nicht gesagt hat: Sie zitiert eine Studie aus dem Jahr 2003, in der es eigentlich um etwas ganz anderes ging. Unter den „65 Prozent“ steht mit Datum vom 04.11.2003: „Für viele Mütter in Japan, Irland und Österreich sind Beruf und Familie nicht vereinbar, so das Fazit einer neuen OECD Studie.“
 
Neu (aus 2009) ist nur die Studie zur Kinderarmut in Deutschland, und die nennt sie auch. Aber darin geht es wieder um etwas anderes. Es steht nichts von 65 Prozent Frauen darin, die mehr Kinderkrippen wollen. Bringt Frau Schwarzer da etwas durcheinander? Womit sie jedoch Recht hat: „Die Kinderarmut wird durch die Armut ihrer Mütter bedingt.“ Damit wären wir wieder beim Thema. Also sollen Mütter doch endlich arbeiten (können). Als täten sie das nicht schon. Sie sollen unentgeltlich arbeiten in der Familie - und gegen Entgelt außerhalb der Familie erwerbstätig sein. Das wird als Freiheit für Frauen im Sinne von Emanzipation und Gleichstellung verpackt.
 
Niemandem (in all diesen Talkrunden) kommt in den Sinn, dass eine Mutter, die ein oder mehrere Kinder groß zieht, bereits genug und hochqualifiziert arbeitet. Niemand kommt auf die Idee, dass besonders kleine Kinder nicht wirklich gut versorgt und glücklich sind, wenn sie zu früh und zu lange von ihrer Mutter getrennt und „fremd betreut“ werden. Dass die „Krippe“ eine Belastung für beide ist, und keine Entlastung für die Mutter. Aber auch die großen Kinder brauchen viel wichtigen Input von ihren Müttern – und das erfordert Zeit und körperliche, geistige und seelische Kraft.
 
Warum mutet man Müttern ganz selbstverständlich noch eine weitere, sie fordernde Tätigkeit außerhalb der Familie zu? Nicht, dass Mütter nicht einen weiteren Beruf ausüben sollen, wenn sie das möchten. Aber dass sie „müssen“, um mit ihren Familien überleben zu können, ist ein Skandal. Ebenso, dass sie diskriminiert werden, wenn sie ganz für ihre Kinder da sein wollen. Denn, liebe Frauen, wer glaubt schon ernsthaft, es ginge um unsere Freiheit, wenn uns die Wege zur „Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Kindern“ geebnet werden?
 
Die Berufswelt in einer westlichen Wirtschaftsnation ist nicht an den Bedürfnissen von Müttern und Kindern orientiert. Ganz nüchtern betrachtet ist die „Vereinbarkeit“, die angepriesen wird, eine Situation, die für Mütter und Kinder sehr anstrengend ist. „Gleichstellung“ bedeutet für Mütter, dass sie sich mit ihren Kindern an ein System anpassen müssen, das gar nicht für sie und schon gar nicht von ihnen geschaffen wurde.
 
Mütter „gleich“ machen zu wollen, ist absurd. Eine Mutter ist eine Mutter. Jede Mutter ist einzigartig und nicht austauschbar. Ebenso sind ihre mütterlichen Qualitäten für ihr Kind optimal und eine fremdbetreuende Person steht zum Kind immer in einer anderen Beziehung, die nicht mit der zur Mutter vergleichbar ist.
 
Eine Leserin drückte dies mit nachvollziehbaren Worten aus: „Gegen das Gender Mainstreaming (GM) gibt es doch mehr Widerstand, als es allgemein in der Presse dargestellt wird. Ich sehe GM als eine weitere patriarchale Lüge, die diesmal sehr subtil als Frauenglück verpackt daher kommt. Auf erschreckende Weise machen sich die bekannten Journalisten zum Sprachrohr dieser Ideologie, weil sie als solche nicht investigativ entlarvt wird.
 
Ich bin selbst Mutter einer Tochter (18) und eines Sohnes (15) und habe recht bald nach der Geburt meiner Kinder gespürt, dass der Feminismus nach Schwarzer nicht für Mütter und schon gar nicht zum Wohl der Kinder (zu denen ja auch die künftigen Frauen gehören) erfunden wurde. GM ist nun eine Weiterentwicklung, die natürlich den wirtschaftlichen Interessen dient, aber auch, und das ging dem voraus, dem Geldbeutel der Vordenkerinnen dieser Pseudowissenschaft.
 
„Ich habe eine Patchworkbiographie, über die ich keineswegs unglücklich bin. Wenn ich etwas hätte ändern wollen, dann war es nur die Zerrissenheit, die Berufsorientierung und der Egoismus meiner Familie, weshalb ich keine großmütterliche Unterstützung hatte. Dies sehe ich daher als gesellschaftliche Herausforderung. Wir können alle durch Aufklärung über diese sehr gegenwärtigen Probleme und die Tatsache, dass es auch anders geht - weil es mal anders ging - dazu beitragen, dass es unseren Töchtern und auch Söhnen besser ergeht.“
   
Worte wie diese können uns den Schwung geben, uns nicht mehr unter den „Vereinbarkeitsdruck“ setzen zu lassen und uns beherzt für die wirklichen Bedürfnisse von Müttern und ihren Kindern einzusetzen.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf "muetterblitz.de"

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Pauline

@ /ajk
sehr guter Kommentar, vor allem der letzte Absatz ist wunderbar.

Gravatar: Nicole

Super, sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen! Mein Ehemann war jetzt fast ein Jahr arbeitslos, dadurch konnte ich endlich wieder anfangen zu arbeiten, meine Söhne sind 12 und 9 Jahre alt, ohne mir Sorgen machen zu müssen,wohin mit den Beiden? Für mich kam keine Tagesmutter in Betracht und die Betreuung in der Schule(Nachmittags bis 16 Uhr, der Friseurladen ist aber bis 19 uhr geöffnet) passte von der Uhrzeit gar nicht und alleine lassen: NIEMALS!
Jetzt hat mein Mann wieder Arbeit und ich bin ja nicht mehr "flexibel", na wer wird jetzt durch eine andere Friseurin ersetzt? Tja, das wars mit dem Job...
VlG an alle Mütter die arbeiten wollen und nicht können, weil nur wir "gebären"( schöne Grüße an ajk).

Gravatar: ajk

Warum ist GM jetzt eine "Patriarchale Lüge" wenn GM doch von Homosexuellen Verbänden und ihren komischen "Frauenbefreiungsverbänden" erfunden, eingeführt und durchgesetzt wurde? Wenn GM massgeblich von Männerfeinden und Gesellschaftsfeinden durchgesetzt wird?

Wieso soll die Wirtschaft daran interessiert sein, das Frauen ebenso arbeiten wie männer? Wer arbeitet konsumiert nicht. Und wer gestresst und unkonzentriert arbeitet, arbeitet schlecht. Und wenn keine Kinder mehr da sind die als neue Arbeiter aufwachsen, dann gibt es auch keine Wirtschaft mehr.

Was für ein seltsames Weltbild dier Zitierten Dame. Vor allem Wirtschaftsfremd.

Ach ja, ich finde Frauen sollten vor allem Kinder bekommen. Arbeiten kann ich selbst. Nur Kinder kann ich keine Gebären. Und die Frau die das Kind gebiert, ist die welcher ich als Mann meinen Nachwuchs anvertraue. Etwas wertvolleres gibt es nicht. Aber was red ich, Männer und Gefühle das gibt es ja gar nicht..

/ajk

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