Franziskus: „Ein Christ, der nicht für die Regierenden betet, ist kein guter Christ!“

Ob der Papst sich mit der politischen Landschaft in ganz Europa auseinandersetzt, ob ihm bewusst ist, dass in Deutschland am kommenden Sonntag Bundestagswahlen sind, entzieht sich meiner Kenntnis.

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Man könnte es aber fast annehmen, wenn man seine Predigt vom gestrigen Montag betrachtet, die auf kath.net in Teilen wiedergegeben ist. Wie vielleicht bekannt ist, feiert der Papst täglich die Heilige Messe, meist in der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“ und predigt dort aus dem Stehgreif über Lesungen und Evangelium.

In der gestrigen Predigt verweist der Papst passend zur politischen Entscheidungslage in Deutschland auf zwei Grundtugenden von Regierenden:

Man kann nicht ohne Liebe zum Volk und ohne Demut regieren! Jeder Mann, jede Frau, die einen Regierungsdienst übernehmen sollen, müssen sich diese zwei Fragen stellen: ‚Liebe ich mein Volk, um ihm besser zu dienen? Bin ich demütig und höre ich alle anderen an, die unterschiedlichen Meinungen, um den besten Weg zu wählen?’ Wenn sie sich diese Fragen nicht stellen, so wird ihre Regierung nicht gut sein. Der Regierende – sei es Mann oder Frau –, der sein Volk liebt, ist ein demütiger Mann oder eine demütige Frau.

Das wäre dann so etwas wie ein Generaltest, mit dem man als Wähler die Parteien und ihr Führungspersonal beurteilen kann. Vermute ich bei den Kandidaten eine Liebe zum Volk und eine Demut, die aus dieser Liebe entspringt? Oder muss ich befürchten, dass Machtwille und der Wille zur Durchsetzung der eigenen Ideen Vorrang hat vor der Liebe zum Volk? Das ist natürlich vergleichsweise abstrakt, stellt aber dennoch die Grundlage einer Wahlentscheidung, die mit dem Gewissen vereinbar sein soll, dar. Man könnte nämlich auch einen Umkehrschluss ziehen: besser eine Partei oder einen Kandidaten wählen, dessen Position ich zwar nicht teile, dem ich aber die Sorge um und die Liebe zum Volk abnehme, als einen, der meine Position vertritt aber nur aus politischem und persönlichem Kalkül heraus! Ersteren kann man vielleicht davon überzeugen, dass eine andere Position noch besser sei für das Volk, letzteren müsste man schon mit Argumenten kommen, die ihm selbst dienlich sind, egal ob sie dem Volk dienen oder nicht. Jeder mag sich seine Gedanken dazu machen, inwieweit sich die Parteien und ihre Kandidaten hier unterscheiden.

Persönlicher für jeden Wähler wird allerdings die Katechese, die der Papst über die Lesung aus dem ersten Timotheusbrief darlegt. Dort geht es nämlich um die Verantwortung aller Menschen für die Regierung und die Politik:

Keiner darf sagen: ‚Aber damit habe ich nichts zu tun, die da regieren...“. Nein, nein, ich bin verantwortlich für ihre Regierung und muss das Beste tun, damit sie gut regieren, und ich muss das Beste tun, indem ich an der Politik Anteil nehme, so gut ich kann. Die Politik, so die Soziallehre der Kirche, ist eine der höchsten Formen der Nächstenliebe, da sie darin besteht, dem Gemeinwohl zu dienen. Da kann ich mir nicht die Hände in Unschuld waschen, ja? Wir alle müssen etwas tun!

Damit weist der Papst zudem auch Spekulation ab, die darauf hinauslaufen, Politik sei etwas, in das sich ein guter Christ nicht einmischen solle. Dem Gemeinwohl zu dienen ist Aufgabe der Politik und wir alle sind damit aufgefordert, dieses Dienen zu unterstützen. Natürlich gibt es dabei politische Richtungen, die abzulehnen sind, ein Heraushalten aus der Politik ist aber nicht der Weg eines Christen: auch der Versuch, die politischen Rahmenbedingungen im privaten oder halböffentlichen Leben zu ändern, ist Politik und muss sich für einen Christen am Gemeinwohl orientieren. Der eine oder andere meint in diesem Zusammenhang vielleicht, dass er selbst doch gar nicht viel ändern könne – aber auch das ist keine christliche Einstellung! Immerhin können wir die Politik mit dem – wenn wir daran wirklich glauben! – mächtigsten Instrument unterstützen, dass uns zur Verfügung steht! Der Papst dazu:

Ein guter Katholik mischt sich in die Politik ein und bietet das Beste seiner selbst, damit der Regierende regieren kann. Was aber ist das Beste, das wir den Regierenden anbieten können? Das Gebet. Das ist es, was Paulus sagt: ‚Gebet für alle Menschen und für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben’. ‚Aber Pater, das ist ein schlechter Mensch, der soll sich zum Teufel scheren...’. ‚Bete für ihn, bete für sie, damit er gut regieren könne, damit er sein Volk liebe, damit er demütig sei!’ Ein Christ, der nicht für die Regierenden betet, ist kein guter Christ! ‚Aber Pater, wie soll ich für diesen beten? Das ist ein Mensch, der nicht in Ordnung ist...’ ‚Bete, damit er umkehre!’ Beten. Und das sage nicht ich, sondern der heilige Paulus, das Wort Gottes.

Wenn wir also annehmen, dass die Wahl für einen Großteil der Christen so ausfällt, dass sie das Ergebnis nicht für das bestmögliche halten, die neue oder alte Regierung ablehnen, gegen die Politik der von der Mehrheit gewählten Parteien und Kandidaten kämpfen und ihr vielleicht sogar die Liebe zum Volk und die Demut zum Regieren nicht abnehmen – dann ist es an uns, eine solche Regierung durch unser Gebet zu unterstützen, damit sie das „Volk liebe und demütig sei“. Das bedeutet nicht, dass der politische Einsatz (im herkömmlichen Sinne) gegen eine Regierungspartei nicht erlaubt sei, die erste und wichtigste unserer Pflichten ist aber, auf eine „gute Regierung“ hinzuwirken, und dazu ist nach einer Wahl das beste Mittel, dass wir uns weiter einbringen

Ideen, Vorschläge, das Beste, das Beste vor allem anderen aber ist das Gebet. Beten wir für die Regierenden, damit sie gut regieren, damit sie unser Vaterland, unsere Nation auch in der Welt vorwärts bringen, damit Frieden und Gemeinwohl herrschen.

Eine Wahlempfehlung werde ich auf diesem Blog nicht geben, was auch daran liegt, dass es keine Partei gibt, deren Wahlprogramm und Politik ich vollständig unterstütze. Aber wählen werde ich in der Hoffnung, dass ich richtig liege mit der Vermutung, dass die von mir gewählte Partei dem oben formulierten Anspruch noch am nächsten kommt, und anschließend – so nehme ich mir das jedenfalls vor – werde ich die neue Regierung mit meinem Gebet begleiten, aller Widersprüchen die ich gegen sie habe zum Trotz … oder gerade deshalb!

Beitrag erschien zuerst auf: papsttreuer.blog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

@ FDominicus

Ich bete jeden Tag, damit diese Regierung endlich verschwindet.

Mehrmals!!!

Gravatar: FDominicus

Ich war mir immer unsicher aber dank des Titels blicke ich nun durch:
"Franziskus: „Ein Christ, der nicht für die Regierenden betet, ist kein guter Christ!“"

also den, bin ich halt kein guter Christ. Für Regierende zu beten fiele mir nicht im Traum ein, für die Regierten zu beten ist dagegen notwendig. Denn Regierende schicken diese gerne auf die diversen Schlachtfelder.

"Man kann nicht ohne Liebe zum Volk und ohne Demut regieren! Jeder Mann, jede Frau, die einen Regierungsdienst übernehmen sollen, müssen sich diese zwei Fragen stellen: ‚Liebe ich mein Volk, um ihm besser zu dienen? Bin ich demütig und höre ich alle anderen an, die unterschiedlichen Meinungen, um den besten Weg zu wählen?’ Wenn sie sich diese Fragen nicht stellen, so wird ihre Regierung nicht gut sein. Der Regierende – sei es Mann oder Frau –, der sein Volk liebt, ist ein demütiger Mann oder eine demütige Frau."

Das ist wahrscheinlich ernst gemeint. Sarkastische gesehen wäre es allerdings ein Volltreffer.

"Ideen, Vorschläge, das Beste, das Beste vor allem anderen aber ist das Gebet. Beten wir für die Regierenden, damit sie gut regieren, damit sie unser Vaterland, unsere Nation auch in der Welt vorwärts bringen, damit Frieden und Gemeinwohl herrschen."

Ok das halte ich mal voll gegen. Aus einem Buch eines Jägers:
".. irgendwie und -wo dem Staat, diesem rätselhaften Phantom, das durch die Geschichte der Völker geistert und mit der Vermehrung der Menschheit noch unheimlicher und mächtiger geworden ist als in den Tagen Spartas und des alten Roms.
Eine angeblich menschliche Einrichtung ist er, der sein dämonisches Grundwesen aber nie verbergen konnte, Garant der Kriege, Brecher der Rechte, Träger aller Gewalttaten gegen das Einzellebewesen, vom Einbruch in den Hausfrieden, von Erpressung und Raub bis zur Einkerkerung, Folter und Mord. Es gelingt wohl dem hochstehenden Gesetzgeber, ja manchmal sogar höchstentwickelten Völkern, den Dämon für eine Weile nutzbringend hinter das Joch zu spannen, aber dann ist's als riefe er andere aus der ganzen Welt zu Hiilfe. Es hat noch kein Dämon dem Glück der Menschheit dauerhaft gedient.
...
Und er (der Staat v. Autor) wendet trotz der gegebenen Garantien allen Scharfsinn auf, das Eigentum zu beschneiden, zu pfänden und am Wachstum zu hindern. Es gibt nur einen Feind des Eigentums, und der heißt Neid
...
"

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