Flüchtlingspolitik: Das politisch inkorrekte „aber“

In Zeiten von #refugeeswelcome ist es schwer, einen klaren Kopf zu bewahren. Man sollte Emotionen nicht ausschalten, sich aber auch nicht von ihnen alleine leiten lassen.

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Wie ein kleines Wort es auf den medialen Index schaffen kann, erleben wir gerade in diesen Tagen. Versuchen Sie doch mal ein öffentliches Gespräch mit folgender Formulierung zu befeuern: „Ich habe nichts gegen Flüchtlinge/Ausländer/Asylanten/…, aber …“ Sie werden schnell merken, was ich meine. Die Medien und die Gesellschaft fordern da die reine Feststellung, sowas wie einen gefühlten Imperativ „Ich habe nichts gegen Flüchtlinge! – Basta!“. Das anschließende „aber“ macht einen heute nur verdächtig, es doch nicht ganz ehrlich zu meinen. Und in Zeiten, in denen sich ganz normale Menschen darin überbieten, wer die ausgeprägteste Willkommenskultur aufzuweisen hat, wird so ein „aber“ schnell zu einem Kriterium, einen „Asylkritiker“, der eigentlich ein verkappter Rassist sein muss, zu identifizieren. Darum möchte ich für dieses „aber“ eine Lanze brechen.

Wir haben in unserem Heimatort eine Turnhalle, in der Flüchtlinge zur Erstaufnahme aufgenommen werden. Meine Frau und ich waren da, und es sind in der Tat überwiegend Familien mit Kindern, die dort Zuflucht gefunden haben, angabegemäß die meisten aus Syrien, ob tatsächlich Flüchtlinge kann ich nicht beurteilen. Wer die Dankbarkeit dieser Menschen für Sachspenden erlebt hat, der wird schwerlich umhin können, es richtig zu finden, diesen Menschen Schutz zu gewähren. Wie es der Schriftsteller und Journalist Michael Klonovsky in seiner Kritik an der Verwendung des Bildes des kleinen Aylan Kurdi geschrieben hat: „Kein zurechnungsfähiger Mensch, auch nicht bei Pegida, der AfD und in anderen Etagen der Unterwelt, hat sich nämlich gegen die Aufnahme tatsächlicher Flüchtlinge ausgesprochen (und wenn, dann Schande auch über diese Figuren).“

Darin steckt schon das „aber“, dieses „aber“, das uns auch in einer Zahl begegnet: 800.000! Das ist die Zahl, die regierungsseitig an zusätzlichen (!) Flüchtlingen für 2015 prognostiziert wird. 800.000 von denen wir wissen, dass es nicht alles Flüchtlinge sind, jedenfalls nicht nach deutschen rechtlichen Kriterien. Natürlich fliehen die meisten von ihnen vor einer Notsituation, aber ob die ein Asyl in Deutschland rechtfertigt, darüber kann man Zweifel haben.

Ich will mich hier nicht an spekulativen Zahlen verbrennen, aber wenn nur ein erklecklicher Teil dieser 800.000 Flüchtlinge kein Asyl in Deutschland bekäme, dann wäre die Rückführung dieser Menschen in ihre Heimat schon alleine ein logistisches Problem, allerdings auch, je länger sie hier sind, ein menschliches, gerade wenn es Kinder betrifft. Und alle 800.000, egal aus welchem Grund sie bei uns gelandet sind, haben ein Recht auf menschenwürdige Behandlung. Ob die Leistungen, die sie in Deutschland bekommen, Sachleistungen und ein Taschengeld, angemessen sind, darüber kann man streiten. Rein rechtlich müssen sich die Leistungen offenbar an den Hartz-IV-Sätzen orientieren – was wohl in der Regel ein deutlich besseres Einkommen sein wird, als diese Menschen es zu Hause gehabt haben (wohlgemerkt „in der Regel“, nicht allgemein).

Wenn diese 800.000 nun nach Hause melden, wie sie in Deutschland aufgenommen werden, mit jubelnden Menschen am Bahnhof und einen guten Auskommen, Mahlzeiten und einem Dach über dem Kopf – wer wollte es den Daheimgebliebenen verübeln, sich auch Gedanken darüber zu machen, ob sie nicht hierherkommen wollen? Die Folge ist, dass wir auch in den kommenden Jahren mit ähnlichen Größenordnungen an Flüchtlingen rechnen müssen … weil die Krisen in der Welt (und ich werde jetzt auch nicht darüber spekulieren, wer für die verantwortlich ist) nicht weniger werden, weil die Wirtschaft in Deutschland das auch noch eine Weile aushalten kann, und weil sich auch so schnell niemand trauen wird, den mahnenden Zeigefinger zu heben.

Die 800.000 kommen dazu überwiegend aus anders geprägten Kulturen, selbst wenn sie aus Südosteuropa kommen. Und sie treffen dann auf ein Land, das sich geniert, von den Menschen, egal ob Flüchtlinge, Migranten oder Gästen, tatsächliche Integration zu verlangen: die Sprache lernen, die Kultur respektieren … schnell ist das von Assimilierung die Rede und ich frage mich, was eigentlich so schlimm daran ist? Wir alle assimilieren uns jeden Tag – ganz freiwillig – in der Familie, unter Freunden und im Beruf, weil unser Leben sonst schrecklich kompliziert würde, unnötige Konflikte aufbrechen. Aber in einem Land, in dem schon das Wort „Leitkultur“ verbrannt ist, lassen sich solche Forderungen von Politikern und Medien kaum ohne Blessuren aufstellen.

Das alles, die Aufnahme von in diesem Jahr knapp einer Million Flüchtlingen, wobei davon auszugehen ist, dass das in den kommenden Jahren nicht weniger wird, deren Versorgung, nicht nur mit dem Nötigsten sondern mit auch mit „normalen“ Standards wie Wohnungen, die Bemühungen zur Integration inklusive Sprachkursen, die Prüfung der Asylberechtigungen, die Rückführung in die Heimatländer – wenn überhaupt möglich -, die sozialen Implikationen bishin zur notwendigen Berufsausbildung oder Umschulungen, wird Geld und vielen guten Willen kosten. Mehr Geld, als es die betreffenden Flüchtlinge selbst zumindest kurzfristig werden erwirtschaften können, und mehr Geld – davon darf man erfahrungsgemäß ausgehen – als die Politik Glauben machen will. Und mehr guten Willen, als das im Moment offenbar wird.

Und ob die Integration damit wirklich gelingt, oder ob die religiösen und kulturellen Unterschiede nicht zu scharfen Verwerfungen führen werden, ist alles andere als ausgemacht. Ich bin keine Kassandra die Bürgerkriege an die Wand malt, aber Konfliktstoff ist mit dem beschriebenen Konglomerat ausreichend vorhanden. Vorsicht ist also angesagt, vor allem, wenn behauptet wird, das sei alles recht einfach zu lösen.

Um es also noch mal zu sagen: Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, schon gar nicht gegen Familien, die vor dem Terror der IS oder dem Terror des Assad-Regimes zu uns fliehen. Ich habe auch nichts gegen Menschen, die der wirtschaftlichen Not bei uns zu entfliehen versuchen. Aber mit einem Plakat „#refugeeswelcome“ und am Bahnhof überreichten Blumen werden sich die sich abzeichnenden Probleme nicht lösen lassen. Und bei in den kommenden Jahren zu erwartenden mehreren Millionen Flüchtlingen wird es nicht ausreichen, dass wir unsere Speicher nach ausgemusterten Kinderwagen und Kleidung als Sachspenden durchforsten.

Eine sogenannte Willkommenskultur wird sich erst dann beweisen, wenn sie uns wirklich etwas kosten wird. Das wird kommen, wir werden dem nicht aus dem Weg gehen können. Wir werden Antworten finden müssen auf Fragen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Und bei aller Abneigung gegen Kollektivismen: Es ist nicht absehbar, dass es für die anstehenden Problematiken individuelle Lösungen geben wird.

Es ist wunderbar, wenn heute viele Deutsche die Flüchtlinge willkommen heißen. Fahrlässig handeln aber heute diejenigen, die das „aber“ am liebsten in der Mottenkiste des „Rechten“ verschwinden lassen wollen.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: FreeSpeech

Ob die Leistungen, die sie in Deutschland bekommen, Sachleistungen und ein Taschengeld, angemessen sind, darüber kann man streiten. Rein rechtlich müssen sich die Leistungen offenbar an den Hartz-IV-Sätzen orientieren – was wohl in der Regel ein deutlich besseres Einkommen sein wird, als diese Menschen es zu Hause gehabt haben (wohlgemerkt „in der Regel“, nicht allgemein).
Ist leider völlig unbrauchbar...
Die Menschen leben mit dem Geld ja nicht in ihrer Exheimat, sondern hier.
Und hier müssten sie dasselbe Leben fristen, wie es ein gekündigter 50 jähriger HartzIV Empfänger auch muss. Wenn erst mal Strom bzw. Telefon/Internet, womöglich erhöhte Mietkosten bezahlt sind, bleiben von den 400 Euro gerade mal 300 zum Leben übrig.
(Ich hasse Selbstversuche - weil sie nicht annähernd das unwürdige Leben widerspiegeln).

Gravatar: Andreas Schneider

Herr Honekamp, wieso noch Tinte für ein "aber" verschwenden, wenn es doch "" allein schon tut?

Ich bin ein Bürger dies Landes (korrekt?), und die Situation sehe ich mit einiger Besorgnis. Liege ich also völlig falsch, wenn ich mich als besorgten Bürger bezeichne?

Aber werfen Sie einmal einen Blick in vom - wie Herr Kelle sagen würde - "Staatsfunk" betriebenen Seiten in einem bekannten sozialen Netzwerk.

Dort gibt es keine besorgten Bürger. Sehr wohl jedoch "besorgte Bürger". Und die jubelnde Anhängerschaft auf dieser Seite erkennt allein an solchen Nuancen, bei welchen ihrer Mitforisten sie es mit einem "Nazi" zu tun hat, den jeder Teilnehmer selbstverständlich als "doof" empfinden und dies öffentlich bekunden muss, um sich nicht dem verdienten Shitstorm ausgesetzt zu sehen.

Die arrogante Überzeugung und Uneinsichtigkeit dieser Sturmtruppen des "Mainstreams" hat vor meinem gheistigen Auge bisweilen ein sehr düsteres Bild erzeugt: ich stehe zwei deutlich getrennten Gruppen gegenüber. Deren eine setzt sich aus Braunhemden der 30er Jahre zusammen, die andere aus überzeugten "Gutmenschen". Beide Gruppen skandieren lauthals ihre Parolen.

Könnte ich sie optisch nicht auseinander halten, wüsste ich oftmals nicht, wen ich vor mir habe. Die Ideologien sind grundverschieden, aber die Mechanismen wiederholen sich. Leide ich etwa an Wahnvorstellungen?

Gravatar: Gernot Radtke

Über die ‚Willkommenskultur
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Diese ist zwar in aller Munde, aber ihr Begriff völlig unscharf, naiv und vor allem emotional aufgeladen. Was ist Willkommenskultur eigentlich und was kann sie entschieden nicht sein, wenn Hunderttausende unkontrolliert in ‚unser‘ Staatsgebiet einreisen, von denen uns anschließend 90% jahrelang / dauerhaft auf den Sozial-Taschen liegen werden, von den schon jetzt in vielen verslumenden Stadtvierteln sichtbaren Begleiterscheinungen ganz abgesehen?
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‚Willkommen‘ ist eine subjektiv-ethische Kategorie des Gewissens, der Gesinnung, der Freiwilligkeit, des Wohlwollens gegenüber dem Gast, der selbst gewollten und dann auch selbst bezahlten Großzügigkeit. Rechtlich - objektiv - erzwingbar oder verbindlich sind ethische Einstellungen und Handlungen nicht, wie auch nicht, sich überhaupt Gäste ins Haus einzuladen. Erzwingbar ist nur ein äußeres Verhalten, so der große (auch Moral- und Rechts-) Philosoph Immanuel Kant, in dem meine äußere (Handlungs-) Freiheit mit der aller anderen auf gesetzlich geregelte und für jedermann geltende Weise (nicht: durch Willkür oder pure Inbesitznahme) zusammenstimmen kann, z.B. im Straßenverkehr, wo es auf Gesinnungen nicht ankommt, sondern nur auf die Beachtung der Verkehrsregeln. Willkommen heißen kann ich meine vielköpfige Verwandtschaft nur, wenn ich sie zuvor eingeladen habe; steht sie aus eigenem Beschluß plötzlich vor der Tür, bleibt mir nur noch, das Beste daraus zu machen. Sie willkommen zu heißen und mich über den Überfall gar noch zu freuen, verlangt das Recht nicht. Ja, auch das persönliche Ethos (das individuelle Gewissen) verlangt dieses nicht, denn es gilt – nach Kants den Sachverhalt des Moralischen exakt disjungierendem Befund -, in allem ethischen Wohlwollen für die anderen auch die ‚Menschheit in meiner eigenen Person‘ hochzuhalten, sie, also mich mit der Menschheit in mir, nie, auch der Verwandtschaft zuliebe nicht, preiszugeben und mich so auch noch selbst zu einem Dispositionsgegenstand zu machen, über den, wie der zu ticken und zu funktionieren habe, nur noch die anderen entscheiden. Heuchelei ist immer die Folge, wenn Dinge, die der inneren Selbstgesetzgebung und der Selbsterziehung (der einzig wahren Erziehung) unterliegen, also Lebensmaximen, Lebensart, Kunstgeschmack, politische Einstellungen, Wirtschafts- und Konsummoralen, religiöse Präferenzen, wissenschaftliche Positionierungen, auch: Fußballfanschaften, zu einem kollektiv Allgemeinen des Rechtes und der ‚Kultur‘ gemacht werden, das am Ende nur noch durch (braunen, roten, grünen, regenbogenfarbenen) Gesinnungsterror und Blockwartsysteme aufrecht erhalten werden kann.
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Es gibt, außer unter Bedingungen des Himmels, in Wahrheit eine Willkommenskultur nicht, die beides zugleich, Willkommen und Kultur, wäre. Der Himmel hat keine offenen Grenzen für jeden, der einreisen will, und auch kein Schengen-Abkommen mit dem Teufel.
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Was ethisch und verdienstvoll am Willkommen ist, kann nicht kollektiv sein, sozusagen ein von den Generationen als Siegelring immer weitergereichter Kultur- und Vorzüglichkeits-Habitus der Deutschen im Gegensatz etwa zu einem Kleptokratie-Habitus der Griechen. Und was im kollektiv inszenierten Willkommensjubel daherkommt, ist in Wahrheit vor allem unmoralische Heuchelei, Hysterie, Selbstberauschung; von der Staatsmacht und allen Wohlfahrts-Profiteuren gewünschte und nach Kräften betriebene Realitätsvernebelung; von Einzelnen vielleicht noch gut gemeint, aber, wo ohne Verstand und Urteilskraft, am Ende nur noch schlecht gemacht.
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Was man am ganzen Gewese um die ‚Willkommenskultur‘ leider bemerken und beklagen muß, ist ein zunehmender Hang von Regierung wie Opposition, den Bürger mit Hilfe propagandistisch umgelogener Sachverhalte und Begriffe bis ins Hirn hinein für ein Staatshandeln empfänglich zu machen, in dem nicht die Freiheit des Bürgers zum Eichmaß aller (auch staatlich-politischen) Zwecksetzungen gemacht wird, sondern die (scheinbar moralischen) Zwecksetzungen der Politik zum Maßstab einer nun beliebig einschränkbaren Freiheit, worin der notorische Bruch von Verfassung, Rechtsordnung, internationalen Verträgen, egal, ob Eurorettung, illegale Migration, No-Go-Areas betreffend, zum längst selbstverständlichen Normalfall geworden ist. Das unanständig Verrückte dabei ist: dieser Marsch in den Totalitarismus des Rettungswahns aller Arten (Euro, Migranten, Klima) wird uns Bürgern fortwährend, vor allem vom linken Mainstream, als etwas vorerzählt, dem wir unser Willkommen nicht nur personal, sondern im Kollektiveinsatz auszusprechen und durch vielerlei Gesten auszudrücken haben. Das ist das Irrenhaus!
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Nicolaus Fest hat zur Willkommenskultur folgende pointierende Betrachtung angestellt: „„Wenn die Flüchtlinge schon hier sind, muss man sie auch gut behandeln.“ Einer der unhinterfragbaren Glaubenssätze der herrschenden Trivialcaritas (…). Tatsache ist: Fast 100 Prozent der hiesigen Asylbewerber und Wirtschaftsflüchtlinge melden sich unter klarem Verstoß gegen Dublin III. Richtig müsste es daher heißen: „Wenn die Einbrecher schon im Haus sind, sollte man ihnen auch Geld, Schmuck und ein Bett anbieten.““ (nicolaus-fest.de)

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