Flüchtlinge: Wo ist die politische Mitte?

In der Debatte um Flüchtlinge in Deutschland habe ich für alles Mögliche Verständnis. Was ich aber in den Nachrichten sehe, verschlägt mir die Sprache.

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Ich verstehe, wenn jemand angesichts der Hilfsleistungen für Flüchtlinge die Frage stellt, wer das alles bezahlen soll und welche Leistungen dafür eingeschränkt werden müssen. Ich verstehe, wenn manche Menschen die Sorge um Überfremdung umtreibt. Ich verstehe angesichts der Menge der Flüchtlinge, dass manche lieber die Grenzen schließen wollen. Ich verstehe auch, dass angesichts der vielen Flüchtlinge ohne Aussicht auf Asylstatus die gesamte Flüchtlingspolitik in Frage gestellt wird. Ich verstehe den besonders kritischen Blick auf angebliche oder wirkliche „Anspruchshaltungen“ von Flüchtlingen oder auf die Kriminalität von Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere aus uns eher fremden Kulturkreisen. Ich verstehe besonders die Skepsis gegenüber dem Islam und der Sorge, ob nicht mit den berechtigten Flüchtlingen auch nicht wenige Radikale Unterschlupf und Betätigungsfeld in Europa suchen.

All dieses Verständnis und die Dokumentation dessen macht mich für den einen oder anderen vermutlich schon zu einem „Rechten“, der den Radikalen auf diesem Weg zur Hälfte entgegen kommt. Damit werde ich leben müssen, da es den meisten offenbar leichter fällt, in einfachen Kategorien und Schubladen zu denken, die Grautöne lieber zu übersehen. So ist Verständnis für Asylkritik angesichts der Krawalle gegen Flüchtlingsheime zu einem Indiz „neurechten“ Denkens geworden. Der Kollektivismus feiert in der politischen Linken fröhliche Urständ!

Die Kritiker meines Verständnisses wird darum vermutlich das Folgende nicht weiter interessieren: Ich verstehe die Kritk an der Bundes- und EU-Politik in Bezug auf den Umgang mit den Flüchtlingen, weil mich auch der Eindruck beschleicht, dass dort eher planlos gehandelt wird und die Sorgen derjenigen, die damit tagtäglich umgehen müssen oder auch nur ein ungutes Gefühl beschleicht, nicht ausreichend Berücksichtigung finden.

Was ich aber nicht verstehe, ist, was derzeit in Teilen Deutschlands vor Flüchtlingsheimen passiert. Was ich nicht verstehe, ist, dass mit einem Schwerpunkt in einem Teil Deutschlands, aus dem vor nicht allzu vielen Jahren Menschen vor Unfreiheit und wirtschaftlicher Misere geflohen sind, so wenig Verständnis aufgebracht wird für Flüchtlinge aus eben solchen Verhältnissen. Ich verstehe nicht, wie wenig Abstraktionsvermögen Menschen haben müssen, dass sie statt der Politik und die Politiker die betroffenenen Menschen anschreien. Ich verstehe nicht, wie Menschen meinen können, Gewalttätigkeiten seien legitimer Ausdruck von Politik und berechtigter Sorgen. Und ich verstehe nicht, wie man Menschen, die vor was auch immer – Krieg, Verfolgung oder „nur“ Armut – aus ihrer Heimat geflohen sind, mit Böllern beschießt und beschimpft, als ob man ihnen das Menschsein absprechen wolle.

Dieses Unverständnis und die Dokumentation dessen macht mich für denen einen oder anderen vermutlich schon zu einem „Gutmenschen“, der den Linken auf diesem Weg zur Hälfte entgegen kommt. Damit werde ich leben müssen, da es den meisten offenbar leichter fällt, in einfachen Kategorien und Schubladen zu denken, die Grautöne lieber zu übersehen. So ist Verständnis für die Sorgen der Flüchtlinge angesichts der Menge der zu uns fliehenden Menschen zu einem Indiz „gutmenschlichen“ Denkens geworden. Der Kollektivismus feiert in der politischen Rechten fröhliche Urständ!

Denkt man in politischen Lagern, und auch daran kann man Kritik üben, dann finde ich mich unversehens von den Rechten in die linke, von den Linken in die rechte Ecke gestellt. Man kann das  negativ als „zwischen den Stühlen“ lokalisieren oder positiv in der politischen Mitte. Mein Gefühl, auch angesichts von Gesprächen im eigenen Umfeld, ist aber, dass das, was ich oben beschrieben habe, tatsächlich die Meinung der schweigenden Mehrheit ist: Man übt Kritik an der Flüchtlingspolitik und hat kein Verständnis für Übergriffe gegen Flüchtlinge, welcher Art auch immer. Diese Menschen wird man genau so wenig auf einer Pro-Asyl-Demo wie auf einer Pro-Deutschland-Demo sehen. Sie eint die Abscheu vor menschenverachtenden Parolen, sie beobachten aber auch sehr genau, wie Politiker und Offizielle agieren. Darum reicht es auch nicht, wenn Politiker jetzt die Krawallmacher vor den Flüchtlingsheimen in den Senkel stellen, sie müssen auch deutlich machen, wie sie mit der Flüchtlingsproblematik umzugehen gedenken.

Vielleicht würde es auch helfen, wenn der eine oder andere einfach zugäbe, dass einem angesichts von Millionen Flüchtlingen weltweit die Rezepte ausgegangen sind. „Der Staat“ wird es nicht richten können – stellt sich nur die Frage, wer sich nun aufgefordert fühlt, es zu richten? Weder die politische Rechte noch die Linke haben die Rezepte, die tragfähig sind – die politische Mitte ist gefragt. „Unser Problem“ ist nur: Lautsprechen ist nicht unsere Sache. Es wird aber Zeit, sich nicht nur in Fragen der Flüchtlingspolitik von den Extremen zu entfernen.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: moritz

Ich verstehe das schon, Zynismus ist aber eine Vorraussetzung zum Verständnis.

Wenn alles versucht ist fällt nunmal vielen nichts anderes mehr als Gewalt ein. Die Vorbilder dafür kommen dann auch noch zu Besuch und verhöhnen andere als Pack, dabei fällt denen sogar ohne alles Versucht zu haben häufig nichts anders ein als Gewalt und zwar tödliche militärische Gewalt.

Vielleicht wollen einige ja auch nur eine "Pufferzone" zwischen ihrem Zuhause und einem Auffanglager schaffen, für Pufferzonen haben Merkel und Co aktuell vollstes Verständnis.

Vielleicht hat der ein oder andere auch nur zu viele der Hasstriaden unsererr Mainstreampresse gegen die Griechen gelesen und denkt nun das gilt für alle die irgendwer als Schmarotzer deklariert.

Nicht alle erkennen bei den doppelten Standards der Transatlantiker welcher nun gerade für wen gilt.

Fliegen jetzt Drohnenbomben in deutsche Flüchtlingslager weil jemand drunter ist der es durch irgend einen Zufall/Metadatenabgleich auf eine US Todesliste geschafft hat? Wenn dadurch 20 weitere Unschuldige sterben ist das wie sonst auch vollkommen in Ordnung? Oder jetzt doch nicht weil es zwar die gleichen Menschen sind auf die man mit Drohnen schießt, aber diese jetzt an einem anderen Ort sind?

Wie soll Pack da unterscheiden?

Gravatar: Mathias B.

Na dann versuche ich Ihnen mal, etwas zu erklären, damit Sie besser verstehen. Ich habe diesen Text übrigens bereits zu einem Artikel in der Welt-online verfasst, worin es um warum und wie in Sachsen ging, mit völlig untauglichen Erklärungen des Interviewten:

Der Herr Richter (der Interviewte) ist wohl vor seiner eigenen Courage erschrocken, als er PEGIDA eine Bühne gab. Ich bin bekennender Anhänger von PEGIDA, eben auch, weil ich genau zu dem Profil passe, welches die Studie der TU-Dresden vom typischen PEGIDA-Anhänger erstellte - geboren schon 1955, Eltern Mittelschicht, Vater Leitungskader in einem staatstragenden Produktionsbetrieb, akademische Bildung (Dipl.Ing.) und vielseitig interessiert, eben auch stark politisch, nationalbewusst, konservativ im positiven Sinne, mit sehr guter Allgemeinbildung, die im westlichen Ausland markant erweitert wurde: Diese Leute haben eben die Fähigkeit, politische Zusammenhänge und gesellschaftliche Fehlentwicklungen, wie sie jetzt und schon länger im "Westen" und leider zunehmend auch im "Osten" auftreten, zu erkennen. Wenn (möglicherweise) einseitig gebildete, aber umso mehr ideologisierte Schreiber uns, und da meine ich ausdrücklich auch den sympathischen Herrn auf dem Fahrrad im Titelvideo, als Rechtsradikale oder gar Nazis verunglimpfen, dann muss man euch ganz klare Kante zeigen. Nicht wir müssen umerzogen werden - Ihr seid es, die Nachhilfe benötigen, Nachhilfe in gesundem Nationalbewusstsein, Nachhilfe im gesunden Verhalten von Politikern gegenüber ihren Wählern, die diese offenbar nur noch als Pack wahrnehmen, da sie ihnen nicht mehr willig folgen wollen.
Wenn Herr Richter (der Interviewte) nicht erkennen kann, wie geistig gesund die Sachsen im Vergleich zu anderen Deutschen noch sind, und er sich vor dem politischen Mainstream in den Staub wirft, muss ich ihn wohl oder übel in die Charge der Gegner unserer absolut berechtigten Ansichten und Ziele einordnen. Dabei kann ich mir ziemlich sicher sein, dass wir in der Mehrzahl sind, bleiben und zahlenmässig noch stärker werden. Verhältnisse wie in den alten Bundesländern, mit Salafismus, überbordendem Multi-Kulti, Genderwahn und anderen katastrophalen und gesellschaftszersetzenden linken und grünen Erscheinungen, werden wir nicht zulassen, nicht ohne uns dagegen tatkräftig zu wehren. Im Moment sind es die gewaltbereiten "Sturmtruppen", die nicht viel zu verlieren haben, die für die nötige Stimmung sorgen. Wenn dabei sog. Neonazis sind, ist das nicht zu vermeiden, aber deshalb sollte keine Panik aufkommen. Das Ziel ist erreicht, wenn kein "Asylant" oder "Flüchtling" aus völlig kulturfremden Gegenden überhaupt mehr in irgendeine ostdeutsche Gemeinde will, weil ihm bewusst wird, dass er und seine Leute hier nichts, aber auch gar nichts verloren haben und schon gar nichts zu gewinnen.

Gravatar: Ralle

Was Sie beschreiben ist, dass ein Riss durch Deutschland geht, der sich zu einem immer breiteren Graben entwickelt.

Ideologisch ist es sicher schwarz und weiss oder rechts und links.

In der Mitte ist das Unverständnis über die Gewalt von rechts UND links und das (Nicht-) Handeln der Politikerkaste, die eher wie Getriebene wirken denn als planvoll Agierende.

Die Aussetzung von Dublin ist eine Kapitulation vor dem Status Quo. Syrische Flüchtlinge werden ohne Ausnahme nun legal nach Deutschland einreisen können. Apropos: Wer stellt denn fest, dass diese Einreisenden alles Syrer sind?

Die deutsche Wirtschaft schreit nach Fachkräften. Pünktlich erscheint nun die Arbeitsmarktprognose für 2016

Bundesregierung warnt: Der Job-Boom geht zu Ende

http://www.focus.de/finanzen/news/arbeitsmarkt/prognose-fuer-2016-bundesregierung-warnt-der-job-boom-geht-zu-ende_id_4903834.html

Wohin nun mit den Fachkräften?

Sollte es nun auch noch zu einer weltweiten Rezession kommen, werden sich die Chancen für Migranten UND Einheimische weiter eintrüben.

Noch eine Gefahrenquelle:

Erdogan plant die Invasion Syriens. Weitere Flüchtlingsströme, insbesondere von Muslimen, werden die Folge sein.

http://www.n-tv.de/politik/politik_person_der_woche/Erdogan-startet-einen-grossen-Krieg-article15789036.html

Wissen Sie was ich von der Agressivität gegenüber Flüchtlingen halte? Ich fürchte, dass es sich dabei um traumatisierte Deutsche handelt. Von der Politik belogen, betrogen und zur Seite gedrängt. Alle sehen, dass für Flüchtlinge alles unternommen wird, vor allem scheinen unheimliche Geldmengen zur Verfügung zu stehen.

Viele Deutsche, so könnte ich es mir sehr gut vorstellen, würden sich freuen, wenn der Staat ihnen gegenüber so viel Verständnis entgegengebracht und Leistungen bereit gestellt hätte, sei es bei günstigem Wohnraum, bei der Unterstützung für junge Familien und dem Bieten von Anreizen für den Babywunsch und die Nachwuchsförderung, gerade in Bezug auf die Geburtenrate, dann noch sichere Arbeitsplätze usw. usf.

Irre ich mich?

Der Staat ist schwarzweiß, der Staat ist gut und wer das nicht mitmacht ist schlecht, ein Rassist, Fremdenhasser oder sonst was. Der Staat ist ideologisch, demnach fußt er nicht mehr auf der freiheitlich, demokratischen Grundordnung, er hat diesen Weg bereits verlassen. Die Menschen in diesem Lande müssen sich entscheiden ob sie im folgen wollen oder ob sie sich als Patrioten im schwarzweißen Rassistentümpel wiederfinden wollen. Das geht schnell, Ideologen kennen keine Grautöne.

Gravatar: Stephan Achner

Wo ist die politische Mitte? Das ist doch ganz einfach. Die politische Mitte schläft unverändert ihren Schönheitsschlaf und wenn sie aufwacht, dann bereitet sie das Grillfest im Garten vor und diskutiert, ob man denn im nächsten Urlaub noch nach Griechenland oder in die Türkei fahren könne, weil es dort so viele Flüchtlinge gibt.

Die sog. politische Mitte ist doch unfähig, zur richtigen Zeit die richtigen Fragen zu stellen - geschweige denn sachgerechte Antworten zu finden. Vielmehr wartet man stets darauf, dass jemand kommt, der das eigene Denken weitgehend abnimmt. Man hat ja soviel zu tun: Arbeiten, Wohnen, Einkaufen, Urlaub planen und sich über die Nachbarn aufregen.

In der Mitte sitzt beim Menschen der Bauch. Und der ist bei den meisten Menschen voll und träge. Und so ist das auch mit der politischen Mitte, die sich hin und wieder aufrafft, bei einer Wahl ein Kreuzchen zu machen, damit man anschließend möglichst in Ruhe gelassen wird. In der politischen Mitte herrscht das Schweigen und die Sehnsucht nach jemand, der nach Vorne auf die politische Bühne geht, damit man dann entweder Buh oder Bravo rufen kann.

In Deutschland wurde und wird konkrete und zukunftsweisende Politik entweder durch sich als links verstehende Kräfte (so wie z.B. die Ostpolitik von Willy Brandt) oder durch rechtskonservative Kräfte (Adenauer-Zeit, Kohl) gemacht und so die für die jeweilige Zeit wichtigen und richtigen Impulse in die Gesellschaft gegeben. Das Einzige, was die politische Mitte so richtig gut kann, ist darauf zu warten, dass etwas passiert, wenn es Probleme gibt. So, jetzt höre ich aber auf mit meinen Respektlosigkeiten.

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