Fernseh-Falle

Beseligt vom Wagyu Entrecôte und vom Châteauneuf-du-Pape strebte ich gestern Abend in mein Berliner Hotel, wo ich, noch nicht richtig müde, zwar der Hotelbar-Falle aus dem Wege zu gehen wusste, aber im Zimmer sodann in die Fernseh-Falle tappte und dem Abend einen unnötig unappetitlichen Ausklang bescherte.

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Es lief die Sendung eines Moderators namens Lanz, und dort gastierte unter anderen ein Sohn des NS-Juristen und Generalgouverneurs von Polen, Hans Frank, welchletzterer bekanntlich 1946 zu Nürnberg durch den Strang vom Leben zum Tode befördert worden ist. Besagter Sohn, Niklas mit Namen und dem äußeren Schein entgegen noch ziemlich lebendig, hausiert schon seit vielen Jahren damit, Nachkomme eines nationalsozialistischen Großverbrechers zu sein; er hat auch mindestens ein Buch darüber geschrieben, wie er sich dabei so fühlt, ganz schlecht nämlich. Das kann man tun, muss man nicht; andere in ähnlicher Situation gehen diskreter mit ihrem grässlichen Pedigree um. Frank junior präsentierte dem TV-Publikum das bekannte Foto seines Vaters, das die Alliierten unmittelbar nach der Hinrichtung schossen (die Schlinge noch um den Hals), welches er nach eigener Auskunft ständig bei sich trägt, um sich zu vergewissern, dass die Vaterbestie tatsächlich tot sei, wobei ihm das Bild zugleich verdeutliche, dass er ihn nie los werde. Sprach Niklas Frank. Mit anderen Worten: Der Mann ist entweder ein Fall für den Psychiater oder/und für die moralisch-erbauliche Abendunterhaltung. Womöglich hat er schwer einen an der Waffel, aber er macht das selbstvermarktungsmäßig Beste aus seiner verkorksten familiären Situation. Soweit der noch erträgliche Teil der Freakshow.

Um allfälligen Missverstehern kein Futter zu geben: Es war überaus löblich, Hans Frank aufzuhängen. Ich bin völlig unsentimental, was die Tötung von Kindermördern bzw. gar Kindermassenmördern angeht, und wer von 1939 bis Anfang 1945 in Polen – bei allen Kompetenz-Uneindeutigkeiten des NS-Systems – das Sagen hatte, sollte nicht deutlich länger auf diesem Planeten verweilen dürfen. Mir wäre es im nachhinein natürlich weit lieber, Polen hätten ihn aufgehängt oder Juden oder, am allerbesten, Deutsche, aber gut, halte man von den Nürnberger Prozessen und den dort produzierten Urteilen, was man will, die Hingerichteten hatten ihren Tod vollauf verdient (Jodl vielleicht ausgenommen), und man kann sich den Henker eben oft nicht aussuchen.

Zurück indes zu Frank junior. Sein Schicksal ist, wie gesagt, beklagenswert, und man soll ihm vieles nachsehen, auch in einer vaterlosen Gesellschaft. Nur eines allerdings nicht, nämlich dass er recht ungeniert versucht, aus der konkreten Schuld seines Daddys und all der anderen NS-Vögte und -Schlächter eine Schuld der Deutschen zu machen, die seinen Darlegungen zufolge sogar bis in die von ihm mit seinen Exhibitionismen traktierte Gegenwart währt. Dass der Nazisohn ein Nazivolk herbeifabuliert, mag ein psychologisch verständlicher Vorgang sein, insofern er seinen Generalgouverneurspapa mehr oder weniger unbewusst teilzuentlasten sucht, indem er möglichst viele Deutsche mit auf die Anklagebank zu setzen wünscht, ungefähr so wie man Säure verdünnt, indem man Wasser dazugibt. Das Gerede von kollektiver Schuld ist jedoch die größtmögliche Verharmlosung des tatsächlichen Nazismus. Die sogenannte Vergangenheitsbewältigung dieses Landes besteht zu einem erheblichen Teil darin, dass die Täter-Abkömmlinge das gesamte Volk mit ins Joch ihrer Bußrituale nötigen wollen. Aber das – da werde ich wieder ganz unsentimental – müssen die Nazi-Nachkommen schon mit sich selber ausmachen. Diese Jacke zieht sich unsereins ganz gewiss nicht an.

Beitrag erschien zuerst auf: michael-klonovsky.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Klaus Reinhardt

Sehr geehrter Herr Klonovsky,
danke. Ich bewundere Sie, dass Sie diese Schwachsinnssendung wohl ganz verfolgt haben.
Ich habe abgeschaltet. Es war einfach zum Ko..... .
Es ist aber heute Methode, die Auswirkungen des 12-Jahre währenden 1000-jährigen Reiches zur Kollektivschuld besonders unserer Kinder und Enkel zu machen. Ich wehre mich dagegen öffentlich in meinem Umfeld z.B. zum Thema "Stolpersteine" und werde von intelligenten Menschen, die mir eigentlich zustimmen, als "mutig" bezeichnet. Ich habe mit Vergnügen gerade Ihre Aufsätze in "Lebenswerte" genossen; ein Buch zum Verschenken.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Reinhardt

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