Feindesliebe und Selbstverleugnung: Käßmann hat Recht … und Unrecht!

„Terroristen mit Liebe begegnen“? Der Vorschlag von Margot Käßmann klingt christlich, vergisst aber die Mehrzahl der Opfer. Darum ist er gefährlich!

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Was man als Christ gar nicht gerne hört, ist der Vorwurf, unchristlich zu denken oder zu handeln. Die normale – menschliche – Reaktion ist dann, diesen Vorwurf erst mal rundheraus abzulehnen, sich im Zweifel auf die Suche zu begeben, warum das eigene Handeln genau dem entspricht, wie Jesus selbst handeln würde. Das ist für viele normale Fragestellungen auch gar nicht so kompliziert: Mit den Zehn Geboten und der Bergpredigt hat man schon eine ganze Menge erledigt, nimmt man noch die Hinweise aus den Ankündigungen zum Gericht hinzu, kommt man im Leben schon recht weit. Andere Dinge sind weitaus schwieriger zu fassen, einfach weil der damalige Kontext – zu Moses oder zu Jesu Zeiten – ein ganz anderer war und man sich schwertut mit einer Übertragung. Als Beispiel mag die Gentechnik dienen, die helfen kann, den Hunger in der Welt zu lindern, die aber auch Risiken birgt und einen menschlichen Eingriff in die Schöpfung darstellt, dessen Legitimität man anzweifeln kann. Was würde Jesus tun? Gar nicht so leicht zu sagen!

Und genau vor dieser Schwierigkeit steht jeder, der sich mit islamistischem Terror und seinen Greueltaten auseinandersetzt. Die normale – menschliche – Reaktion ist Abscheu und auch das Bedürfnis, Rache nehmen zu wollen. Ich selbst kann mich bei manchen Bildern kaum beherrschen, den Terroristen nicht rundheraus das Menschsein absprechen zu wollen: Wenn man zu allgemeinen menschlichen Eigenschaften auch die Rationalität einerseits und die Empathie mit den Mitmenschen andererseits zählen möchte, sind dann IS-Terroristen Menschen? Bei genauerer Betrachtung fällt mir aber auch auf, dass es sich dabei eher um Ausreden für den Hass gegen diese Schlächter handelt als um eine theologische oder philosophische Betrachtung des Menschseins: Auch ein IS-Terrorist ist ein Mensch, ein Geschöpf Gottes und – auch wenn es mir manchmal schwerfällt, das so anzunehmen – von Gott geliebt! Man sieht schon deutlich: Es gibt keine einfachen Antworten auf solche Themen!

Andererseits besteht auch kein Zweifel: Gewaltbereite Islamisten hätten keine Hemmungen, uns – mich ganz persönlich – in die Luft zu sprengen, zu foltern und zu töten, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen. Bei solch einem Menschen von einem Menschenfeind zu sprechen, einem Feind der Christen, einem Feind dessen, was ich unter Menschlichkeit verstehe, ist also nicht abwegig. Und was sagt Jesus über unsere Feinde? Genau dass, was auch Margot Käßmann sagt: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. […] Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.“ (Matthäus 5,43-45;48)

Das sind ziemlich „gemeine“ Sätze, weil man an Ihnen nicht vorbei kommt und man auch andere Aussagen Jesu nicht so hinbiegen könnte, als dass sie Gewalt gegen meine Feinde legitimierten. Dazu passt auch noch ein anderer Satz Jesu, den man sich als Christ hinter die Ohren schreiben muss: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ (Matthäus 16,24-26) Das eigene irdische Leben zu retten kann also das ewige Leben kosten. Das bedeutet nicht, dass nicht auch ein Mörder, der davon überzeugt ist, das richtige zu tun oder der zumindest bereut, durch Gottes Barmherzigkeit das ewige Leben erlangen kann – aber zuträglich ist das ganz sicher nicht!

Seine Feinde zu lieben und sich selbst zu verleugnen: Das sind die beiden Ansprüche, die Jesus an uns richtet, und die – so ein Mist aber auch – auf die Situation mit den islamistischen Terroristen ziemlich gut passen. Was würde also Jesus tun? Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir die Phantasie, Jesus im Kampfanzug gegen IS-Kämpfer antreten zu sehen (bei aller Vorliebe für alttestamentarische Formulierungen wie „Der Herr ist ein Krieger, Jahew ist sein Name“ (Exodus 15,3)). Mir fehlt aber genau so die Phantasie, das Jesus mit den Worten „Liebt Eure Feinde“ tatenlos zusieht, wie andere Menschen von Bomben zerfetzt oder gefoltert werden, Kinder geköpft und ermordet werden. Da steht die Liebe zu den Menschen in einem Konflikt mit der Liebe zu den Feinden der Menschen. Leider gibt die Bibel keinen Hinweis auf eine vergleichbare Situation, in der Jesus entsprechend hätte handeln müssen. Am ehesten mag noch die Konfrontation mit der Ehebrecherin zu vergleichen sein, die gesteinigt werden sollte. Aber auch hier: Jesus hat durch seine Worte, die die Menschen offenbar berührt haben, diese Steinigung verhindert. Was aber, wenn sie nicht hätten hören wollen, wenn er einfach nur Zeuge einer Steinigung geworden wäre, und man ihn gar nicht – in boshafter Absicht – nach seiner Meinung gefragt hätte?

Vielleicht muss man die entsprechenden Bibelstellen aber auch anders lesen, nämlich als sehr persönlichen Anspruch Gottes gegen mich selbst, nicht anonym gegen die Menscheit. Ich bin aufgefordert, meine Feinde zu lieben – zu denen ich auch Terroristen zählen würde -, ich bin persönlich aufgefordert, für sie zu beten. Das ist eine Sache zwischen Gott und mir, und diese Beziehung ist eine andere als die zwischen Ihnen und Gott, oder die eines anderen Christen und Gott, ganz sicher eine andere als die zwischen einem Atheisten und Gott. So kann ich von niemandem verlangen, dass er den IS einfach gewähren lässt, es ist nicht angemessen, ein gewaltsames Stoppen des IS zu verurteilen, solange diese Gewalt den Taten, der Verhinderung solcher Taten, die den Menschen feindlich gesinnt sind, angemessen ist. Ich kann – vielleicht sollte ich sogar – den Anspruch an mich haben, wenn ich einem IS-ler gegenübertreten müsste, der es nur auf mich abgesehen hat (zugegeben eine recht theoretische Situation) mich selbst zu verleugnen, mich quasi zu opfern für das Seelenheil dieses Menschen. Aber schon, wenn er androht, anschließend das kleine Kind neben mir umzubringen, treffe ich mit einer solchen Entscheidung eine gegen dieses Kind. Und wenn man als Gemeinschaft die Entscheidung treffen sollte, nicht mit Gewalt gegen den IS vorzugehen, dann trifft man eine Entscheidung gegen eine Menge Kinder und andere Opfer dieser Terroristen.

Die christliche Überzeugung und die allgemeine Erfahrung ist, dass man echten Frieden nicht „herbeibomben“ kann. Darum wird es nie ausreichend sein, den IS – soweit das überhaupt möglich ist – militärisch zu besiegen. Es wird vor allem dann nicht ausreichend sein, wenn dieses militätische Einschreiten mit Hass und aus Rache geschieht. Die Opfer des IS einfach ihrem Schicksal zu überlassen, ist aber auch so wenig hilfreich wie es christlich ist. Vielleicht hilft da das katholische „et – et“, das „sowohl als auch“: Sowohl mit militärischen Mitteln gegen einen weiteren Genozid an Christen und andersgläubigen Muslimen vorzugehen als auch für sie zu beten und sie im Grunde zu lieben. Wenn Frau Käßmann die Gefahr des Hasses auf Seiten der Verteidiger des Westens sieht, dann ist ihr Hinweis auf notwendige Liebe und Gebet also durchaus berechtigt. Wenn es ihr um einen fundamentalistischen Pazifismus auf Kosten anderer geht, dann verteidigt sie mit ihren Worten nur eine verquere Weltsicht, die mit dem, was Jesus tun würde, auch nichts zu tun hat. Feinde zu lieben und für sie zu beten ist zutiefst christlich – das als Vorwand zu nehmen, die Opfer von Gewalt sich selbst zu überlassen, ist es nicht!

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: ruhland

Die käßmann sollte man mit ihren frommen Sprüchen an ein Kreuz nageln. So könnte sie die böse Welt mit Liebe retten. Die andere Geschichte ist schon über 2000 Jahre her. Da wäre ein Versuch mit einer Neuauflage eine Option. Sie ist dafür jedenfalls die Richtige.

Gravatar: Karin Weber

Wenn ein Autofahrer Schlangenlinien fährt, dann schickt man ihn automatisch zur MPU. Wenn allerdings eine Person wie Frau Käßmann eine solch realitätsfremde Aussage tätigt, passiert nichts. Meinungsfreiheit kann nicht bedeuten, dass Gezeichnete mit ihren Aussagen wieder eine Einladung an bestimmte Interessengruppen aussprechen, für deren gegenleistungslose Finanzierung dann wieder der Bürger moralisch mit der Medienkeule verpflichtet wird.

Diese Frau Käßmann sollte sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Sie ist eine Schande für Deutschland.

Gravatar: Gabi

Ich mach es mal kurz und in Stichworten, in Ordnung?

Die Kirche lebte von der Angst.
Luther hat dagegengesetzt.
"Er konnte nicht anders!"
Warum nähert sich die Kirche dem Islam an?

Jesus! War er Opfer oder Rebell?
Wurde ein Rebell vereinnahmt?
Kennen wir diese Art der Vereinnahmung in der jüngeren Geschichte?


"Lass Dich auf die andere Wange schlagen!"
--> Lass Dich nicht überwältigen von einem falschem Stolz, der Deinen Feinden nützt! Keine Affekthandlungen, die Dir am Ende schaden könnten!

"Liebe Deine Feinde!"
---> Erniedrige Sie!

"Liebe Deinen Nächsten!"
--> Ehepartner, Kinder, Nachbarn, Gleichgesinnte,...!

Jesus nimmt die Qual seiner Peiniger an, weil er stark in seiner Überzeugung bleibt. Die Angst vor der Aufgabe seiner Überzeugung ist stärker als die Angst vor dem Tod.

Die Instution Kirche macht das Gegenteil!

Gravatar: lector

Feindesliebe heißt für den Christen - einzeln wie in Gemeinschaft, sich nicht dem Hass und der Gewalt hinzugeben, was ja der übliche Weg hin zu einer Eskalation der Aggression wäre; sondern eben im Gegenteil mit dem "Hinhalten der anderen Wange" bereit zu stehen, diese Spirale der Aggression bewusst zu durchbrechen und lieber selbst zum Opfer zu werden als andere zum Opfer zu machen: so wie Jesus unschuldig für uns gestorben ist.

Dies heißt aber nicht, dass nicht Notwehr und Nothilfe ebenfalls erlaubt sein können und in der Regel sind, wenn sie eben nicht zu weiterer, vermeidbarer Gewalt führen, sondern die Gewalt wirksam und angemessen beenden.

Dies kann unnötiges Blutvergießen verhindern, beim Verteidiger wie beim Verteidigten, und am Ende auch dem Angreifer zugute kommen: indem er daran gehindert wird, sich stärker schuldig zu machen als vermeidbar wäre.

Vielleicht ist er betrunken, frustriert, rachsüchtig, verblendet und weiß gar nicht, was er tut - oder er will bewusst Böses tun. In jedem dieser Fälle ist auch ihm dann geholfen, wenn er gehindert wurde, seine begonnene Tat auszuführen.

Ganz sicher ist die Bergpredigt nicht so zu verstehen, dass auch der Staat ganz bewusst auf jedes Zwangsmittel zu verzichten hätte und etwa Kriminelle gewähren lassen müsste. Ein solches Bestreben wäre absurd, weil es die Bösen anstacheln und belohnen würde. Wankelmütige würden zum Bösen verführt und Unschuldige fahrlässig oder vorsätzlich zu Opfern gemacht.

"Staatlicher Pazifismus" war zu Jesu Zeiten kaum denkbar und sicher kein existierendes Programm. Man ergab sich, wenn man besiegt war oder dies bevorstand.

Aber keine Macht hätte sich bewusst "erobern lassen" wollen, kein Volk hätte sich auch bewusst von Fremden überrollen und z.B. zahlenmäßig minorisieren lassen.
Dazu hat auch Jesus nicht aufgerufen, sondern die Bibel spricht öfters vom Platz, den Gott "den Völkern" gegeben hat, in ihren Grenzen.

Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, das schließt immerhin die Eigenliebe ein, und "der Nächste" soll auch nicht heißen, bewusst die Fernsten aus anderen Erdteilen einzuladen, als politisches Programm.

Ein Christ kann guten Gewissens Polizist sein und wahrscheinlich auch Soldat, solange er sich nicht dem Hass und Übermaß an Gewalt überlässt und seine Arbeit so verantwortungsvoll und menschlich ausführt, wie dies möglich ist.

Wenn von einer diktatorischen Obrigkeit Verbrechen befohlen werden, sind Christen aufgerufen, sich dem so gut möglich zu entziehen, den Befehl zu verweigern, stillschweigend oder als Fanal Widerstand zu leisten, im äußersten Fall auch eher selbst in den Tod zu gehen, als den Mördern beizuhelfen.

Gewalttäter gegen Unschuldige, "Terroristen" gar, die gezielt auf den Schrecken abzielen, um andere Menschen einzuschüchtern, dürfen auch von christlichen Vertretern des staatlichen Gewaltmonopols sehr wohl bekämpft werden, was in erster Linie heißt, sie kampfunfähig und dingfest zu machen. Ihren Tod in Kauf zu nehmen, muss nach aller Möglichkeit dabei vermieden werden.

Die Möglichkeiten des nicht-letalen Kampfes, von psychologischer Deeskalation bis zum Schlafgas usw., sind noch kaum angedacht, geschweige denn ausgeschöpft. Um einen Gewalttäter an seinem Tun zu hindern, muss man ihn gewiss und in den allermeisten Fällen keineswegs töten!

Gravatar: Alfred

Das Testament ist von Patriarchen zur Unterdrückung des ungebildeten Proletariats verfasst worden.
Mit ANGST Menschen zu beherrschen und aus ihrer Dummheit heraus für kirchliche Steuereinnahmen zu sorgen.
Nicht umsonst stehen Jehovas-Zeugen jetzt vermehrt an den Straßenrändern, um bei den Ausländern zahlungskräftige Neukunden zu werben.
Geschäft ist Geschäft! Denn schließlich soll der Wagenpark erweitert werden.

Gravatar: robert renk

Das Neue Testament ist keine Betriebsanleitung für ein Staatswesen, der Rechtsstaat kann aber im Idealfall ein Spiegelbild göttlicher Gerechtigkeit sein.
Petrus sagt der "Obrigkeit" ist das Schwert gegeben zur Bestrafung der Bösewichte 1Petr. 2,14
Jesus trennt Staat und Kirche, gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott......
Feindesliebe gilt für den Nachfolger Jesu, für den Einzelnen oder vielleicht für eine christliche Gemeinschaft die verfolgt wird.
Radikal-Pazifismus wie von Margot Käßmann vertreten,ist eine Illusion und hat mit dem echten Leben nichts zu tun oder wer hat schon einen Terroristen in der
Nachbarschaft dem er die andere Wange hinhalten könnte.
Durch solch pseudo-frommes Geschwafel, werden die letzten Interessenten am Glauben vergrault, die Kirche als hoffnungslos weltfremd markiert.

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