Fan-Gewalt: Wenn aus Angst vor Bränden Öl ins Feuer gegossen wird

Das pauschale Aufenthaltsverbot von Eintracht-Frankfurt-Sympathisanten in Darmstadt am Hessenderby-Wochenende ist Wasser auf die Mühlen einiger durchgeknallter Randalierer – und für alle anderen, ob nun Fußballfans oder nicht, eine unerträgliche Form der Gesinnungssippenhaft.

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Was Fußball mit Freiheit und Toleranz zu tun hat? Sehr viel, denn immer wieder wurde in den letzten Jahren das Fußballfeld, bzw. das Stadion zum Experimentierfeld für den autoritären und freiheitsfeindlichen Umgang mit großen Menschenmassen.

Es ist in Europas Fußballstadien mittlerweile üblich, erwachsenen Menschen den Mund zu verbieten und ihnen zahlreiche weitere Grund- und Freiheitsrechte zu entziehen. Die Ereignisse im Vorfeld des am Wochenende anstehenden brisanten Bundesliga-Derby zwischen Eintracht Frankfurt und dem SV Darmstadt 98 stellen einen weiteren Schritt in eine gefährliche Richtung dar. Nachdem es im Hinspiel Anfang Dezember in Frankfurt zu unschönen Vorkommnissen innerhalb des Stadions kam (bei denen jedoch niemand zu Schaden kam), wurde für das Rückspiel in Darmstadt die Aussperrung der Eintracht-Fans aus dem Darmstädter Stadion verfügt.

Schon damals schien es mehr als fraglich, ob man sich gerade auch angesichts der geografischen Nähe der beiden Städte damit einen Gefallen getan hatte. Denn es war schon damals abzusehen, dass Frankfurter auch ohne Eintrittskarte in das nur wenige S-Bahn-Haltestellen entfernte Darmstadt fahren würden. Die Aussperrung hat somit zusätzlichen Ärger vorprogrammiert und die Stadt Darmstadt mit einer Situation konfrontiert, die unter Berücksichtigung normaler und für alle geltenden Freiheitsrechte nur schwer unter Kontrolle zu halten ist.

In einem Akt panischer Überreaktion und unter Ausblendung sämtlicher rechtsstaatlicher Prinzipien hat die Stadt Darmstadt nun in dem Versuch, den durch die Fanaussperrung vorprogrammierten Ärger am Spieltag zu verhindern, die Lage noch weiter dramatisiert und ein 36-stündiges Aufenthaltsverbot für Fans von Eintracht Frankfurt im Darmstädter Stadtgebiet verfügt. Wir reden also nicht mehr von Stadionverboten, sondern von einem pauschalen Stadtverbot aufgrund einer angenommenen Zugehörigkeit zu einer Fußballfangruppe!

Die Bedeutung dieser Maßnahme muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn jemand am kommenden Samstag mit der S-Bahn von Frankfurt in Richtung Darmstadt fährt und einem Sicherheitsbeamten aus welchen Gründen auch immer wie ein Eintracht-Fan vorkommt, verwirkt er also sein Recht, in Darmstadt auszusteigen – selbst wenn er dort wohnt! Eine weitere Eskalation ist vorprogrammiert, denn es dürfte davon auszugehen sein, dass Randalierer aus Frankfurt nunmehr in Zivilkleidung anreisen werden. Die Gefahrenabwehr im Umfeld von Fußballspielen nimmt immer absurdere Formen an – und verkehrt sich zunehmend in ihr Gegenteil. Mit rechtsstaatlichen Prinzipien haben solche Entscheidungen nichts mehr zu tun.

Verschlimmert wird die Situation zusätzlich dadurch, dass niemand die Frage beantworten kann, wie um alles in der Welt die Sicherheitskräfte jemandem in Zivilkleidung nachweisen wollen, dass er entgegen eigener Angaben doch ein Eintracht-Fan ist. Dass diese staatliche Anordnung von Willkür – denn wie anders können solche Entscheidungen getroffen werden, wenn der klar identifizierende Fanschal nicht getragen wird? – das Ausschreitungspotenzial weiter erhöht, liegt auf der Hand. Man werde „nicht jedes Auto mit Frankfurter Kennzeichen anhalten“, kündigte Bernd Denninger, der Einsatzleiter der Polizei, bei einer Pressekonferenz an. Wie das Verbot konkret durchgesetzt werden soll, ließ er offen.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hält das 36-stündige Aufenthaltsverbot für Eintracht-Fans vor dem Hessen-Derby in Darmstadt für „wohl abgewogen“. Georg Leppert sieht das in seinem Kommentar „Panische Reaktion“ in der Frankfurter Rundschau vom 26. April 2016 deutlich anders: „Die Stadt Darmstadt befürchtet massive Randale. Nicht trotz des Stadionverbots, sondern deswegen.“ Leppert hat Recht. Für mich ist das Aufenthaltsverbot von Eintracht-Sympathisanten in Darmstadt Wasser auf die Mühlen einiger durchgeknallter Randalierer – und für alle anderen, ob nun Fußballfans oder nicht – eine unerträgliche Form der Gesinnungssippenhaft.

Beitrag zuerst erschienen auf zeitgeisterjagd.de

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