Familiensynode: Die Eucharistie und das geschulte Gewissen

Wie für denjenigen, bei dem eine Eheannulierung nicht in Betracht kommt, am Ende intensiver Gespräche zur Sakramentalität der Ehe und einer gemeinsamen Gewissensbildung das Ergebnis stehen sollte, er könne mit „gutem Gewissen“ zur Eucharistie gehen, dazu fehlt mir die Fantasie.

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Aus fragmentarischer Kenntnis zu urteilen – das kann schief gehen. Darum tue ich mich einerseits schwer, mich bereits jetzt zum Abschlussdokument der Familiensynode zu äußern, wo es bislang nur in italienischer Fassung vorliegt, die ich mangels Sprachkenntnis nicht lesen kann, und ich mich insofern nur auf „Sekundärliteratur“ und Kommentare anderer Autoren beziehen kann. Andererseits scheinen schon jetzt einige Steilvorlagen geliefert zu sein, die Vorsicht geboten scheinen lassen.

Da sind insbesondere die deutschen Bischöfe, die haben durchblicken lassen, dass man in manchen Themen nicht so weit gekommen wäre, wie sich das manche gewünscht hätten, dass also manche enttäuscht sein könnten, ob des Ergebnisses. katholisch.de zitiert den Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode:

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sagte, gemessen an den sehr hohen Erwartungen in Deutschland sei das Ergebnis der Bischofssynode womöglich enttäuschend. „Dass das Schuldbekenntnis nicht aufgenommen wurde, was wir vorgeschlagen hatten, finde ich ausgesprochen schade“, sagte er am Sonntag im Kölner domradio.

Die deutsche Sprachgruppe hatte die Bischöfe zu einem Schuldbekenntnis wegen Unbarmherzigkeiten bei der Auslegung der katholischen Morallehre aufgerufen. Darin heißt es, die Seelsorge habe durch „harte und unbarmherzige Haltungen“ oft Leid über Menschen gebracht. […] Diese Entschuldigungsbitte war aber nicht in den Schlusstext aufgenommen worden.

Dennoch wertete auch Bode das Abschlussdokument als einen „großen Schritt“ für eine Kirche, die nicht nur lehren, sondern auch lernen wolle und weltweit 1,2 Milliarden Mitglieder zähle. Es sei zwar „nicht alles in Einzelheiten geregelt, aber die ganze Atmosphäre dieses Papiers, die ganze Weise, wie es die Türen für die Situation der Menschen öffnet, wo nicht immer nur von Sünde gesprochen wird, hat den Raum vielleicht besser bereitet, als wenn wir uns zu sehr auf Einzelfragen konzentrieren“, so Bode.

In dem Zusammenhang gibt es bereits eine Übersetzung des Teils des Synodenabschlussdokumentes, der sich mit wiederverheirateten Geschiedenen beschäftigt. Wer das deutschsprachige Dokument dazu kennt, wird vieles wieder erkennen, insbesondere den folgenden Abschnitt (hier von Radio Vatikan):

86. Der Weg des Begleitens und der Unterscheidung führt diese Gläubigen zur Gewissensentscheidung über ihre Lage vor Gott. Das Gespräch mit dem Priester, im Forum Internum, trägt zur Herausbildung eines gerechten Urteils bei über das, was die Möglichkeit einer volleren Teilnahme am Leben der Kirche ermöglicht, und über die Schritte, die dazu beitragen und sie reifen lassen können. Da es im Gesetz selbst keine Gradualität gibt (s. FC, Nr. 34), kann diese Unterscheidung niemals von den Erfordernissen der Wahrheit und der Nächstenliebe des Evangeliums absehen, wie die Kirche sie vorgibt. Damit dies geschehe, sollen die nötigen Bedingungen der Demut, Vertraulichkeit, Liebe zur Kirche und ihrer Lehre garantiert werden, in der aufrichtigen Suche nach dem Willen Gottes und im Wunsch, zu einer vollkommeneren Antwort auf dieselbe zu gelangen.

Nimmt man nur diese beiden Aspekte heraus, einerseits die „Enttäuschung“, dass man nicht weiter gekommen sei, dass es aber „ein großer Schritt“ war, dem weitere folgen mögen, und die Beschreibung der „Atmosphäre“, in der „nicht immer nur von Sünde gesprochen wird“, andererseits die Fokussierung der Beurteilung auf das Gewissen des Einzelnen, das im „Forum Internum“ gebilder werden soll, sieht man am Horizont die weitere Entwicklung aufscheinen. Selbst wenn Papst Franziskus sich auf diese Worte nicht einlassen sollte, wird es in Zukunft neben der Rede des „Geistes des Konzils“ auch die vom „Geist der Synode“ geben, an dem man sich orientieren will – wir haben es noch alle im Ohr: „Wir sind keine Filiale Roms“.

Das für sich genommen wäre noch nicht weiter schlimm, wenn man davon ausgehen könnte, dass das, was hier „Gewissen“ und „Gewissensentscheidung“ genannt wird, tatsächlich auch das wäre, was beispielsweise im Katechismus dazu geschrieben steht (ab hier). Wer aber heute „Gewissen“ sagt, der meint lediglich noch die persönliche Einsicht in die Schuld. Ich verknüpfe zwei Aussagen mal, auch wenn ich weiß, dass das nicht ganz zulässig ist: Wer in einer Atmosphäre, in der nicht immer nur von Sünde gesprochen wird, eine Gewissensentscheidung anregt, der ist sich hoffentlich darüber bewusst, dass er damit Menschen zur Sünde verführt, die es besser wissen könnten.

Im Abschlussdokument ist offensichtlich keine direkte Aussage zur Eucharistieteilnahme von wiederverheirateten Geschiedenen gemacht. Dennoch kann man die Stelle, in der es um die „Herausbildung eines gerechten Urteils […] über das, was die Möglichkeit einer volleren Teilnahme am Leben der Kirche ermöglicht, und über die Schritte, die dazu beitragen und sie reifen lassen können“ genau so lesen. Was kommen mag, kann sich jeder denken: Die Teilnahme an der Eucharistie, solange man kein schlechtes Gewissen dabei hat. Dem könnte ich was abgewinnen, wenn es denn eine ausreichende Kenntnis des Gewissens gäbe, wenn klar gestellt würde, wie so ein Gewissen zu bilden ist. Die deutschen Bischöfe – und um unseren konkreten Kulturkreis muss es uns ja gehen – haben selbst festgestellt, wie wenig ausreichend in Deutschland eine Ehekatechese erfolgt. Da müsste ein Forum Internum erst mal dafür sorgen, dass das Sakrament der Ehe für denjenigen, der die Euchristie und die Beichte empfangen möchte, tatsächlich klar gemacht wird.

Ein bisschen platt gesagt: Wie für denjenigen, bei dem eine Eheannulierung nicht in Betracht kommt, am Ende intensiver Gespräche zur Sakramentalität der Ehe und einer gemeinsamen Gewissensbildung das Ergebnis stehen sollte, er könne mit „gutem Gewissen“ zur Eucharistie gehen, dazu fehlt mir die Fantasie. Nimmt man ein solches Forum Internum also wirklich ernst, dann muss man auch damit rechnen, dass am Ende dieses Prozesses die Einschätzung steht, dass der beteiligte Priester die Eucharistie nicht spenden möchte, während der Betroffene den Eindruck gewonnen haben mag, er dürfe die Eucharistie empfangen. Und dann?

Dann gibt es zum Glück noch einen anderen, früheren Abschnitt des Synodendokuments, dessen Inhalt ich im deutschprachigen Ergebnis vermisst habe, das sich in dieser Frage lediglich auf die Möglichkeit der Zulassung zur Eucharistie beschränkt hat:

84. Die Getauften, die geschieden sind und standesamtlich wiedergeheiratet haben, müssen mehr in die christlichen Gemeinden integriert werden – in der je möglichen Art und Weise, unter Vermeidung jeden Anlasses zum Skandal. Die Logik der Integration ist der Schlüssel ihrer seelsorglichen Begleitung, damit sie nicht nur wissen, dass sie zum Leib Christi – d.h. der Kirche – gehören, sondern das auch auf freudige und fruchtbare Weise erleben. Sie sind Getaufte, sind Brüder und Schwestern, der Heilige Geist schüttet über sie zum Wohle aller Gaben und Charismen aus. Ihre Teilnahme kann sich in verschiedenen kirchlichen Diensten ausdrücken; es gilt daher zu unterscheiden, welche der verschiedenen Formen des Ausschlusses, die derzeit in liturgischem, pastoralem, schulischem und institutionellem Bereich bestehen, überwunden werden können. Sie sollen sich nicht nur nicht exkommuniziert fühlen, sondern können als lebendige Glieder der Kirche leben und reifen und die Kirche dabei als eine Mutter wahrnehmen, die sie immer aufnimmt, sich voller Zuneigung um sie kümmert und sie ermuntert auf dem Weg des Lebens und des Evangeliums. Diese Integration ist auch für die Sorge und die christliche Erziehung ihrer Kinder nötig, sie müssen an erster Stelle stehen. Für die christliche Gemeinschaft bedeutet das Sich-Kümmern um diese Menschen keine Schwächung des eigenen Glaubens und des Zeugnisses für die Unauflöslichkeit der Ehe – im Gegenteil, die Kirche drückt gerade dadurch ihre Nächstenliebe aus.

Auch da kann man, mit Blick auf die folgenden Abschnitte einiges hineininterpretieren. Die Reihenfolge macht aber die Schwerpunkte deutlich: Erst mal muss es darum gehen, sich um diejeigen, die in der Situation sind, also geschieden und in einer neuen Beziehung, zu begleiten. Der Prozess sollte eigentlich schon vorher losgehen – also in der Ehekatechese, in der Begleitung der Ehe, nicht nur aber vor allem in Krisenzeiten, spätestens mit der Trennung und Scheidung. Wesentlich muss aber sein, den Betroffenen nicht einfach „die Tür vor der Nase zuzuschlagen“, was ohnehin nicht christlich wäre, aber sicher nicht selten vorkommt, sondern sie zu begleiten, und auf dem Weg auch klar zu machen, wieso bestimmte Dinge im christlichen Glauben so sind, wie sie sind. Die Frage der Eucharistie steht in diesem Prozess eher am Ende, und vor allem darf nicht der Eindruck vermittelt werden, man könne sich auf dem Weg des Forum Internum, ein „Recht auf die Eucharistie“ erstreiten.

Als Zwischenfazit: Offenbar waren die anderen Sprachgruppen wesentlich zurückhaltender, was die Frage der Eucharistie für wiederverheiratete Geschiedene angeht, offenbar sah man dort mehr den Ansatz der Seelsorge statt der Aufweichung der kirchlichen Lehre zur Unauflöslichkeit der Ehe und zur Zulassung zur Eucharistie. Das lässt hoffen, auch im Blick darauf, was Papst Franziskus mit den Ergebnissen macht. In der deutschen Rezeption der Synodenergebnisse ist aber weiterhin Vorsicht angesagt.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Stefan O. W. Weiß

Ich kapiere eines nicht. Wenn man sagt, die Ehe ist ein Sakrament und unauflöslich, dann kann es aus kirchlicher Sicht doch gar keine Scheidung geben.
Beispiel: Ein Mann heiratet - standesamtlich und kirchlich - läßt sich scheiden und heiratet standesamtlich ein zweites Mal. Meines Erachtens wäre er dann kirchlich immer noch mit seiner ersten Frau verheiratet.
Wie man damit seelsorgerisch umgeht, weiß ich nicht, aber rein (kirchen-)rechtlich müßte man hier doch sagen: Dieser Mann ist verheiratet und zwar mit seiner ersten Frau.

Gravatar: Aus Berlin

Stimme voll und ganz zu.
Die deutsche Kirche wird versuchen sich am Geist der Synode zu orientieren, statt an dem was geschrieben steht.
Das Geschrieben selbst scheint leider den beabsichtigten Interpretationsspielraum zuzulassen.

Vielleicht müsste auch wieder mehr auf Sündenbewusstsein allgemein hingearbeitet werden - und, an der vollen Wertschätzung der Eucharisitie.

Wenn wir uns der Wahrheit der Eucharistie wieder voller bewusst werden und demgegenüber unserer eigene Schuldhaftigkeit sehen - eröffnet sich der Weg dazu, neu zu erkennen und wertzuschätzen, dass Eucharistie nicht einfach wegzuschenkendes Gut ist, dass wiederverheiratete Geschiedene bzgl. Nichtzulassung zum Kommunionempfang bei weitem nicht alleine auf weiter Flur sind.
Vielleicht brauchen wir noch viel mehr kirchliche, liturgische Angebote ohne Eucharistie für die graduelle (Wieder-)Annäherung & echte Umkehr.

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