"Falsch verstandene Emanzipation"

Marius Huber vom Zürcher Tages-Anzeiger bleibt dran am Tabuthema der Mädchengewalt gegen Jungen und hat dazu den renommierten Schweizer Psychologen Allan Guggenbühl befragt.

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Zunächst schildert Huber in seinem Artikel die Sachlage:

Mit etwa 15 Jahren hat jeder vierte Bub schon Gewalt seitens seiner Freundin erlebt, während bei den Mädchen weniger als jedem fünften das Gleiche seitens ihres Freundes widerfahren ist. Ähnlich bleibt das Geschlechterverhältnis von Tätern und Opfern auch bei den 18-Jährigen. Dabei geht es vor allem um Formen der Gewalt, die die Autoren der Studie als relativ geringfügig erachten. Männliche Teenager werden von ihren Freundinnen meist "nur" geohrfeigt, gebissen, getreten oder herumgestossen. Deutlich seltener sind Faustschläge – aber auch damit sind Mädchen weniger zurückhaltend als Buben. Laut Ribeaud mag dieser Befund vielleicht erstaunlich wirken, in der Forschung aber ist er bekannt und durch viele andere Studien bestätigt.

Daraufhin lässt Huber Guggenbühl die gesellschaftlichen Ursachen erläutern:

Buben lernen laut Guggenbühl schon in der 2. oder 3. Klasse klar, dass man Mädchen nicht schlägt. Das habe nicht nur mit gesellschaftlichen Normen zu tun. "Sie begreifen schnell, dass Mädchen etwa auf einen freundschaftlichen Magenbox anders reagieren als Buben." Mädchen wiederum merken, dass sie dadurch einen Freiraum haben: Sie können einen Buben auch mal schlagen, ohne dass dieser gleich handgreiflich reagiert.

Von Mädchen ausgehende Gewalt werde Guggenbühl zufolge in unserer Gesellschaft inzwischen

als Zeichen gesehen, dass sie emanzipiert seien und sich durchsetzen könnten. "Das ist eine falsch verstandene Emanzipation", mahnt er. "Emanzipation muss heissen, dass man auch weibliche Aggression kritisch hinterfragt, statt zu versuchen, sie mit einer Emanzipationsrhetorik zu legitimieren."

Dieses Missverhältnis bei körperlich angewendeter Gewalt lässt sich auch auf die verbale Gewalt im Internet anlegen: Weibliche, vor allem feministische Aggression erscheint dort vielen als legitim oder wird schlicht ignoriert. Männliche Aggression hingegen erscheint als ein untrüglicher Beleg für das Böse im Mann.

Beitrag erschien auch auf: genderama.blogspot.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Rüdiger Braun

Wir haben uns als Kinder ganz diskriminierungsfrei geschlechterübergreifend geprügelt. Dabei war aber tatsächlich das Aggressionspotential bei beiden Geschlechtern sehr gering, fast nicht existent, es waren eher freundschaftliche Prügeleien. Später bei der Pubertät hat das aber komplett aufgehört. Da waren andere Sachen wichtiger. Selbst wir Jungs haben uns untereinander nicht mehr geprügelt, das Aggressionspotential blieb gering. Schon ein paar Jahrzehnte her, früher war eben doch fast alles besser.

Gravatar: Dr. Bruno Köhler

In meiner Jugendzeit wurden die ersten Eiertretkurse für Mädchen an Schulen eingeführt. Vordergründig zur Selbstverteidigung, wobei damals schon bekannt war, dass häufiger Jungen als Mädchen Opfer von Gewalt werden. Tatsächlich wurden die "neuen Techniken" dann benutzt, um Forderungen nachzuhlefen: "Mach dies oder das, sonst tret ich dir in die Eier!" Na ja, Gleichstellungspolitik war schon immer verlogen.

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