Fair Trade: Zu schön um fair zu sein

Fair-Trade-Produkte sollen die Welt verbessern. Doch der schöne Schein trügt.

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Fairer Handel gilt für viele Zeitgenossen als Wunderwaffe gegen die vermeindlich negativen Auswirkungen der Globalisierung. Niedriglöhne sollen damit bekämpft, Arbeitsbedingungen verbessert und obendrein die Produktqualität angehoben werden. All das klingt attraktiv und den einen oder anderen Euro mehr für ein zertifiziertes Produkt wert. Doch hinter dem plausiblen Schein des Fair-Trade-Konzepts verbirgt sich ein untauglicher Ansatz zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Masse der Produzenten in den Entwicklungsländern.

Marc Sidwell hat in seinem beim britischen Adam Smith Institute erschienenen Aufsatz „Unfair Trade“ einen guten Überblick über die Ecken und Kanten des Fair-Trade-Konzepts gegeben. Nach seiner Ansicht handelt es sich bei der Fair-Trade-Zertifizierung um nicht viel mehr als eine Marketingmassnahme, mit der die Fair-Trade-Organisationen auf einem extrem kompetitiven Markt um ein Alleinstellungsmerkmal kämpfen. Dabei gelingt es den Zertifizierern nur einen Bruchteil der Anbieter unter Vertrag zu nehmen. Diese erhalten zwar für ihr Angebot einen über dem Marktpreis liegenden Festpreis, doch der Rest der prinzipiell nicht weniger bedürftigen Anbieter geht leer aus und bleibt im Billig-Segment stecken. Da Fair-Trade-Produkte für Einzelhändler eine geeignete Gelegenheit darstellen, den Markt für relative homogene Produkte wie Kaffee, Tee o. ä. zu segmentieren, auf dem man die Zahlungsbereitschaft wohlhabender Konsumenten mit einem „sozialen Gewissen“ abschöpft, wird sich dauerhaft ein Niedrig- und ein Hochlohnsegment ergeben. Dabei ist nicht auszuschließen, dass der Nachfragerückgang im Niedriglohnsegment dort zu einem weiteren Rückgang der Entlohnung führt. Fair-Trade hilft nur einem Teil der Anbieter und kann allen anderen Anbietern sogar schaden. Vor allem dann, wenn wie Sidwell es beschreibt, der Großteil der begünstigten Kaffeebauern aus relativ wohlhabenden Anbaugebieten in Mexiko stammt, wohingehend in besonders armen Ländern wie Burindi, Ruanda oder Äthiopien nur sehr wenige Produzenten über zertifizierte Produzentenorganisationen anbieten.

Das Fair-Trade-Konzept versagt als wirtschaftliches Entwicklungsmodell, da es den Anbietern nicht bei der strukturellen Anpassung an veränderte Marktbedingungen unterstützt, sondern sie dafür bezahlt an einem wenig profitablen Geschäftsmodell festzuhalten. Wettbewerbsintensive Märkte erlauben nur geringe Profitmargen, was unproduktiven Anbietern den Marktaustritt nahelegt. Fair-Trade-Label binden dagegen die Anbieter an diese Märkte, ohne den Anbietern neue Marktoptionen zu eröffnen. Im ungünstigsten Fall verhindern sie die Modernisierung der Produktion, die Diversifizierung des Angebots und den Aufstieg der Anbieter in der Angebotskette. So konzentrieren sich die meisten Kaffeebauern auf den Kaffeanbau, statt in der wesentlich profitableren Kaffeverarbeitung Fuß zu fassen. Gegen den Protektionismus der Kaffeeimporteure, der durch differenzierte Zölle für die wertschöpfungsintensive Verarbeitung in den Importländern sorgt, können Fair-Trade-Konzepte nichts ausrichten. Fair-Trade-Produkte haben ein Qualitätsproblem, da die Zahlung von Festpreisen den Anreiz gibt, Produkte hoher Qualität zu Prämiumpreisen am regulären Markt abzusetzen, Fabrikate mit niedriger Qualität dagegen als Fair-Trade-Produkte zu vermarkten. Dies führt auch dazu, dass etwa im Kaffeesektor landwirtschaftliche Flächen von sehr geringer Qualität mit in die Produktion einbezogen werden und dort erzielte Erträge niedriger Qualität am Ende beim Kunden nur schwer absetzbar sind.

Fair-Trade-Zertifizierer konzentrieren ihre Unterstützung vornehmlich auf kleine Landeigentümer, helfen dagegen landlosen Tagelöhnern wenig. Das Regelwerk fordert beispielsweise von zertifizierten Produzenten auf festangestellte Arbeitskräfte zu verzichten. Bei der Beschäftigung von Saisonarbeitskräften können jedoch ein geringe Lohnniveaus und schlechte Arbeitsbedingungen mangels externer Kontrolle erst recht nicht verhindert werden.

Nur ein vergleichsweise geringer Teil der Premiumpreise für Fair-Trade-Produkte kommt tatsächlich den bedürftigen Produzenten zu gute. So ist Kaffeemarkt davon auszugehen, dass lediglich zehn Prozent der Preisaufschläge den Produzenten erreicht. Der Rest verteilt sich über die Wertschöpfungskette, wobei vor allem der Einzelhandel das Fair-Trade-Label als profitable Gelegenheit zur Preisdiskreminierung einsetzt. Eine direkte Spende an die zu begünstigenden Produzenten wäre aus dieser Perspektive wesentlich wirksamer, hieße dies doch, nicht auch noch die Ansprüche einer langen Kette von Trittbrettfahrern der Nächstenliebe befriedigen zu müssen.

Konsumenten haben wesentlich wirksamere Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation einkommensschwacher Produzenten in den Entwicklungsländern beizutragen. An ihnen ist es, als Wähler für eine Öffnung des internationalen Handels einzutreten und sich über interne und externe Entwicklungshemmnisse der Armen in unterentwickelten Regionen zu informieren. Direkte Spenden oder finanzielle Hilfen in Form von Kleinkrediten sind wesentlich wirksamer als der indirekte, kaum kontrollierbare und korruptionsanfällige Weg über den Kauf von Fair-Trade-Produkten zweifelhafter Qualität. Mit der Spendenplattform Global Giving, dem Microfinance-Netzwerk Kiva oder der Entwicklungsbank Grameen des Friedensnobelpreisträgers Prof. Muhammad Yunus stehen wesentlich wirksamere und für den Spender besser kontrollierbare Wege der Hilfe zur Selbsthilfe in armen Ländern zur Verfügung. Letztlich können jedoch nur freie Märkte und geeignete institutionelle Entwicklungsbedingungen den Ausweg aus der Armut weisen. Da sich die Menschen aus der entwickelten Welt gern in der Rolle als Vorreiter gefallen, sollten sie auch mit dem Abriss der Handelsschranken und einer Verbesserung der institutionellen Gegebenheiten für den wirtschaftlichen der Armen beginnen. Dazu zählen nicht nur eine liberale Handelspolitik, sondern auch eine Öffnung der Volkswirtschaft für Menschen, die in ihrer eigenen Heimat wenig Entwicklungsperspektiven sehen. Diese Art von Vorbildwirkung hat mit Sicherheit mehr Ausstrahlungskraft als ein Paket Transfair-Kaffee.

Weiterführende Literatur:

Marc Sidwell: Unfair Trade, Adam Smith Institute, 2008

Colleen Haight: Does Fair Trade Coffee Help the Poor? Evidence from Costa Rica and Guatemala, Mercatus Policy Series Policy Comment, Nr. 11, 2007

Sinclair Davidson, Tim Wilson: New evidence of old concerns: Fair trade myth exposed…Again, Institute of Public Affairs, 2008

Jeremy Weber: Fair Trade Coffee Enthusiast Should Confront Reality, Cato-Journal, Vol. 27, Nr. 1, 2007

 

Der Beitrag erschien auch auf "Denken für die Freiheit", dem Weblog des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Noah

Liebe Frau N. Bandermann, habe Sie eigentlich den vollständigen sehr treffenden Kommentar von Freigeist gelesen? Insbesondere der Hinweis auf die Sache mit dem Bevölkerungswachstum müßte doch auch einem intelligenten Christen zu denken geben.

Gravatar: Steffen Hentrich

@Karina:

Man kann meinem Artikel ja auch nicht entnehmen, dass ich für diesen Effekt die Fair Trade Bewegung verantwortlich mache, obwohl Sie sich sicherlich bewusst sind, dass die Lizensierungsvoraussetzungen einen Teil der Bauern ausschließen bzw. die Beteiligung am Lizenzsystem für einige Bauern nicht erschwinglich ist. Zudem hatte ich angemerkt, dass es tatsächlich einen negativen Effekt gibt, wenn die Mindestpreise noch mehr Bauern zum Angebot anreizen. Das jedoch führt zu einer höheren Angebotsmenge am Gesamtmarkt, die dann insgesamt nur zu einem niedrigerem preis abgesetzt werden kann. Ich empfehle Ihnen hier die Lektüre der angegeben Literatur.

Es ist der Mangel an Alternativen und damit die allgemeine Wirtschaftspolitik in diesen Ländern, der den Bauern andere Einkommensquellen verbaut. Insofern verspricht Fair Trade mehr als es zu halten vermag, zumal sich die Protagonisten von Fair Trade nicht gerade durch einen besonderen Fokus auf Freihandel auszeichnen.

Gravatar: Karina

Sie schreiben:
"Dabei gelingt es den Zertifizierern nur einen Bruchteil der Anbieter unter Vertrag zu nehmen. Diese erhalten zwar für ihr Angebot einen über dem Marktpreis liegenden Festpreis, doch der Rest der prinzipiell nicht weniger bedürftigen Anbieter geht lehr aus und bleibt im Billig-Segment stecken."

Dieses Argument ist in meinen Augen absurd: Die Akteure des Fairen Handels sind vorwiegend mittelständische Unternehmen oder Vereine mit Ehrenamtlichen Mitarbeitern oder Kleinunternehmer, die einen Weltladen betreiben. Der Faire Handel hat relativ geringe Anteile am Gesamtmarkt. Wegen dieser Gründe ist es natürlich nicht möglich, alle Kleinbauern unter Vertrag zu nehmen.

Doch dafür, dass die übrigen Farmer "im Billigsegment" stecken bleiben, ist doch nicht der Faire Handel verantwortlich. Unternehmen, die weitaus größere wirtschaftliche Macht haben als die Akteure des Fairen Handels, nutzen diese nicht, um anständige Arbeitsbedingungen rund um den Globus durchzusetzen.

So ist die Ursache für das Elend der Kleinbauern nicht der Faire Handel, sondern eine Weltwirtschaft, die Menschenrechte mit Füßen tritt.

Gravatar: Heiner Grysar

Als alter Lateiner kann ich nur sagen: Si tacuisses! Ich erwarte von einem Kommentator, dass er sich erst mal sachkundig macht, bevor er nur nachbetet, was ein anderer frei erfunden hat. Möglichkleiten dazu gibt es im Internet mehr als ausreichend.
Und dann fände ich einen deutschen Sprachkurs ganz hilfreich, damit nicht noch mehr Leute bei einem solchen Gewäsch "lehr" ausgehen.
Heiner Grysar, Aachen

Gravatar: Nicole

Lieber Freigeist, sie sind ja doch eine gute Seele! Auch, wenn sie das mit der Seele nicht glauben! Ist auch gar nicht schlimm, denn ihre Seele kann damit gut umgehen. Viele Grüße von Nicole Bandermann!!! :) :)

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