Fachkräftemangel ist oft hausgemacht

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Die Werbekampagne des Autoherstellers Opel trägt Früchte. Der Slogan „Umparken im Kopf“ hat dazu beigetragen, das Bild von Opel in der Öffentlichkeit zu ändern. Weg vom Biedermann- und Opa-Image, hinzu mehr Frische und Modernität mit sympathischen Werbeträgern.

„‘Was wir denken, bestimmt, was wir sehen. Und Dinge, über die wir ein vorgefasstes Urteil haben, sehen wir oft überhaupt nicht mehr.‘ Diese Sätze aus der Werbekampagne von Opel kann man auch mit einem anderen Thema in Verbindung bringen – dem Fachkräftemangel“, sagt der Personalexperte Michael Zondler, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo www.centomo.de mit Firmensitzen in London, Ludwigsburg und Sindelfingen. „Alle beschwören wie ein Mantra den Fachkräftemangel. Keiner fragt mehr nach, ob er wirklich so gravierend ist und vor allem, für welche Branchen er gilt und für welche nicht. Auch viele Unternehmer stimmen in das Klagelied ein. Dabei ist der Fachkräftemangel keine gleichsam gottgebene Plage wie die Pest. Das ständige Wehklagen hat oft die Funktion eines Feigenblatts. Es ist eine Ausrede für Firmen, die zu wenig in puncto Arbeitgebermarketing investieren und denken, man komme heute auf dem gleichen Weg zu guten Bewerbern wie vor 20 oder 30 Jahren. Natürlich gibt es auch strukturelle Gründe. Bei manchen Berufen herrschen echte Engpässe. Doch ein Gutteil des vermeintlichen Fachkräftemangels ist auch hausgemacht.“

Nach Ansicht Zondlers setzen sich viele Unternehmen nicht genug in Szene. Große und bekannte Firmen könnten es sich vielleicht noch leisten, auf Employer Branding zu verzichten. „Doch gerade die kleineren mittelständischen Unternehmen, die gegebenenfalls auch noch in der Provinz angesiedelt sind, müssen mehr Geld in unternehmensstrategische Maßnahmen investieren, um sich als attraktiven Arbeitgeber darzustellen. Leider hat auch hier eine fatale ‚Geiz-ist-geil‘-Haltung Platz gegriffen. Marketingmaßnahmen dürfen nichts kosten. Man gibt nur Geld für Dinge aus, deren Nutzen direkt messbar ist.“

Doch nicht immer sei nur „Geiz“ mit im Spiel. „Zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen werden von Technikern oder Ingenieuren geführt. Sie sind es gewohnt, ihren Blick auf das Produkt zu fixieren. Die Marke wird vernachlässigt. Dabei sind die Voraussetzungen in Deutschland eigentlich gut. Unser Arbeitsmarkt ist im internationalen Vergleich gesund. Unsere Hochschulausbildung, aber vor allem auch unsere duale Ausbildung kann sich sehen lassen. Doch man muss diese qualifizierten Fachkräfte auch gezielt und vor allem modern ansprechen. Als Personalexperte rate ich auch kleineren Betrieben dazu: Ihr müsst mehr trommeln! Setzt Euch mehr in Szene! Leider verzichten kleinere und mittlere Unternehmen oft auf eine strategische Personalplanung. Sie sparen an der falschen Ecke, wenn sie kein Geld für externe Beratung investieren. Dabei ist dieses Geld langfristig gut investiertes Geld und eine Art Prävention gegen drohenden Fachkräftemangel“.

Martin Gaedt bringt es in seinem Buch „Mythos Fachkräftemangel“ martingaedt.de/mythos-fachkraeftemangel/ auf den Punkt. Selbst manche Weltmarktführer sind „genauso unsichtbar wie eine Bruchbude kurze vor der Pleite“. Dabei sei der Mensch ein Sinneswesen: „Was er nicht wahrnimmt, bleibt versteckt und unsichtbar. Schlimmer noch: Das gibt es für ihn nicht.“

Ein Beispiel, wie man es anders und besser machen kann, ist Trigema auf der Schwäbischen Alb. Kein Mensch kennt das „Kaff“ Burladingen. Doch Trigema-Chef Wolfgang Grupp ist permanent im Fernsehen oder in Werbespots zu sehen: „Trigema ist Grupp, und Grupp kennt jeder, der diese Sendungen einschaltet“. Dass sich der Textilhersteller aus der Provinz um Fachkräfte keine Sorgen machen muss, versteht sich von selbst.

 

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Gravatar: Thomas_Ulm

Der Fachkräftemangel ist hausgemacht. Die Unternehmen tragen hieran genau so viel Schuld, wie das verkrustete unmoderne Bildungssystem.

Unser Bildungssystem ist immer noch zu theoretisch. Keine Praxis, keine Vernetzung in Unternehmen. Was passiert da in den Unternehmen, welche Berufsbilder hängen daran. Schulen produzieren nur noch eins: Orientierungslosigkeit

Wer also soll die angehenden Fachkräfte motivieren, wenn nicht eine praxisorientierte Schulausbildung unter Einbringung der örtlichen Unternehmen. Die Berufsmöglichkeiten müssen frühzeitig in der Schule dargestellt werden. Die Unternehmen müssen durch positive Selbstdarstellung und z.B. laufende Unternehmens(ein)führungen motivieren.

Zum Zweiten sind die Unternehmen selbst unfähig aus einer Bewerbung das Richtige zu machen! Die Unternehmen beschränken ihre Rekruitmentmaßnahmen zwischenzeitlich erstmal auf kostengünstige Onlinetests und suchen hierbei den besten Bewerber unter Hunderten von Bewerbungen. Wie ineffektiv!

99% der Bewerber erhalten nicht einmal ein Feedback. Woher sollen diese also wissen, wo ihre Stärken sind und an welchen Schwächen sie arbeiten müssen?

Erst wenn die Verantwortlichen in Unternehmen das Potenzial einer jeden Bewerbung erkennen und mit jeder Bewerbung gleich respektvoll umgehen, wird es ein Umdenken geben. Dann wird auch der Begriff Fachkräftemangel aussterben.

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