Exxon macht mobil: Fracking giftfrei!

Der aktuelle Spiegel enthält eigentlich nur drei spannende Seiten.

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Zwei davon belegt Alexander Neubacher mit einem entlarvenden Artikel darüber, wie Verbraucherschutz den Konsumenten entmündigt. Aber nicht nur Politiker aller Farben halten uns Bürger für verblödet und wollen uns unbedingt vor Erdnüssen warnen, die “Spuren von Nüssen” enthalten können. Auch die Industrie ist leider nicht frei von derartiger Attitüde. Dies zeigt eine Anzeige des Konzerns ExxonMobil auf Seite 77. “Lassen Sie uns über Fracking reden“, regt dort der Vorstandsvorsitzende Gernot Kalkoffen an, und schreibt uns allen einen Brief mit durchaus bemerkenswertem Inhalt.

Dummerweise – oder besser hoffentlich – hat er es nicht selbst geschrieben. Es wird wohl seine von selbsternannten Kommunikationsexperten durchsetzte Marketing-Abteilung gewesen sein. In eigentlich allen großen Unternehmen, wie auch in vielen Forschungseinrichtungen, sind dies Menschen, die vom eigentlichen Geschäft ihrer Firma wenig bis gar nichts verstehen. Die aber der felsenfesten Überzeugung sind, alle Bürger seien heutzutage erstens Ökos und zweitens gerade durch die Ansprache dieser Eigenschaft positiv zu stimmen. “Greenwashing” heißt auf neudeutsch, was in den ersten Sätzen überdeutlich eingesetzt wird:

Deutschland hat sich für die Energiewende entschieden.

Also ich nicht. Und ich denke, die Leser dieses Blogs wohl auch nicht. “Die Politik hat sich für die Energiewende entschieden” wäre wohl richtig, oder besser: “die Regierung”.

Dafür braucht unser Land verlässlich und ausreichend Erdgas.

Durchaus nicht. Jedenfalls ist das nicht der Plan der Bundesregierung. Tatsächlich will sie die Stromerzeugung aus Erdgas bis zum Jahr 2050 beenden. Und nur noch Biogas einsetzen. Als Treibstoff soll Erdgas zwar durchaus noch eine Rolle spielen, aber eigentlich fördert man hier nur die Elektromobilität. Und die Gebäude sollen so weit gedämmt werden, daß auch im Wärmebereich kaum mehr Erdgas benötigt wird. Ziel der Energiewende ist nicht der Ausstieg aus der Kernenergie. Sondern die umfassende Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen. Erdgas hat aufgrund des höheren Wasserstoffanteils hier Vorteile gegenüber Erdöl und Kohle, keine Frage. Aber auch Erdgas ist eben ein fossiler Kohlenwasserstoff, auf den es nach dem Willen der Ökologisten in Zukunft zu verzichten gilt. Wenn ExxonMobil immer noch nicht verstanden hat, daß die Energiewende ein Frontalangriff auf sein Geschäftsmodell ist, dann beleidigt der Konzern meine Intelligenz:

Wir von ExxonMobil wollen die Energiewende unterstützen…

Echt jetzt? Bei euch tanke ich nicht mehr (dies ist kein Boykott-Aufruf). Das erinnert mich fatal an die unselige “Deutschlands ungeliebte Klimaschützer”-Kampagne des deutschen Atomforums, mit der es kommunikativen Selbstmord begangen hat. Sie haben das unterschrieben, Herr Kalkoffen? Feuern Sie Ihre PR-Abteilung. Denn Sie werden auf diese Weise niemanden gewinnen, der für die Energiewende steht. Die Menschen sind eben nicht so verblödet, als daß sie ungerechtfertigtes Greenwashing nicht auch als solches erkennen. Und die Minderheit, die Ihnen bislang noch wohlwollend begegnet ist, Leute wie mich zum Beispiel, verschrecken Sie durch solche Sätze nur.

Die eigentliche Nachricht kommt nach dieser fehlgeschlagenen Herleitung, und die ist aufregend:

Wir möchten in Deutschland für Schiefergas mit höchsten Umweltstandards, modernster Technologie und unter Beteiligung der kritischen Öffentlichkeit neue Maßstäbe setzen – mit Fracking, aber giftfrei. Es ist uns gelungen, eine Kernforderung aus Öffentlichkeit und Politik zu erfüllen: Es werden nur noch zwei ungiftige und zudem biologisch leicht abbaubare Zusätze zum Einsatz kommen.

Na also. Vielleicht war das einigen Lesern schon bekannt. Ich jedenfalls bin erst heute durch diese Anzeige darauf gestoßen. Ich hatte keine Ahnung, daß die Entwicklung schon so weit fortgeschritten ist.

ExxonMobil gibt bekannt, nun in Deutschland für die Gewinnung von Schiefergas nur noch giftfreie Fracfluide verwenden zu können. Diese bestehen zu 99,8% aus Wasser. Die restlichen 0,2% entfallen auf Cholinchlorid und Butoxyethoxyethanol. Ich habe leider nicht die Zeit für eine ausführliche Recherche, aber zu Cholin findet man den Hinweis, es werde in Nahrungsergänzungs- und Futtermitteln sowie in Medikamenten eingesetzt. Außerdem kann es vom menschlichen Körper selbst hergestellt werden. Butoxyethoxyethanol, auch Diethylenglykolmonobutylether genannt, darf immerhin in Konzentrationen von bis zu 9% in Kosmetika vorkommen. Als toxisch werden beide Substanzen nicht eingestuft.

Das könnte die Fracking-Debatte in Deutschland tatsächlich entscheidend prägen. Mühsam hat man seitens der Ökologisten Stimmung durch das Schüren von Ängsten vor der Verseuchung des Trinkwassers erzeugt, die halb aus Unwissen und halb aus Aberglauben resultieren. Nun war das alles für die Katz’. Die Fracking-Befürworter sind nun in der Offensive, die Zögerlichen können sich ruhigen Gewissens auf deren Seite schlagen und die Gegner müssen erst einmal üben, die Namen der verbliebenen Zusätze richtig zu schreiben.

Ich bin optimistisch. Meine Vermutung, daß Technophobie letztendlich immer am Primat der Technologie scheitert, kann in diesem Fall eine rasche Bestätigung finden.

Beitrag erschien auch auf: science-skeptical.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Frank Endres

Nun gut, Herr Heller, ich habe ein klein wenig Hoffnung, dass in den 36 Jahren bis zum Jahr 2050 die Vernunft nach Deutschland zurückkehrt, aber nur ein klein wenig. Bis dahin wissen wir auch, wie sich die sog. "mittlere Temperatur" der Erde entwickelt.

Cholinchlorid hat man früher als Vitamin B4 bezeichnet, es wird teilweise Hühnerfutter zugesetzt. In Wasser ändert es dessen Grenzflächeneigenschaften. Bzgl. Diethylenglykolmonobutylether: sicher keine Substanz, vor der man Angst haben muss. Allerdings wird dann irgendein Grüner die "Glykolweinaffäre" auskramen und darauf rumreiten, dass Glykol ein Gift ist. Exxon würde sich besser einen auf Glycerin aufbauenden Stoff suchen. Abgesehen davon teile ich Ihre Meinung, dass sich Exxon mit einer solchen Anzeige lächerlich macht, denn die Vernichtung der Industrie "fossiler" Energieträger ist das erklärte Ziel der Klimabewegung. Erinnert ein wenig an "Biedermann und die Brandstifter".

Ich würde die Gaskraftwerke, wäre ich ein "Klimaschützer", mit dem Argument "Anthropogenes Wasser" anprangern. Bei der Verbrennung von Erdgas entsteht immerhin auch "anthropogener" Wasserdampf (2 Moleküle Wasser pro Molekül Kohlenstoffdioxid), und war es nicht Wasser, das in den so perfekten Computermodellen als Rückkopplungsfaktor eingesetzt wird ? Das Wasser muss bei der Verbrennung von Erdgas gar nicht erst aus den Ozeanen verdampfen, es wird doch gleich bei der Verbrennung erzeugt, so dass es als potentes "Treibhausgas" wirken kann. Besser geht es nicht für den "menschengemachten" Treibhauseffekt. Wenn "anthropogenes" Wasser keine Rolle spielt für die stets zitierte Klimasensitivität, dürfte in der Konsequenz anthropogenes CO2 auch keine Rolle spielen. Oder übersehe ich da etwas, wenn doch Wasser das eigentliche Treibhausgas ist ?

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