Ewald Nowotny

Deutschland ist Weltmeister! Zumindest im Fußball. Was wurden “wir” von uns selbst gefeiert; es war unvergleichbar. Während den Spielen verwandelten sich die Menschenmassen in ein Meer aus Schwarz, Rot und Gold.

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Zwischen “SCHLAAAAND”-Rufen und “Deutschland-Gesängen” wurde die Nation gefeiert. In diesen Tagen wäre “25 Jahre Mauerfall” zu feiern. Wo sind die Fahnen, wo sind die Gesänge und wo sind diese dämlichen SCHLAAAAND-Rufe?

Beim Hambacher Fest 1832 wurde die schwarz-rot-goldene Fahne in der heutigen Form erstmals geführt und wurde das Symbol für eine deutsche Republik. Erst später im Kaiserreich wurde sie verboten und kam dann nach dem zweiten Weltkrieg wieder. Das ist also unsere Fahne. Während der WM´s schmückt sie Autos, Wangen, Fahrräder und ganze Häuser. Gibt es aber tatsächlich mal was zu feiern, dann bleiben die Fahnen im Keller. Aus der hambacher Freiheitsbewegung ist ein Sportlabel geworden! Warum geht jetzt niemand auf die Straße und singt laut “Deutschland vor, Deutschland vor”? Es würde sofort ein neosozialistisch-radikaleuropäischer Gutmenschenmob kommen und den Sänger steinigen.

Ich persönlich verstehe die Deutschland-Fans nicht, denn ich halte nichts von Fahnenkult. Kein Witz, ich habe mich auch während der WM geweigert, zu schminken oder mein Auto zu nationalisieren, denn ich lehne dieses verlogene Deutschland ab und favorisiere dezentrale Demokratie. Ich habe nichts gegen unsere Fahne aber ich will sie nicht für sowas wie Fußball zweckentfremden. Unsere Fahne ist ein Fanartikel. Wo sind jetzt die ganzen Deutschland-Fans mit ihren Fahnen? 25 Jahre deutsche Einheit sollte schon ein Grund zum feiern sein. Stellt euch vor in den USA wäre ein Nationalfeiertag und niemand würde die Stars & Stripes schwenken; es wäre ein Skandal. Sind wir so vertrottelt und devot, dass wir uns nur noch beim Fußball feiern können/dürfen?

Beitrag erschien auch auf: pinksliberal.wordpress.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Andreas Schneider

Genau dieses Thema hat auch Klaus Kelle mit http://www.freiewelt.net/erobern-wir-buerger-uns-diesen-feiertag-10043679/ hier angesprochen. Völlig zu Recht!

Und Sie, liebe Jenny, benennen auch den Knackpunkt: „Es würde sofort ein neosozialistisch-radikaleuropäischer Gutmenschenmob kommen…“

Nun, meine individuelle Wahrnehmung dieses „Feiertages“ ist durch den bei Herrn Kelles Beitrag geschilderten persönlichen Verlust geprägt, was natürlich dereinst nicht absehbar war und die Entscheidung für den 3. Oktober auch nicht anders hätte ausfallen lassen. Aber ganz grundsätzlich wurde mit der Ablehnung des 9. November (als Tag der Grenzöffnung) der administrative Grundstein für den weiteren verschämten Umgang mit der eigenen Historie gelegt: wieso hat man nicht mit der Einsetzung dieses Tages das Engagement gerader Derer gewürdigt, die seinerzeit einem Unrechtsregime die Rote Karte zeigten? Wieso musste einmal mehr die „böse Vergangenheit“ herhalten - und damit letztendlich das „Tausendjährige Reich“ eine traurige Manifestierung dahin gehend erhalten, dass selbst das mutige Eintreten einer völlig anders gestrickten Folgegeneration gegen staatliche Unterdrückung und für Freiheit der Pflege eines selbst auferlegten Dauertraumas zu weichen hatte? Was in aller Welt hat gerade den 3. Oktober 1990 prädestiniert, zum „Nationalfeiertag“ zu werden? Wieso dann nicht der 8. Oktober, nicht der 10., nicht der 15.? Ein Datum der Beliebigkeit, ein überflüssiges Einknicken vor einer „Weltmeinung“, die so wohl nur in der eigenen Vorstellung existiert und obendrein eine Missachtung des Eintretens Derer darstellt, die das historische Ereignis überhaupt erst ermöglichten.

Vom 3. Oktober 1990 ist mir nur das dort vorgetragene „Lied der Freude“ in schwacher Erinnerung geblieben. Wir hatten Besuch - aus der „Zone“ (der Schwiegervater war dereinst „Republikflüchtling“ und die neuerliche Entwicklung brachte diese neuen, alten Kontakte auf). Wir hatten eingeladen, den großen Tag gemeinsam zu verbringen und ebenso gemeinsam den Festakt zu verfolgen. Stattdessen kam eine so lebhafte Unterhaltung über Gott und die Welt auf, dass wir den laufenden Fernseher kaum wahrnahmen und plötzlich mit einiger Überraschung feststellen mussten, dass wir ja nun vereint waren. Der für den feierlichen Moment bereit und kalt gestellte Sekt wurde da (es mag gegen 20 Uhr gewesen sein) nicht mehr aus dem Kühlschrank geholt.

Ist das ein „Nationalfeiertag“, der tatsächlich wert ist, sich als solcher im Gedächtnis eingebrannt zu haben, noch dazu, da selbst während des „Sommermärchens“ 2006 wieder genug kritische Stimmen zu einem „neuen Erstarken des Nationalismus“ ob des scharz-rot-goldenen Fahnenmeers der Fußballfans aufkamen?

Von vornherein wurde (und wird) von den Verantwortlichen alles getan, um einen Tippfehler mit Leben zu füllen, der mir beim Überlesen des letzten Absatzes auffiel: da stand doch tatsächlich „Nationaleiertag“.

Wieso habe ich ob Dessen nicht einmal schmunzeln können?

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