Europas dritte Option, oder: Die Angst vor dem Königsmacher

Sanfter Totalitarismus oder Chaos, Bürgerkrieg und Sezession! Bisher schien es für die Mitgefangenen der Europäischen Union nur zwei denkbar ungemütliche Zukunfts-Szenarien zu geben. Bisher. Doch die politische Kräfteverschiebung der letzten Monate leitete eine spürbare Trendwende ein und gibt erstmals realistisch den Blick auf weniger düstere Zeiten frei. Nun, außer man ist Renate Künast.

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Rette mich, wer kann!

Ja, es war schon eine ziemliche Achterbahnfahrt bis hier her, gebe ich zu, und sie ist noch lange nicht zu Ende: Sprichwörtlich hin und her gerissen zwischen Brüssel und BrExit, Gummiboot und Stacheldraht, fragen sich viele Zeitgenossen, ob wir von diesem Zug in den Abgrund noch irgendwie abspringen können. Ohne uns dabei das Genick zu brechen. Ich frage mich das ja auch. [1]

Die gute Nachricht ist: Vielleicht müssen wir gar nicht. Vielleicht schaut morgen nicht halb Europa wie Paris nach der Fußball-WM aus [2], während sich die andere Hälfte hinter hohen Mauern vor den verrückt gewordenen Nachbarn verschanzt. Der Wettlauf gegen die Zeit und Brüssel ist verdammt hart — doch was wäre, wenn wir ihn mit Brüssel aufnähmen? Klingt verrückt? Abwarten!

Kürzlich meldete sich Steve Bannon mit einem Paukenschlag zurück auf der politischen Bühne. Oder, äh, hinter der Bühne. Egal. Jedenfalls kündigte er an, den verschiedenen »populistischen« Akteuren in Europa bei ihrer Vernetzung zu helfen, sie beim Wahlkampf zu unterstützen, gar in die Rolle des so dringend benötigten »Gegen-Soros« zu schlüpfen. Ich halte das für eine ganz wunderbare Idee! Und wie immer, wenn ich von etwas begeistert bin, das der Demokratie nutzen würde, passiert zuverlässig das da:

Parlamentarische Angst vor Demokratie

»Ziel sei es, im Europäischen Parlament eine ›rechtspopulistische Supergruppe‹ zu bilden, der bis zu ein Drittel der Abgeordneten angehören sollten. Ein vereinter Block solcher Grösse könne den parlamentarischen Prozess ernsthaft stören […]« [3]

Ernsthaft. Dieser buchstäblich merkwürdige Satz findet sich in praktisch jedem der nahezu identischen Artikel, die unsere »Qualitätspresse« (und sogar die heilige NZZ ohne Gänsefüßchen!) in den letzten Tagen ungeprüft aus dem Nachrichtenticker der DPA übernahmen. »Ungeprüft« meint: Ja, stimmt, ergibt aber keinen Sinn!

Warum und wie genau sollten demokratisch gewählte Abgeordnete eines demokratischen Parlaments den »parlamentarischen Prozess ernsthaft stören« — indem sie politisch an einem Strang ziehen? Derartige Bündnisse existieren bereits, z.B. die EVP-Fraktion (29 %) und die Sozis (25 %), mit 54 % eine Art »Mega-GroKo«. [4] Stören die auch den Prozess? Und falls ja: Stimmt dann eventuell mit dem Prozess irgendetwas nicht?

Grüne entdecken Grenzschutz

Dass eine solche Zusammenarbeit gigantisches Potential birgt und bereits nachhaltig wirkt, bevor sie überhaupt begann, lassen die hysterischen Reaktionen der etablieren Demokratieversteher erahnen. [5] So »kabelt« beispielsweise Verbotsrettich Renate an Außenhobbit Heiko:

»Dringende Frage: Was tun Sie da jetzt rechtlich bzgl Aufenthalt!? @HeikoMaas Wir wollen keine Manipulation der #EU -Wahlen! Kein Arbeitsvisum !? Als Tourist kann er ja nun nicht mehr kommen! #SteveBannon« [6]

Ja, richtig gelesen. Die Grünen interessieren sich plötzlich dringend für so abwegige Fragen wie legalen Aufenthalt und gültige Papiere! Sollte es rechtlich tatsächlich möglich sein, dubiose alte Strippenzieher auf diesem Wege… Man wird ja noch träumen dürfen. Aber machen wir uns nichts vor: Weisen wir George Soros auf dieser Grundlage aus, rollt der einfach auf der anderen Seite als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling wieder rein.

Der unheimliche Steve

Generell wird Steve Bannon gleichzeitig unter- und überschätzt. Seine Fähigkeiten als »Königsmacher« hat er nicht zuletzt im US-Wahlkampf eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Er ist Netzwerker, Katalysator, Metapolitiker, transatlantischer Götz Kubitschek (abzüglich dessen intellektuellem Anspruch), kurz: ein Wegbereiter von Veränderung und Macht. Diese auszuüben ist sein Ding allerdings nicht. Anderenfalls wäre er noch Stratege im Weißen Haus und Breitbart-Chef. Ist er aber nicht. [7]

Jene Stimmen, die nun seinen vermeintlich »riesigen Einfluss innerhalb der populistischen Bewegung« herbei orakeln, haben bestenfalls keine Ahnung, was die da halluzinieren, wahrscheinlicher aber auch »nur« unlautere Absichten. Bestünde die realistische Gefahr, dass Bannon die äußerst heterogenen »populistischen« Parteien und Organisationen in Europa »übernimmt«, würde er das längst bei zwanzig-dreißig Gläschen Ischias mit Schonklod feiern!

Dritte Option

Natürlich zielt diese Panikmache vor allem auf jene freiheitlichen Kräfte in Europa, vor denen sich unsere geliebten Altlasten zurecht fürchten. Was, wenn die auf einmal merken, wie zahlreich sie sind? Was, wenn die sich zusammentun? Ja, was dann, ganz recht! Das passiert so oder so, unabhängig davon, ob man mittels völlig unverhohlener Rechtsbeugung Steve Bannon am Reisen hindert oder nicht. Da kann man nur noch hoffen, dass jetzt keiner versehentlich das Internet erfindet…

Nie zuvor hat sich so deutlich die Silhouette eines neuen, besseren Europa am Horizont abgezeichnet, wie in diesen Sommertagen des Jahres 2018! Erstmals lässt sich eine realistische Alternative zu totalitärem Zentralstaat oder kompletter Zersplitterung der Alten Welt erahnen: Die volksnahe Reform der Union »von oben«, ausgerechnet im Herzen der Finsternis, in Brüssel und Straßburg, durch unsere patriotischen Kräfte in Parlament, Kommission und Rat.

Diese mächtige Waffe werden wir alle im Frühjahr 2019 bei der Europawahl in unseren Händen halten. Und wehe, wehe jemand lässt sie dann fallen und desertiert an der Wahlurne!

Europa eterna — Europa nostra!

Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie ich mich auf den Moment freue, wenn die Gruselraute mit »schlechten Nachrichten« aus Brüssel zurück kommt und ihr Entsetzen ausnahmsweise nicht heucheln muss. Falls sie dann noch hier ist. Ja, da brechen ganz, ganz schlechte Zeiten für jene an, die gern andere Menschen für eine »falsche Meinung« wegsperren, am Volk vorbei regieren und es hemmungslos manipulieren, abzocken und letztlich austauschen. Die werden unser neues Europa inbrünstig hassen. Versprochen!

[1] dunkeldeutschland.blog-net.ch/2018/01/28/nachdenken-ueber-europa/
[2] youtu.be/6agPYQJ37CQ
[3] www.nzz.ch/international/us-rechtspopulist-bannon-plant-offenbar-bewegung-in-europa-ld.1405520
[4] de.wikipedia.org/wiki/Fraktion_im_Europ%C3%A4ischen_Parlament
[5] www.spiegel.de/politik/deutschland/deutsche-politiker-reagieren-kaempferisch-auf-us-rechtspopulist-steve-bannon-a-1219662.html
[6] www.twitter.com/SinaLorenzDD/status/1021383506340077569
[7] de.wikipedia.org/wiki/Stephen_Bannon

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Gravatar: Unmensch

Ja ja, so manche Bewertung ändert sich schlagartig, wenn die Wahlergebnisse bekannt geworden sond. So könnten plötzlich langjährige EU-Hasser zu besten Freunden der EU werden, und umgekehrt langjährige EU-Jubler zu Betroffenen des Untergangs. Die demokratische Umfärbung des EU-Parlaments wäre tatsächlich der beste Weg, die EU wieder aufzurichten.

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