Europa braucht mehr Großbritannien und weniger Frankreich

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Dass der Euro eine Fehlkonstruktion mit möglicherweise fataler Langzeitwirkung ist, dürfte mittlerweile jedem normalen Bürger klar sein, der ein Sparbuch und eine Lebensversicherung sein eigen nennt. Nur die Politik verschließt (noch) die Augen vor diesen Tatsachen. Der junge Bonner Historiker Dominik Geppert hat nun ein Buch vorgelebt, das mit den Illusionen der Rettungseuropäer gnadenlos aufräumt.

 

Der Autor macht deutlich, dass es ein Armutszeugnis der Politik darstellt, dass Gegner der uneingeschränkten Rettungspolitik als Anti-Europäer, Euro-Nörgler, professorale Besserwisser oder „Nationalstaatsorthodoxe“ diffamiert werden. Diese Vorwürfe sind in ihrer Plattheit und dumm-dreisten Art nicht zu übertreffen. Leider werden sie aber von weiten Teilen unserer Medien nachgeplappert. Die Verflechtung insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens mit der Politik hat mittlerweile solche Ausmaße angenommen, die an Kumpanei grenzt. Fakten und Argumente spielen dann keine große Rolle mehr.

 

Geppert hingegen widmet sich seinem Gegenstand mit bewundernswerter Nüchternheit. Während die Alternative für Deutschland bei uns häufig an den Pranger gestellt wird, bemüht sich der Autor um Gerechtigkeit: „Vergleicht man die AfD mit den euroskeptischen Bewegungen in anderen Ländern, so sticht vor allem ins Auge, wie gemäßigt deren Sprecher argumentieren und wie sehr sie bemüht sind, jeden Anschein populistischer Bauernfängerei zu vermeiden.“

 

Die permanente Euro-Krise zeigt jeden Tag aufs Neue, dass zwar weite Teile der politischen Klasse von einem europäischen Bundesstaat faseln, das Europa der Vaterländer aber tagtägliche Realität ist. Alte, fast vergessen geglaubte Vorbehalte gegenüber Deutschland, ja ein  regelrechter Hass auf deutsche Politiker feiert unfröhliche Urständ, so, als hätten wir Juli 1914 und lebten nicht im Jahr 2013. Während Helmut Kohl seine Europapolitik noch mit missionarischem Eifer betrieb, denken Franzosen, Italiener, Griechen, Briten und andere weiter ganz kühl in Kategorien des Nationalstaats. Ohne demokratische Legitimation debattieren die europäischen Führer über Milliardenbeträge. Der Euro sollte den europäischen Einigungsprozess entscheidend vorantreiben. Nun könnte er dessen Totengräber werden.

 

„Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“: Diese Losung ist ein plumper Erpressungsversuch, um alle sachliche Kritik an der Fehlkonstruktion der Währungsunion zum Verstummen zu bringen. Geppert belebt minutiös, warum der Euro allen Europäern mehr Nach- als Vorteile bringt.

 

Doch wie könnte die europäische Zukunft aussehen? Gepperts Herz schlägt britisch. Deutschland sollte sich endlich von seiner fatalen Fixierung auf Frankreich lösen. Die verarbeitende Industrie trägt dort nur noch 11 Prozent zum Sozialprodukt bei, nicht mehr als in Großbritannien, „auf das man wegen dessen brutaler Entindustrialisierung lange Zeit herabgeschaut hatte“. Frankreich ist schwach: wirtschaftlich wie politisch. Wir brauchen eine liberalere Ordnung für Europa. Deutschland wird zum Verlierer, wenn weiterhin allein die Südschiene die Spielregeln bestimmt.

 

Man kann dem Historiker und Publizisten nur zustimmen: Der Binnenmarkt ist wichtiger als die Währungsunion. Deutschland hat mehr Gemeinsamkeiten mit Großbritannien als mit Frankreich. Die deutsch-französische Ehe ist schon lange zerrüttet. Aus lauter Gewohnheit hat man nur noch nicht die Scheidungspapiere beantragt. Ob Gepperts Leitbild einer offeneren, vielseitigeren und dezentraleren EU eine Zielperspektive für die neue Bundesregierung wird? Erhebliche Zweifel sind angebracht. Gepperts schöne Streitschrift sollte jedenfalls einen Ehrenplatz auf dem Nachtschränkchen von Wolfgang Schäuble, Martin Schulz oder Jean-Claude Juncker finden. Lesen bildet ja bekanntlich.

 

Dominik Geppert: Ein Europa, das es nicht gibt. Die fatale Sprengkraft des Euro. Mit einem Vorwort von Udo di Fabio. Europa Verlag: Wien – Berlin – München 2013. 189 Seiten. 16,99 Euro.

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